Deutschsprachige Weltliteratur

Sonett zum Thema Achtung/Missachtung

von  EkkehartMittelberg

Besserwisser haben dich verkannt,
als Gruppe siebenundvierzig hoch geschätzt.
Sie haben nichts verstanden und geätzt,
den fremden Dichter haben sie verbannt.

Kaum einer, der sich heute nicht verneigt,
die „Todesfuge“ hat sich eingebrannt,
„Corona“ wird bekränzt in jedem Land,
„Mohn und Gedächtnis“ hat den Weg gezeigt.

Die Muse der Gedichte war die Bachmann,
in „Herzzeit“ sind Impulse schön gegeben,
als Traumpaar konntet ihr euch kurz erleben.

In aller Welt kommt deine Lyrik an,
Nach Auschwitz sollte Lyrik unterbleiben.
Celan sei Dank. Man kann darüber schreiben.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (14.09.18)
Ein Leben, das zeigt, wie vernichtend diese "1.000 Jahre" sein konnten, selbst wenn man sie überlebte. Dein Sonett und der Mensch, an den du erinnerst, macht es noch unerträglicher, wenn ein verkappter Holocaustleugner wie Gauland im deutschen Parlament sitzen darf, im Reichstag, wo der Beginn des 2. Weltkriegs verkündet wurde.
Echo (34) meinte dazu am 14.09.18:
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 14.09.18:
Merci, Trekan, das Leugnen des Holocaust ist gesetzeswidrig und nicht hinnehmbar.
Gerhard-W. (78)
(14.09.18)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 14.09.18:
Vielen Dank, Gerhard. Ich vermute, dass außer dir noch viele andere ihre Liebe zur Lyrik Celan verdanken.

 TassoTuwas (14.09.18)
Ein Hoffnungsschimmer für alle die suchen und versuchen.
Wenn er dieses "eine" Gedicht nicht gefunden hätte, wer würde P. C. heute noch kennen?
Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 14.09.18:
Lieber Tasso,
es sind einige Gedichte, die celan unvergesslich machen, u.a. auch dieses:
ESPENBAUM, dein Laub blickt weiß ins Dunkel.
Meiner Mutter Haar ward nimmer weiß.
Löwenzahn, so grün ist die Ukraine.
Meine blonde Mutter kam nicht heim.
Regenwolke, säumst du an den Brunnen?
Meine leise Mutter weint für alle.
Runder Stern, du schlingst die goldne Schleife.
Meiner Mutter Herz ward wund von Blei.
Eichne Tür, wer hob dich aus den Angeln?
Meine sanfte Mutter kann nicht kommen.

aus: "Mohn und Gedächtnis"
Gracias und herzliche Grüße
Ekki

Antwort geändert am 14.09.2018 um 11:44 Uhr

Antwort geändert am 14.09.2018 um 11:45 Uhr

 TassoTuwas ergänzte dazu am 14.09.18:
Hallo Ekki,
du hast Recht!
Die Todesfuge war m. E. der Türöffner zu seinem Werk.
HG TT
Sin (53)
(14.09.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
Vielen Dank, Sin. Wir lassen die Erinnerung nicht abreißen.
LG
Ekki

 Habakuk (14.09.18)
Sehr schön, Ekki. Gefällt mir wirklich gut. Ohne werten zu wollen, für mich eines der Besten aus dieser Reihe. Bestellt und prompt geliefert. Damit habe ich nicht so schnell gerechnet. Dank dafür. Ein würdiges Sonett für einen großen Lyriker. Freut mich.

LG
H.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
Vielen Dank, Habakuk. Das Kompliment freut mich sehr.
LG
Ekki
Krotkaja (38)
(14.09.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
Liebe Krokotja, danke für deinen Kommentar, der mir wieder bestätigt, dass es unter Künstlern einige gibt, die gelernt haben loszulassen.

 juttavon (14.09.18)
Danke von Herzen!

HG Jutta

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
Grazie, Jutta. Ich vermute, dass dir Celan am Herzen liegt wie mir.
HG
Ekki
wa Bash (47)
(14.09.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
Danke, wa Bash. Ich freue mich, dass auch du Celan zu deinen Lieblingsdichtern zählst.

 Alazán (14.09.18)
"Traumpaar" wäre vllt etwas zu weit, wenn die Ancels gemeint sind. Paul wollte seine Frau ermorden, mit Bachmann war er ja kein offizielles Paar.

Und bei Adornos Unmöglichkeit einer Lyrik nach Auschwitz sind v.a. deutschsprachige Lyriker gemeint, zu denen Celan immer gezählt hat, wenngleich jüdischer Abstammung, Kurz: Er, Celan, hats vllt noch gedurft, aber "wir"? Für Deutschstämmige sehe ich noch keine Überwindung des Vorwurfs der Unmöglichkeit zu schreiben.

