Lichtjahre

Gedanke zum Thema Tod

von  MrDurden

Sie hatte viele Formen. An manchen Tagen war sie eine Umarmung, an anderen ein tritt in den Arsch. Oder ein Teller Fischstäbchen mit Kartoffelbrei. Manchmal war sie Kontrollsucht. Manchmal war sie Vertrauen. Doch eine ihrer Formen bewahrte sie sich in jedem einzelnen Augenblick ihrer Existenz. Sie war Verständnis. Selbst in den Momenten, in denen es nichts an mir zu verstehen gab.

Sie war wie die Zeit selbst. Man konnte sie dehnen und stauchen, doch man konnte sie nicht umkehren. Sie war unaufhaltsam und allumfassend. Ich war unbeweglich, unbedeutend. Das kleinste Licht, das jemals geleuchtet hatte. Dumm und ewig unberührt von all den Händen, die mich trugen.

An manchen Tagen hasste ich sie. Trat sie mit Füßen bis sie dünn war wie Papier. Faltete ein Flugzeug aus ihr und warf es gen Himmel. Der Wind trug sie ein Stück weit weg von mir. Und als sie ihre Flugbahn verließ, um zu mir zurückzukehren, schickte ich ihr einen Sturm. Schleuderte sie hinaus in die Dunkelheit des Raums, nur um ihr Leuchten nicht reflektieren zu müssen. Schwerelos trieb sie hinaus in die Unendlichkeit. Ich kehrte ihr den Rücken und ging.

Sie hatte viele Formen. Zeigte sie mir an jedem Tag, an dem sie sich von mir und der Welt entfernte. Manchmal war sie der lange Schweif eines Himmelskörpers. Manchmal ein glühender Stern, der Lichtjahre entfernt durch den Weltraum raste. Und jedes Mal, wenn ich meinen Stern verleugnete, wurde er ein wenig größer. Strahlte er ein wenig heller.
Eines Tages starb mein Stern. Irgendwo weit draußen in der Dunkelheit, in die ich ihn verbannt hatte. Ich wusste, er war erloschen. Doch noch immer konnte ich all die Formen sehen, die er vor Jahren für mich in den Himmel gezeichnet hatte.

Deine Liebe hatte viele Formen. Manchmal war sie ein Geburtstagskuchen. Manchmal eine Woche Hausarrest. Sie war ein Urlaub in Marokko. Zahllose Abende vor dem Fernseher bei lächerlich schlechten Sci-Fi-Serien. Verhasste Fahrradtouren am Main. Mathehausaufgaben. Ein gutes Gespräch. Ein Streit. Ein Zuhause. Deine Liebe ist das Licht eines längst erloschenen Sterns. Noch immer reist es durch die Kälte und Dunkelheit des Raums, wirkt blass und müde nach all der Zeit. Wie eine ausgewaschene Erinnerung, deren Bilder ich Tag für Tag aufs Neue rekonstruiere. Ein kaum merkliches Glühen hinter einer Mauer aus grauen Wolken.

Deine Formen sind schemenhaft geworden. Also schreibe ich dir die meinen in den Himmel. Jedes Jahr aufs Neue. Bis alles Licht erlischt.


Anmerkung von MrDurden:

Zehn Jahre ohne dich.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Marjanna (68)
(18.07.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 MrDurden meinte dazu am 18.07.18:
Danke fürs Lesen und den lieben Kommentar

LG
David

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 19.07.18:
Eher eine Hagiographie, finde ich.

 MrDurden schrieb daraufhin am 19.07.18:
Das ist ein großes Wort, Dieter. Heb dir keinen Bruch daran.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 19.07.18:
Ist es das? Nun, es ist eine praktisch vergessene Textgattung ...

 MrDurden ergänzte dazu am 19.07.18:
Dann können deine Kommentare vermutlich auch dieser Textgattung zugeschrieben werden. Alle schon nach kurzer Zeit praktisch vergessen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.07.18:
Wieso so garstig, McDurden? Darf man den Text nur mit Lobhudelein überschütten?
Marjanna (68) meinte dazu am 19.07.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 MrDurden meinte dazu am 20.07.18:
Lieber Dieter, ich bin immer sehr dankbar für konstruktive Kritik. Leider beschränken sich deine Kommentare (auch zu den Texten anderer Autoren) meist auf nichtssagende Abwertungen und Provokationen. Wenn du vernünftig diskutieren willst, bin ich gerne dabei. Dann schreib aber bitte etwas handfesteres als die Unterstellung, ich würde meine verstorbene Mutter hier als Heilige lobpreisen. Ich halte dich für intelligent genug, dass du mit solchen Sprüchen gezielt provozierst, mit der Absicht, einen sinnlosen Streit vom Zaun zu brechen und Aufmerksamkeit zu bekommen. Ohne wirkliches Interesse daran, dem Schreiber ernsthafte Verbesserungsvorschläge zu geben. Dein "Wieso so gastig" kannst du dir gerne klemmen. Wenn du nichts Sinnvolles zu sagen hast, spar dir den Kommentar. Wenn du jemanden provozieren willst, schreib mir privat.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.07.18:
Also ich fasse mal zusammen: Du, derjenige hinter dem Nicname McDurden, schreibst einen nicht-fiktiven, also extrem persönlichen Text über Deine verstorbene Mutter und glaubst dann, Du seiest für Textkritik empfänglich??? Neee, bei kV ist zwar fast alles erlaubt, aber bei einem "Forum für Dichter und Autoren" darf ich wohl a priori annehmen (Ausnahme: Tagebuch), dass der Text erdichtet, also fiktiv ist! Ich kann mich für die Kürze meines Kommentars entschuldigen (war ja sowieso nur als Frage formuliert!), aber für Deine persönliches Betroffenheit kann hier nun wirklich keiner was, sorry!

 MrDurden meinte dazu am 20.07.18:
Du bist hier seit knapp 10 Jahren angemeldet und glaubst ernsthaft, dass sämtliche Texte auf KV Fiktion sind? Liest sich der obenstehende Text für dich ernsthaft wie eine Fabel? Glaubst du, ich habe "Zehn Jahre ohne dich" in die Anmerkung geschrieben, weil ich mir das alles so schön und lustig aus den Fingern sauge? Das erklärt dann natürlich dein permanent provokantes Kommentarverhalten auf KV. Natürlich kannst du etwas für meine persönliche Betroffenheit. Du liest etwas, denkst kaum darüber nach und schreibst unreflektierten Käse darunter. Und dann hast du noch die Frechheit, mir Kritikunfähigkeit und ein Verlangen nach "Lobhudelei" zu unterstellen. Wer wäre von sowas bitte nicht betroffen? Kommentiere konstruktiv oder lass es bleiben.
Marjanna (68) meinte dazu am 20.07.18:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 02.11.18:
Sorry, das mit der Hagiographie ist natürlich nicht wortwörtlich gemeint. Aber die Paralellen sind überdeutlich.
Außerdem will ich den Wunsch nach konstruktiver Kritil erfüllen:
Der Tritt in "ein tritt" ist ja ganz offensichtlich ein Substantiv! Deshalb muss es "ein Tritt" heissen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 05.10.23 um 16:29:
Immer noch steht da: "ein tritt in den Arsch"
Sweet_Intuition (34)
(19.07.18)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 MrDurden meinte dazu am 19.07.18:
Das freut mich sehr, vielen Dank

LG
David

 Melodia (19.07.18)
Sehr guter Text! Und schön mal wieder etwas von dir zu lesen!

LG

 MrDurden meinte dazu am 19.07.18:
Danke dir, du warst schon immer mein treuester Leser!

LG
David
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram