Ein neues Leben

Prolog zum Thema Vampire

von  ThalayaBlackwing

Elisabeth saß auf dem Ast eines Baumes, den sie vor 13 Jahren das letzte mal bezwungen hatte. Er war gewachsen, genau wie sie auch und konnte ihr Gewicht weiterhin problemlos tragen. Ihre Füße baumelten in der Luft und Elisabeth genoss den Wind und das Flüstern des Waldes. Der Baum, den sie auserkoren hatte saß auf einem kleinen Hügel und erlaubte es, den Sonnenuntergang zu sehen. Und so blickte sie der roten Sonne nach, nicht wissend, dass sie diesen Feuerball zum letzten Mal sehen würde.
Als die Nacht sich über den Wald senkte, legten sich auch die Geräusche des Waldes zur Nachtruhe und andere traten an ihrer statt. Elisabeth genoss die Ruhe und die Kühle der Nacht. Sie wusste, sie hätte sich ein Zimmer nehmen sollen und nun dahin zurückkehren. Doch die Hoffnung, ihre Familie wäre noch hier, hatte sie davon abgehalten. Sie konnte noch immer zurück zur Stadt, aber sie wollte nicht. Ihr Koffer ruhte am Fuße des Baumes. Sie war so in Gedanken versunken, dass ihr erst später auffiel, dass auch die Geräusche der Nacht verstummt waren. Ein Wald, komplett ohne auch nur einen Laut. Das war ungewöhnlich.

Sie richtete sich gerader auf und blickte sich um. Sie wusste, dass, wenn Raubtiere in der Nähe waren, ihre Beutetiere besonders leise sind. Was also kam da gerade, dass der ganze Wald schwieg? Menschen? Vermutlich, aber die sind selten leise genug.

„Hallo? Ist da jemand?“

Bist du eigentlich bescheuert, Elisabeth?, dachte sie sich, kaum hatte sie die Worte gerufen. Sie hielt den Atem an, so wie der ganze Wald. Dann kam eine Frau auf die Lichtung getreten und blickte sich suchend um. Ihr Blick fiel auf den Koffer und ging dann nach oben. Als sie Elisabeth dort sah, lächelte sie erfreut.

„Ach da bist du!“ Sie wirkte aufrichtig erfreut. „Du solltest Nachts nicht allein im Wald sein. Es ist gefährlich geworden.“

„Wer sind Sie?“, fragte Elisabeth mit dem ihr typischen britischen Akzent.

„Oh, wie unhöflich von mir mich nicht vorzustellen. Ich bin Margarete, die Frau des Försters. Ich habe dich vorhin in den Wald gehen sehen und da hier wilde Tiere leben, bin ich dir besser gefolgt, nicht dass dir etwas passiert. Dann hab ich dich aber leider aus den Augen verloren und erst jetzt wiedergefunden. Aber möchtest du nicht von dort oben herunter kommen? Mein Nacken wird es dir danken.“

Sie lächelte ein gewinnendes Lächeln, dass so voller echter Freude zu sein schien und echter Sorge in den Augen. Elisabeth kletterte langsam den Baum hinunter, langsamer als sie es könnte. Aber wer darin geübt war, sah, dass sie besser klettern konnte als sie vorgab es zu können.

„Da siehst du, so ist das schon viel besser und auch viel sittsamer für eine Frau. Aber was trägst du überhaupt, Mädchen? Hosen?“

„Ja, sie sind für die Reise praktischer. Und ich bin gerade nicht auf der Suche nach einem geeigneten Ehegatten.“

„Na na, Kindchen, das kommt noch. Wie war gleich nochmal dein Name?“

Elisabeth errötete und antworte schließlich „Bitte entschuldigen Sie, ich heiße Thalaya Evans.“

„Ein Name von der Insel. Was treibt dich denn hierher?“

„Ich… habe nach meiner Familie gesucht. Sie hat wohl mal hier gelebt. Aber sie sind nicht mehr hier.“

„Armes Ding, ich bring dich zurück zu deinem Gasthaus.“

„Ich habe mir noch keines gesucht. Ich wollte eigentlich wie früher im Wald übernachten.“

„Nein, das geht auf keinen Fall. Dann schläfst du bei uns.“

„Ich… danke.“

Die beiden Frauen machten sich auf den Weg durch den Wald. Plötzlich sprang etwas von der Seite und riss Margarete zu Boden. Blut spritzte auf, der Schrei der Frau brach schnell ab, wurde ein Stöhnen voller Genuss und erstarb schließlich völlig. Rote Augen blitzten sie wütend an, ein Mann erhob sich. War es ein Mann? Lange, monströse Krallen wuchsen aus seinen Händen und überall Blut, so viel Blut. Er leckte sich über die Lippen und grinste sie an. Drohend machte er einen Schritt weiter auf sie zu, dann noch einen. Er war kaum mehr eine Armeslänge von ihr entfernt als eine zierlich gewachsene Frau zwischen den Bäumen hervortrat, plötzlich größer zu werden schien in ihrer ganzen Ausstrahlung.

„Fort mit dir, Red. Und zwar sofort!“

Der Mann blinzelte, blickte von Elisabeth zu der Frau und wieder zurück, zog seine Krallen ein und verschwand.

Die Frau drehte sich um und wirkte wieder normal.

„Ach Kind, das tut mir jetzt wirklich, wirklich Leid. Es sollte eigentlich alles anders werden, aber geschehen ist geschehen.“

Und mit einer Geschwindigkeit, die Elisabeth überraschte, war die Frau neben ihr. Ihre warmen Augen strahlten einen Moment echte Wärme aus ehe sie hart wurden und alles was Elisabeth spürte, war ein stechender Schmerz an ihrem Hals. Aber auch Lust. Sie wollte nicht, dass diese Frau aufhörte. Sie hörte ihren Herzschlag, erst schneller werden in der Ekstase und dann immer und immer langsamer. Als ihr Herz das letzte mal schlug, löste sich die Frau von ihr, blickte sie an.

„Wenn du leben willst und stark genug bist, trink. Sonst ist es gleich vorbei, mein Kind.“

Dann biss sie sich ins Handgelenk. Blut drang hervor und sie legte Elisabeth das blutende Handgelenk auf die Lippen. Die Augen wieder voller Wärme und Angst. Elisabeth trank. Es war flüssiges Feuer und doch wärmte es ihren sterbenden Körper. Ihr Geist, vernebelt vom bevorstehenden Tod, klärte sich und dann kam der Schmerz. Sie blieb bei völlig klarem Verstand als ihr Körper den Tod fand. Wenn sie noch hätte schreien können, wäre es wohl bis Eisenach zu hören gewesen, doch kein Muskel gehorchte ihr in diesem Augenblick. Dann kam die Dunkelheit und mit ihr der Hunger.

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