Endet nicht, wenn alles endet

Gedicht zum Thema Verwandlung

von  GastIltis

Endet nicht, wenn alles endet,
auch die Zeit, die wir verbracht,
blendet nicht, wenn sie schon blendet,
uns die Sonne heute Nacht,
ist, was weicht und webt und windet,
bleicht und schwebt im Morgenrot,
und das aus dem Herzen schwindet,
schwinden könnt, nicht längst schon tot?

Nein, es wandert nur gen Westen,
halt, es wandelt übers Meer,
wundert, zaubert, tanzt und tändelt,
Bernstein suchend hin und her,
zaudert, plaudert, bleibt, mäandert,
hier ein Ufer, dort ein Strand,
segelt, rudert, planscht, verludert,
verlustiert das blaue Band.

Und beginnt mit neuem Leben,
neuer Zeit und neuem Glück,
findet, bindet von dem Streben
nach der Gegenwart ein Stück.
Hält es fest und fasst es wieder,
schwenkt das schwanke Rohr im Wind,
nimmt es, fasst es fest und wähnt nicht,
ob wir überhaupt noch sind.


Anmerkung von GastIltis:

Empfohlen von: Annabell, AZU20, EkkehartMittelberg, ErichCarl, Georg Maria Wilke, Gerhard-W., Graeculus, juttavon, Mullenlulle, plotzn, princess, Rothenfels, Sabira, Sanchina, Sinshenatty, Stelzie, Sylvia, TassoTuwas, TrekanBelluvitsh, tulpenrot, wa Bash.       
Lieblingstext von: plotzn, Sabira, Stelzie, tulpenrot.
Vielen herzlichen Dank!

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (13.01.18)
Lesen, schmökern, blättern, deuten: Alles tat ich gern, da der Text dazu verführt. LG

 GastIltis meinte dazu am 16.01.18:
Lieber Armin, danke für deinen sehr netten Kommentar. Da genau während des Barockkonzertes im Salongebäude am Kamp in Bad Doberan (Neujahrskonzert des Ensembles NeoBarock Köln) am 13.1.2018, ich hatte bei meinem letzten Beitrag schon eine Andeutung in diese Richtung gemacht, eine Magen-Darm-Grippe bei mir zum Ausbruch kam, muss ich mich leider auf das beschränken, was ich z.Z. am besten kann, mich wieder hinzulegen. Liebe Grüße an dich und an die, die dies zufällig noch lesen sollten. Herzlich Gil.

 tulpenrot antwortete darauf am 27.07.18:
Der Kamp in Bad Doberan - intensive Kindheitserinnerungen an das Arzthaus meines Großvaters gegenüber vom Kamp ... und schon allein deswegen wurde es höchste Zeit, dass ich diesen Text entdeckte und gern lesen mochte.
Vieles lebt einfach in uns weiter - als Eindruck, als Erlebtes, die Gerüche, die Geräusche, die Bilder, die Menschen. Es bewegt sich und uns und lässt uns zurückschauen und vorwärts und hin und her. Und plötzlich steht man vor einer Lebens-Fülle, die man kaum überblicken kann, aber über die man sich neben vielem vielleicht Schwerem auch sehr freuen kann.

Du bist in der Zwischenzeit wieder auf den Beinen und erholst dich von der Hitze des Tages.
Einen angenehmen Abend deshalb
Angelika

 GastIltis schrieb daraufhin am 29.07.18:
Liebe Angelika, danke für deinen wundervollen Kommentar. Erinnerungen sind erwas Einmaliges. Sie können uns aus unseren Sehnsüchten in die Wirklichkeit zurück versetzen. Die Vielschichtigkeit, mit denen sie sich mitteilen können, sind so überraschend, wie es die damaligen Ereignisse oftmals waren. Aber du hast es schon so schön und umfassend dargestellt, dass man es besser nicht tun kann.
Es stimmt, nach einigen Tagen mit unseren Kindern und Enkeln gibt es ein paar Pflichttermine, die notwendig sind, aber die Kraft für Neues und vielleicht noch Erbaulicheres bieten können. Wer weiß? Viele liebe Grüße und auch dir weiterhin alles Gute. Herzlich Gil.