Und gerade die Todesfuge - wenngleich von Celan selbst früh nicht mehr gemocht - ist ein Musterbeispiel für eine Kritik an der deutschen Sprache als eine solche, die eo ipsum zum Bösen führt:

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.

Ich weiß selbst nicht, wie ich damit als auf Deutsch Schreibender umgehen soll. Das Leben geht insofern weiter als dass viele Leute auf Deutsch schreiben - ohne sich diese Gedanken überhaupt zu machen. Und was sie schreiben, kann durchaus Lyrik sein, und schön und gut. Vielleicht ist die Zeit selbst eine Möglichkeit, Adorno zu widerlegen - wenn auch respektvoll und in Erinnerung an die Geschichte.
Krotkaja (38) meinte dazu am 14.09.18:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 14.09.18:
@Alazan: Vielen Dank für diesen sehr interessanten Kommentar:
Das Traumpaar ist auf Celan und die Bachmann bezogen. Ich denke, man muss keinen Trauschein haben, um sich als Traumpaar zu erleben.
Ich kann gut nachvollziehen, dass du es weiterhin für unmöglich hältst, dass Deutschstämmige über Auschwitz schreiben. Vielleicht kommt es immer darauf an, wie.

"Der Tod ist ein Meister aus Deutschland". Diese Formulierung sehe ich nicht der deutschen Sprache geschuldet, sondern einem für mich nachvollziehbaren Gedanken.
Deinen Schlusssatz finde ich sehr fein ausgedrückt und teile ihn gerne.
Krotkaja (38) meinte dazu am 14.09.18:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.09.18:
Hallo Krotkaija,
es ist klar, dass mir deine Position näher liegrt als die von Alazan (s.. den letzten Vers meines Sonetts). Ich danke dir sehr, dass du sie so deutlich herausgearbeitet hast. Da jedoch die Zeitzeugen wegsterben, fürchte ich, dass Auschwitz als poetisches Sujet immer weniger thematisiert wird.
Krotkaja (38) meinte dazu am 15.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 16.09.18:
1970 erlebte ich als Student in Bonn in einer Vorlesung Benno von Wieses (Thema der Vorlesungsreihe: Realität und Roman) den bemerkenswerten Versuch eines ersten Nachrufs. Benno (so nannten viele ihn, es war so eine Art liebender Anerkennung und Kritik am Professor, der sich in den späten 30er Jahren recht und schlecht durchwurschtelte im politisierten Uni-Betrieb) erzählte von seiner freundschaftlichen Beziehung zu Paul Celan und trug die "Todesfuge" vor, die er das vielleicht größte deutsche Gedicht des Jahrhunderts nannte. - In seiner Gedichtanthologie ('Echtermayer/Wiese'), die in Schulen sehr gebräuchlich war (und ist) steht das Gedicht (erweiterte Neuausgabe 1973).
Mit meinen Schülern besprach ich das Gedicht - wie auch meine Kollegen - immer wieder. Auch Adornos (polemische) These, die wir auch im Kollegium diskutierten, und bis heute bleibt die Frage virulent. Celans Selbstzweifel an dem Gedicht ist verständlich. Wenn die besten Gedichte die sind, die bewirkt werden durch die schlimmsten Katastrophen und Unmenschlichkeiten, dann bleibt ein ungutes Gefühl. Nur: Es ist so, sage ich in Anlehnung an Sesemi Weichbrod am Schluss der "Buddenbrooks". Leider - und gottseidank, denn immerhin wird etwas von dem Unbeschreiblichen doch ein wenig sagbar. Und das ist viel.

