Mensch, was waren wir für eine tolle Truppe! Der Reinhard, der schon als 18jähriger eine Halbglatze hatte - sah aus wie ein Apostel - und was hatte der immer für einen Schnack drauf! Total hemmungslos, dieser Kerl. Dann der Klaus, dieser Poet, unser verkorkster Liedermacher. Konnte nur fünfeinhalb Lieder auf seiner Gitarre, aber die hatten dann 55 Strophen, vor allem sein "Sonntagsnachmittags-Blues" - was haben wir da gelacht! Und Gitta, diese Spötterin vor dem Herrn. Ein Mundwerk wie drei Giftspinnen zusammen. Die machte Kommentare: pfeilschnell und immer in die Vollen. Dazu ihr Backpfeifen-Gesicht, das von einer Grimasse in die nächste wechseln konnte - rette sich wer kann! Gittas erklärtes Lieblingsopfer war unser "Bär vom Westerwald", der Ulrich. Der war eine Seele, stabil in sich ruhend, bei 130 Kilo Lebendgewicht. Selbst Gittas kleine Giftspritzen bekamen sein Phlegma nicht zum Kochen, und das will was heißen. Denn unser Uli hatte Humor, Selbstironie und ... die Ruhe weg. Ganz anders ich, meine Wenigkeit. Als Jüngster der Truppe war ich der Unruhestifter, Unruhe aber nur im sportlichen Sinn. Ich lockte die Bande in unsere "Arena", an eine bescheidene Tischtennis-Platte am Spielplatz, ein grobes Ding aus Beton. Fürs Rundlaufen reichte es, und sich drauf hocken konnte man auch., wenn wieder mal das Bällchen kaputt war....
Mensch, was haben wir für Dinger gebracht! Klöpse, Doofheiten, völlig abgedrehte Streiche. Reinhard war da der ganz große Kreativposten: Fingierte Anrufe im katholischen Pfarramt - er wäre der neue Diakon, müsse umgehend am Bahnhof abgeholt werden. Falsche Bestellungen bei Café Breuer, wir hätten gern 50 Windbeutel für den Segelverein... Wir haben den unachtsamen Hundebesitzern ihren Hundekot eingesammelt und vor der Haustür abgelegt, auf der Treppe. Den 2 CV des kauzigen Französisch-Lehrers hoben wir zu fünft von der Straße weg, mitten auf die Grünfläche im Kreisverkehr. Und unser bester Coup, das war unser Auftritt vor den voll besetzten Terrassen auf dem Marktplatz im Sommer, an einem lauen Abend. Wir hatten alle unsere Sonnatgsanzüge an und intonierten, von "Dirigent" Reinhard angeleitet, deutsche Volkslieder. Da wir alle ein bisschen Gesang gelernt hatten, klang das sogar recht präsentabel. Folge: Wir bekamen tatsächlich ehrlichen Applaus und ... reihum kostenlose Getränke.
Mensch, was war das für ein unbeschwertes Miteinander. Ohne Plan, ohne Zwang. Das war einfach unser Leben. Wir hatten kein anderes. Kein Schielen auf etwas Besseres, das uns das Vorhandene hätte mies machen können….. Ja, wir konnten uns auf einander verlassen, blind. Jeder wusste, wie der andere reagierte, dass er reagierte. Nicht, dass es uns ums unbedingte Auffallen gegangen wäre. Keineswegs. Wir konnten uns auch verkriechen, ganze Abende auf einer Wiese hocken, vor Klaus und seiner Gitarre. Und dann dichteten wir weitere Blödelverse und neue Strophen für seine verschrobenen Lieder… und hatten Spaß. Freiräume, die wir nutzten; Freiheiten, die wir genossen. Wir brauchten dazu kein Geld, keine Dröhnung, keine künstlichen Idole. Aber: Wir waren offen und immer bereit, Neues zu probieren. Es war Lust auf das Unbekannte, auf das Leben.
Mensch, wie konnte das dann einfach so enden? Warum ging unsere so eingeschworene Truppe plötzlich auseinander? War es das erste Auto, die erste Liebe? Meine Einberufung zur Armee, das Studium in einer anderen Stadt? Oder wurden wir einfach nur … erwachsen?? Erwachsen und an immer mehr Pflichten und Sachzwänge gefesselt? Ich weiß es nicht. Die Ursachenforschung käme auch zu spät, jetzt, wo die Erinnerungen schon verblasst sind, die Kontakte weg gestorben.... Jetzt, wo ich alt bin und allein.