 TrekanBelluvitsh (13.01.18)
Es muss das Glück der Welt sein, das immer eine andere Form annimmt. Denn der Schrecken bleibt immer gleich, ist immer gleich beliebt.

 GastIltis äußerte darauf am 18.01.18:
Hallo Trekan, wenn ich jetzt schreibe: stimmt, hat sich das Leben selbst schon überholt. Mein Schrecken (siehe auch bei Armin) dauert leider, wenn auch unbeliebt, etwas an. Dank deiner Weitsicht? Nein. LG von Gil.

 EkkehartMittelberg (13.01.18)
Sehr schön, Giltis. Du bist ein Meister des Spiels mit den Verben und dem Rhythmus.
LG
Ekki

 GastIltis ergänzte dazu am 18.01.18:
Lieber Ekki, an manchen Tagen macht das Spiel, ob nun mit Verben, Rhythmen oder andren Dingen, besondren Spaß. Wenn man solch einen Tag erwischt, dann sollte man ihn nutzen. Danke und viele Grüße von Gil.

 Isaban (13.01.18)
Die beiden letzten Strophen gefallen mir ausgesprochen gut. Auch die erste spricht mich an, hier allerdings kriege ich (was durchaus an mir liegen kann, vielleicht habe ich ja einfach ein Brett vor dem Kopf) die Sinn- und Satzzusammenhänge der letzten vier Verse nicht zusammen:

Endet nicht, wenn alles endet,
auch die Zeit, die wir verbracht,
blendet nicht, wenn sie schon blendet,
uns die Sonne heute Nacht,
(bis hierhin alles klar)
ist, was weicht und webt und windet,
bleicht und schwebt im Morgenrot,
und das aus dem Herzen schwindet,
schwinden könnt, als wär es tot?


Was ist mit dem, was da "ist"? Wenn der letzte Halbsatz im letzten Vers dieser Strophe z.B. " ...schon morgen tot? " oder "...in Bälde tot?" oder "...ganz bald schon tot?" oder "...womöglich tot?" oder "...vertan und tot?"o.ä. lauten würde, ginge mir der Inhalt des ganzen Satzes eher ein.

LG Sabine
Graeculus (69) meinte dazu am 13.01.18:
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 Isaban meinte dazu am 13.01.18:
Hm, ist ..., als wär es tot?
Würde ich immer noch als sehr ungeschickt ausgedrückt betrachten. Das hat ein ansonsten so guter Text nicht verdient.

 GastIltis meinte dazu am 18.01.18:
Hallo Sabine, falls du die Antworten auf die vorherigen Kommentare schon gelesen hast, ich habe tatsächlich vom 13. an bis jetzt total flach gelegen. Dass einem da so einiges durch den Kopf geht, versteht sich. So auch, dass, warum auch immer, zum obigen Gedicht nicht nur Kommentare, sondern auch eine kritische Stimme, nämlich genau deine, vorliegen könnte. Gut oder bedenklich? Gut insofern, weil du ja mit Lob nicht sparsam umgehst. Vielen Dank! Bedenklich? Vielleicht, was meinen geistigen Zustand betrifft. Zum Inhalt: nach dem Absatz, der bei dir noch klar ist, hatte ich anstelle des „ist“ ursprünglich ein Verb stehen, an das ich mich nicht mehr erinnere. Das passte nicht, störte den Fluss, und es veränderte auch mein Anliegen, den Text trotz der schweren Thematik fließend und leicht zu halten. Die Variante von Graeculus „Etwas ist oder es ist, gekürzt sogar 's ist ...“ würde dem wohl entsprechen, aber auch einen faulen Kompromiss darstellen. Deshalb, ich neige nicht dazu, mich Vorschlägen gegenüber ablehnend zu verhalten, aber lieber eine leicht beschwingt daherkommende Version als z.B. ein fehlerfreies Gedicht mit einem „in Bälde tot“. Sei mir bitte nicht böse deshalb. Wir beide wissen, welche Mühe es oft macht, um ein einziges richtiges Wort zu ringen.
Viele herzliche Grüße von Giltis.

