Ordentlich Versiegen

Beschreibung zum Thema Tod

von  Inlines

Das Grundstück vom Gabriel. Siehst du es innerlich? Kannst du sie noch erkennen, diese frechen Kinder mit verschmiertem Mund und bunten Pflastern auf den aufgeschürften Knien? Spürst du am Knöchel das Frischfleisch, das mit dir in einer engen Einfahrt Fußball spielte und statt Garagentoren Lampen traf? Erinnerst du dich an die Knirpse, mit den hohen Stimmen, die einmal zu Männern werden sollten? Zu echten Müllern und Schmitts. Zu Vorzeige-Alexanders und Bernds. Zu Bürgermeistern, Postbeamten. Friedhofsnutzern.

Ich kann sie noch riechen. Sie waren alle da, die Geburtstagsgäste, mit dicken Pommes in den Fingern, Majonnaise auf den Backen und ein bißchen Flaum von Minkas nassem Fell. Mir so nahe waren sie, die Stinker, dass ich ihren Schweiß gerochen habe und mit meinem Kopf an ihren aufgeheizten Schädel prallte, auf der Reise nach Jerusalem. Ich habe sie dafür geliebt, und doch verlassen sie mich nun, als wäre nichts gewesen, das sie bei mir hält. Als hätte niemand von mir Klebstoff abbekommen. Gehen einfach aus der Welt, mit vollen Hosentaschen. Ohne die Brotkrumen gestreut zu haben, die von ihren Eltern heimlich zugesteckt im Stoffgewebe hangen und in ihre Oberschenkel pieksten. Gehen von der Bühne, mit gebeugtem, austrainiertem Blick. Aus dem Schwarz-Weiss-Bild vom ehemals modernen Fernsehapparat, für den noch heute Raten fällig werden, ohne dass dies jemand merkt, da sich niemand darum kümmert, den Verlauf des Kontostands zu überwachen.

Die Wegbereiter schreiten ins bodenlose. Wie Hafenmauern, die Ziegelsteine aus Gefügemitten brechen lassen, bröckeln ihre Zähne ab. "Meine" Menschen, meine Rettungs-Bojen, leuchten nun am Grunde eines Sees, nachdem sie einen lange ausgemachten, aber überraschend aufgetauchten Eisberg rammten. Liegen neben zerknitterten Bedienungsanleitungen, die mit Hakenkreuzen enden. Neben Tagebüchern, die im ersten Schuljahr starten - Frau Gulde führte meine linke Hand. Neben Rotes-Kreuz-Losen und verrosteten Sammelbüchsen. Neben echten Müllern und Schmitts. Vorzeige-Alexanders und Bernds.

Am Herzen waren sie tätig. Da, wo der Fingernagel fehlt. Oder Glucken-Mütter einsam Ständchen starten. Als wären sie an Universitäten ausgebildete Chirurgen, implantierten sie die Sahnestücke ihre Weltanschauung - manche schlechten Nähte sieht man noch - und treiben trotz der großen Bildungssprünge nun wie abgekämpfter Fisch an mir vorüber; im Strom der Zeit den Weg zurück, den sie zuvor genommen haben. Spülen hinab. Spülen dorthin zurück, woher auch ich einmal gekommen bin, und haben immer noch den Rucksack um, in dem die Scherben lagern, zu denen auch mein Leben werden kann. Haben immer noch den fernen Honig in der Nase. Sind gegen die Strömung angeschwommen, einem Ursprung hinterher, von dem sie glaubten, dass sie ihn trotz seinem wilden Sprudeln am Ende doch verschließen könnten. Im Glauben, dass die Fische, die im Trocknen zappeln, überleben würden, könnten sie doch bloß den neuen Umstand akzeptieren.

Selbst in der Biscaya denkt man so. Ramona nickt, Ramona lässt die Brüste hüpfen, ein Lächeln und ein braunes Schönheitsfleckchen um die Lippen, während sie in ausgedientem Ankerseil und Algengrün verschwindet. Der Kopfhörer wackelt nicht, den einst die Eltern auf das kleine Häuptlein setzten. Und auch die Freundschaftsbändchen halten. Liebe Menschen und den letzten Stuhlgang losgelassen, gesellt sie sich zur Runde derer, an denen kleine Fische knabbern und der immer gut geputzte Zahn der Zeit.

Nur manchmal kommt von ganz alleine wieder etwas hoch, taucht eine Erinnerung auf. Nur manchmal schwimmt vom Kopf entrissenes Haar in oberflächennahem Wasser, sieht man einen Atemrest, von einem Müller oder Schmidt, als Blase in die Wellenkämme steigen. Oder eine Latte von Gabriels so lang umhegtem Zaun.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (01.10.18)
Bitte das Deppenapostroph korrigieren. Es würde mir den Tag verschönern. Danke!

 Inlines meinte dazu am 01.10.18:
Ist geändert. Danke für den Hinweis!

 Habakuk (01.10.18)
Liest sich wie Literatur. Ich glaube, du bist falsch hier.

 Inlines antwortete darauf am 01.10.18:
Ooops... das kommt davon, wenn man überall die Logins speichert...
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