Antwort geändert am 16.09.2018 um 12:09 Uhr

 loslosch meinte dazu am 16.09.18:
gerade lese ich, dass benno mit den nazis gut konnte. er wurde 1943 vom fronteinsatz verschont - ein untrügliches zeichen für nazitreue.
Krotkaja (38) meinte dazu am 16.09.18:
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Krotkaja (38) meinte dazu am 16.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 16.09.18:
Wer bist du, Krotkaja, dass du mir so dumm kommst?
Krotkaja (38) meinte dazu am 16.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 17.09.18:
Ich verteidigte BvW nicht.
Mich interessiert aber auch die Geschichte aller Zwischentöne. Erst wenn diese Geschichte analysiert wird, verstehen wir die Zeit des 'Dritten Reichs' besser. Wikipedia-Auskünfte sind nicht hinreichend.
Das wäre auch hilfreich heute in der Wiedererstarkung der Nationalismen in Europa - idealistische Schwarzweißmalerei bringt uns nicht weiter. Verstehen wollen ≠ akzeptieren.
Krotkaja (38) meinte dazu am 17.09.18:
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 loslosch meinte dazu am 17.09.18:
ein anderes beispiel liefert erich trunz (1905-2001). er war ein überzeugter nazi, zumindest bis 1943. seine ausführungen und interpretationen über goethe haben mich begeistert. c'est la vie.
Krotkaja (38) meinte dazu am 17.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 17.09.18:
Ich muss in einem Thread zu einem harmlosen Lobgedicht zu Ehren Celans nicht jedes Erlebnis in den großen historischen Zusammenhang stellen, Schönfärberei war nicht meine Intention; wir sind hier nicht in einem wissenschaftlichen Disput, wo möglicherweise inkomplette Darstellungen zu rügen sind - andererseits gebührt dir unbedingt Dank für deine kritischen Anmerkungen und Ausführungen - dies auch einmal gesagt zu haben ist mir ein Anliegen.
Krotkaja (38) meinte dazu am 18.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 18.09.18:
krotkaja: Ich stimme im Wesentlichen zu.
(Nur sollte jeder Moralismus vermieden werden - zugunsten der Überzeugungskraft.)

Antwort geändert am 18.09.2018 um 21:49 Uhr
Krotkaja (38) meinte dazu am 18.09.18:
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 Bergmann meinte dazu am 18.09.18:
Nun stimme ich erneut zu und freue mich darüber.

 AZU20 (18.09.18)
Ein sehr gelungenes Gedicht, wenn auch heute viele Geister den Genuss schmälern. Wie werden wir sie wieder los? LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.09.18:
Ich danke dir verspätet für die Anerkennung, Armin. Ich bin im Urlaub und habe dort meine Mails nicht geöffnet.

 GastIltis meinte dazu am 02.10.18:
Hallo Ekki, ich weiß nicht wann, ich werde noch etwas Zeit benötigen, aber ich komme auf dein Sonett zurück.
Herzliche Grüße von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.10.18:
Vielen Dank für die Empfehlung. Lass dir bitte alle Zeit, Gil.
Herzliche Grüße
Ekki

 GastIltis meinte dazu am 30.10.18:
Hallo Ekki, danke für deine Großzügigkeit. Aber das Thema lässt es, glaube ich, zu. Mich hat sehr gewundert, dass Celan während der DDR-Zeit im offiziellen Kulturgeschehen, zu dem ich nun mal Zugang hatte, nahezu unerwähnt blieb. Ich habe in allen Gedichtbänden der Vorwendezeit keinen Bezug zu ihm gefunden. Die erste Erwähnung fand ich in einem Nachschlagewerk, das vor der Wende begonnen und danach beendet worden ist. Da wird Celan mit vielleicht zehn Zeilen als Verfasser von Versen, die „vom französischen Symbolismus und Surrealismus beeinflusst , oft verschlüsselt ...von sinndunkler Wortmusik (sind)“. Die Todesfuge und sein Schicksal sowie das seiner Eltern werden überhaupt nicht erwähnt. Warum das so ist, könnte ich mir nur so erklären, dass er sein Leben NICHT mit dem vermeintlichen Sozialismus, für den sich deutschsprachig die DDR angeboten hätte, verknüpft hat. Das scheint man ihm wohl sehr verübelt zu haben.
Das würde sich durch die Zwiespältigkeit und Widerwärtigkeit des Systems des frühen Ostens in Deutschland erklären lassen. Dein Sonett sagt eigentlich alles! Inzwischen habe ich auch die Stellung der 47, vor allem bei seinem Vortrag, zu begreifen bzw. zu missdeuten verstanden. Ein großes Werk von dir, Ekki, alle Hochachtung! LG von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.10.18:
Vielen Dank, Gil, dass du mich über die geringe Rolle aufgeklärt hast, die Celan in der DDR gespielt hat. Mir scheint, dass er dort ein literarisches Schicksal hatte, das vielen Autoren widerfuhr, die man beim besten Willen nicht mit sozialistischen Kriterien messen konnte.
Du hattest angekündigt noch einmal auf mein Gedicht einzugehen und Wort gehalten.
Cassiopeia (57)
(15.10.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.10.18:
Grazie, Cassiopeia, dein Lob ist mir Ansporn für weitere Sonette dieser Art.
LG
Ekki

 harzgebirgler (29.06.21)
celans 'corona' mag man ja bekränzen
doch heute gält's da schon was zu ergänzen
wovon der selbstverständlich noch nichts ahnte
weil sich das viel später erst anbahnte...

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.06.21:
Vielen Dank, Henning,
der Ruhm von Celan endet nie,
das ändert auch keine Epidemie.

Beste Grüße
Ekki
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