Hallo Graecu, dass du dich so ausgiebig mit den Zeilen befasst hast, freut mich. Danke!
LG auch an dich von Gil.

 Isaban meinte dazu am 12.02.18:
Lieber Gil,
setz dich noch einmal dran, der Text ist viel zu gut, um an dieser einen mauen Stelle zu kranken. Du findest doch bestimmt eine Lösung.

Wie wäre es denn mit "beinahe tot"?

Liebe Grüße

Sabine

 GastIltis meinte dazu am 13.02.18:
Liebe Sabine,
ich habe mitbekommen, dass du gestern wieder auf dieser Seite warst. OK. Was hältst du von:
...schwinden könnt, nicht längst schon tot?
Hartnäckig bist du, das muss man dir lassen.
Aber du hast natürlich Recht.
LG von Gil.

 Isaban meinte dazu am 14.02.18:
Da würde mir das "ist" fehlen.
Aber ich freu mich, dass du dran bleibst.

Liebe Grüße

Sabine

Edit:

Nee, du hast Recht, das "ist" ist ja vorhanden, nur so weit weg vom Satzende, dass man zwischendurch beim Lesen den (Satz-) Zusammenhang verliert. Also, wie gesagt, grammatikalisch ist das vollkommen ok.

Abendgrüßle

Sabine

Antwort geändert am 15.02.2018 um 18:47 Uhr

 Walther (13.01.18)
Hallo Giltis,

dies von mir als kommi:

Weise, weise spricht er leise,
Nicht mehr weit geht seine Reise
Über diesen Erdenrund.
Er schenkt reine Lebenskunde,
Redet nicht mehr nach dem Munde,
Scheidet weiß von schwarz und bunt.

(S1 eines gedichts, das ich gerade schrieb).

danke für deine anregenden verse.

lg W.

 GastIltis meinte dazu am 18.01.18:
Hallo Walther, die Zeit, mich überschwänglich zu bedanken, muss ich wohl, lesend deine Zeilen, auf ein „wahrhaftig“ und „wofür“ bereits beschränken.
LG Gil.

 Walther meinte dazu am 19.01.18:
my pleasure!
Sabira (58)
(13.01.18)
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 GastIltis meinte dazu am 18.01.18:
Liebe Sigrun, vielen Dank zuerst für deinen Satz mit den Gedankenbildern. Zu deinem ersten Satz: da wären wir dann bei Hesses Stufen und einem der schönsten Sätze der Lyrik: Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne … Des Beflügelns wäre dann kein Ende. Danke für deinen wunderbaren Kommentar. LG von Gil.

 Sylvia (13.01.18)
Lieber Gil,
an mäandert komme ich nicht vorbei, vor allem in Verbindung mit Bernstein :)
Das wusstest du bestimmt schon.
Ein schönes Gedicht!
LG Sylvia

 GastIltis meinte dazu am 19.01.18:
Liebe Sylvia, danke für dein Lob. Zum Mäandern: abgesehen von der Vorliebe für bestimmte antike Begriffe wie Mäander (als Fluss von Μαίανδρος), der mir ebenso geläufig ist wie der Skamander (von Σκάμανδρος), hier ist mir der Kampf des Achilles gegen den Flussgott Skamandros fast gegenwärtig, und meiner beruflichen Orientierung, gilt ja allgemein: dass das Verb “mäandern” bedeutet, dass etwas ein kurvenreiches, verschlungenes Muster aufweist. Mit dem Bernstein hat es nichts zu tun. Jeder Fluss, sofern man ihn lässt, will mäandern. Das liegt in seiner Natur. Für den Menschen gelten andere Regeln. Wenn er mäandert, muss man die Ursachen woanders suchen.
Liebe Grüße von Gil.
Gerhard-W. (78)
(13.01.18)
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 GastIltis meinte dazu am 19.01.18:
Lieber Gerhard, zwischen meinem Text, deinen Zeilen und dieser Antwort liegen nun einige Tage. Zeit zum Nachdenken und Inunsgehen. Ich halte es mehr so, wie du es mit dem zweiten Teil deines Kommentars (und ich im Gedicht) auch sehe, „tänzeln, zaubern, wundern“. Wenn ich dich erwische, so wie hier: das Echo ist nie schneller als der Schall!
Danke und sei gegrüßt von Gil.

