Berufliche Veränderung

Aphorismus zum Thema Fortschritt

von  eiskimo

Früher verspürten etliche eine Berufung...  andere wurden berufen, einberufen. Der Rest machte, was die Eltern sagten.
Heute musst du dich selber flächendeckend bewerben und marktgerecht andienern.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (05.03.18)
Sozusagen die drei Stadien des Verfalls einer Gesellschaft:
1. Berufung. 2 .Beruf. 3. Prostitution.

 eiskimo meinte dazu am 05.03.18:
Kurz und knackig! Das trifft es in mancherlei Hinsicht , so böse wollte ich das aber nicht ausdrücken...

 TrekanBelluvitsh (05.03.18)
Mag sich auf den ersten Blick richtig anhören. Dadurch wird es jedoch nicht richtiger.

Die Zukunft des Einzelnen hing schon immer von den wirtschaftlichen Gegebenheiten ab, denen die Sippe, aus der er stammte, unterlag. Bauern schickten Söhne fort, weil sie sie nicht ernähren konnten, behielten aber die Knechte. Frauen wurden in Kloster geschickt, wenn die Familie den richtigen Stand und über ausreichend Geld verfügte. Wer (Steuer-)Schulden nicht zahlen konnte, geriet in die Schuldknechtschaft, der Sklaverei nicht unähnlich. Handwerker konnte man nur werden, wenn die Zünfte die Arbeitsplätze freigaben.

Und die Kunst:
Die Kunst war jahrtausendelang Auftragskunst. Der unabhängige Künstler tritt zum ersten Mal Ende des 19. Jhd. auf. Beispiel: Der erste Schriftsteller, der von seinem Schreiben leben konnte, war Washington Irving (1783 - 1859).

Das mit der Berufung ist eine idealtypische/mythische Vorstellung einer Oberschicht. Ein gutes Beispiel ist daswahre Rittertum. Im Zuge der bürgerlichen Emanzipation übernimmt sie das Bürgertum. Und da ist sie geblieben. Oder würde eine Flüchtlingskind, dass sich zu einem deutschen Richter berufen fühlt, etwas anderes als Gelächter hervorrufen?

Anders gesagt:
Wenn jeder werden könnte, was er will, gäbe es nur Astronauten und Filmschauspielerinnen.
Oder, to cut a long story short: Nö!

 eiskimo antwortete darauf am 05.03.18:
In der Tat eine profunde Argumentation, der ich in der gegebenen Auflistung nichts entgegensetzen kann. Allerdings sind wir m.E. auch nicht gänzlich auseinander. Klar, bei "Berufung". Aber dass früher ganz viele dem Dikat der Eltern zu folgen hatten (siehe Kloster, Auswanderung, Lehre...) - diesen Punkt sehe ich bei uns beiden.
Dein Beispiel mit dem Flüchtlingskind überzeugt mich nicht. Wenn es die erforderlichen Abschlüsse hat, kann es alles werden (nachdem es - wie alle anderen - den Bewerbungsamarathon auf sich genommen hat)

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 05.03.18:
Wenn es die erforderlichen Abschlüsse hat, kann es alles werden (nachdem es - wie alle anderen - den Bewerbungsamarathon auf sich genommen hat)
Agree. Wir leben heute im Westen bestimmt in der durchlässigsten Gesellschaft, die es für Menschen auf Erden je gegeben hat - was nicht heißt, dass es auch bei uns noch große Unterschiede gibt.

Aber führt das nicht zu dem Gegenteil, was du beschreibst? Können heute nicht viel mehr Menschen ihrer Berufung folgen? Und gibt es dann noch immer noch genügend, die einfach "nur" funktionieren wollen, sich Abends "Deutschland sucht den Superstar" anschauen und zufrieden sind?

Ich sehe hinter deinem kleinen Text etwas hervorlugen: den Sinn des Lebens. Und - widerspreche mir, wenn ich mich irre - da, denke ich, liegen wir auseinander. In meiner Sicht der Dinge gibt es keinen Sinn des Lebens. Es gibt auch kein Ziel. Es gibt viel kleine Sinne und Ziele, aber darum müssen wir uns jeden Tag kümmern, sie für uns suchen und uns dann erarbeiten - mit der Option zu scheitern. Wir scheitern auch öfters, als das wir erfolgreich sind. Und dennoch können wir weitermachen (der eine besser, der andere schlechter). Je eher wir das begreifen, desto eher lassen wir von "dem großen Ziel" ab, das wir niemals erreichen können, was bei viele Menschen im besten Fall Depression, oft aber auch Aggression hervorruft. Zufriedenheit sieht anders aus. Aber ist eine zufriedene Gesellschaft nicht eine bessere, weil friedfertigere Gesellschaft? Und erlaubt eine friedfertigere Gesellschaft nicht eher viel mehr Menschen, hie und da einen Sinn und ein Ziel zu erreichen?

...ich kam ins schwafeln, 'tschuldigung...

 eiskimo äußerte darauf am 06.03.18:
Solche "Schwafelei" kann ich durchaus mit Gewinn lesen -Danke dir! Es erinnert mich an das, was ich einmal von Sartre und seiner Art Existentialismus gelernt habe...
Und dass wir privilegiert sind über alle Maßen und einige tatsächlich die Freiheit einer "Berufung" ausleben können, dem stimme ich gerne zu
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram