Karriere

Innerer Monolog zum Thema Aufbruch

von  Inlines

Vielleicht haben manche bloß die falsche Sprache. Vielleicht hätten manche Eltern besser ihre Kinder anderssprachig aufgezogen. Denn wenn ich Englisch spreche, werde ich immer so freundlich, und verzeihe es gerne, wenn ein Fehler passiert. Obwohl ich sonst zum Kritisieren neige. Spreche ich Englisch, vergesse ich meinen Job als Überschriften-Konstrukteur, als Gärtner, der Gedanken in die Köpfe pflanzt, damit die Worte und der Flieder blühen.

Ich mache das noch nicht lange, bin noch in der Probezeit. Zumindest bis zum Ende dieses Jahres. Und doch ist offensichtlich, dass meine Vorgesetzten meine Wörter-Konstruktionen lieben. Es gibt sogar eine Top 100 in der Abteilung, deren Mitarbeiter ich bin. "30-jähriger Krieg, welche Erkenntnisse hat die Berliner Polizei daraus gezogen?" ist populär und "Jesus Christus alias Wasserläufer-Joe, jetzt spricht sein Vater über die Vorfälle!" Am Besten finde ich persönlich: "Zweiter Weltkrieg, warum ein offenes Ende der Entertainment-Branche gut getan hätte! ... Ja, ich weiß... es ist auf ein bestimmtes Publikum zugeschnitten. Lyrisch war - lyrisch IST das wirklich nicht. Lyrisch war noch am ehesten der Inhalt eines Briefes, den ich unserem Bürgermeister zugesendet habe, und welchen er in einer Sitzung sogar öffentlich verlas. "Die Zeit ist reif", schrieb ich darin, "Wer will die Jahre pflücken, dass der Baum nicht bricht".

Das war noch zu meiner Zeit in Aalen, als ich die Wohnung mit Blick auf den Marktplatz hatte. In meinem Zimmer hockte ich damals, hinter fast ganz heruntergelassenen Rollos und muffigem Fernglasgummi. Idealistisch wie ich war, wollte ich ergründen, ob die Welt da draußen Übereinstimmungen mit meinem Inneren erkennen ließe. Ob ich einen Teil davon nach Außen bringen könnte, ohne dass dies jemanden störte, den ich vielleicht noch brauchen kann.

Da im Dachgeschoss haben sie mich vorgefunden, die Bild-Redakteure. Nachdem ich besoffen einen Tweet verschickt hatte, der die Vögel von den Bäumen hetzte und ihr Federkleid ergrauen ließ. Sie fanden mich, vielleicht mit Hilfe des Inlandsgeheimdienstes, und knackten versehentlich zuvor das Schloss der alten Dame gegenüber. Nur wiederwillig brachten sie die protestierende Frau Müller in ihre Waschküche zurück, und doch war da ein frischer Elan, als sie mich hinaus in meine neue Freiheit trugen. Wie ein König sah ich vom Ohrensessel herab auf die vielen Hände, die jedes Stuhlbein fest umgriffen. Die mich dahin führten, wohin ich garnicht wußte, dass ich will.


Anmerkung von Inlines:

Alles erstunken und erlogen

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