 TassoTuwas (14.01.18)
Hey Gasti,
so gelesen dich mich wohl zeitlich neu justieren müssen
LG TT

 GastIltis meinte dazu am 19.01.18:
Hallo Tasso, denk daran, auch Hubble (das Teleskop) musste neu justiert werden und funktionierte dann Jahrzehnte einwandfrei, auch wenn das Ende vorprogrammiert ist. James Webb steht in den Startlöchern. Zeit? Spielt keine Rolle! Danke + LG von Gil.

 plotzn (27.01.18)
So spielerisch und poetisch habe ich die Vergänglichkeit (meine Interpretation Deiner Zeilen) noch nirgends beschrieben gesehen. Chapeau, Gil!

Liebe Grüße,
Stefan

 GastIltis meinte dazu am 27.01.18:
Danke Stefan,
noch einen oder zwei solche herzlichen und netten Kommentare und ich werde wohl damit drohen müssen, dein Buch zu bestellen. Nein, ernsthaft. Ich staune, dass du dir auch ernstere Texte vornimmst. Sehr schön! Viele Grüße von Gil.

 plotzn meinte dazu am 28.01.18:
Servus Gil,
mich durch Deine Gedichte zu wühlen, stand schon länger auf meiner Liste und gestern hatte ich mal die Muße dazu, damit anzufangen. Es ist schön, wenn mir einer, der sowohl die humorvolle als auch die ernstere Saite bespielt, eine Brücke baut.

Liebe Grüße,
Stefan

 Mullenlulle (29.01.18)
Das ist nicht nur inhaltlich so leicht und spielerisch wunderbar - was ich an diesem Gedicht auf Anhieb liebe sind die vielen VERBEN! Jawoll, Verben bringen Bewegung, vor allem, wenn sie so gut treffen wie hier! Ich habe beim Lesen mitgewankt. =)

Beste Grüße

Mull

Kommentar geändert am 29.01.2018 um 22:07 Uhr

 GastIltis meinte dazu am 30.01.18:
Hallo, fein! Ja, es stimmt. Wenn man beim Schreiben ist, fliegen sie (die Verben) einem fast förmlich zu. Gut finde ich, dass solche Gedichte auch neue Horizonte eröffnen, z.B. in deine Richtung. Danke. Ich freue mich und LG von Gil.
Sinshenatty (53)
(11.02.18)
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 GastIltis meinte dazu am 12.02.18:
Hast du nicht dein Winterlager inspiziert, oder waren es die Jagdgründe, denen du deine Aufmerksamkeit widmen musstest? Den ewigen siehst du ja, wie ich den Zeilen entnehme, nicht uneingeschränkt, wenn auch gelassen, entgegen.
Danke + LG von Gil.

 princess (12.02.18)
Wow! Lebendig, bewegt, das empfinde ich als Verwandlung pur. Und dann schaffst du es auch noch, diesen Wandel in eine Form zu gießen, die den Fluss erst recht spürbar macht. Bemerkenswert, Herr Gil!

Liebe Grüße
Ira

 GastIltis meinte dazu am 12.02.18:
Ach liebe Frau Prinzessin, wenn mir doch öfter mal nur ansatzweise Flügel wüchsen …
Der Dank, er wäre nur ein mildes Lächeln. So aber suche ich mit müden Lidern mir ein wenig Zuspruch zuzufächeln.
Gut, etwas heftig! Dennoch: vielen Dank und sei lieb gegrüßt von Gil.
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