Der Flughafen von Oslo ist kein guter Flughafen

Text

von  Judas

Milchkaffee, doppelt, 47 Kronen. Die Steinwand ist bepflanzt, ich fühl mich krass Zen, so am Wasserbecken sitzend. Einer telefoniert. Die kleine Chinesin sieht orientierungslos aus. Jemand hielt es für eine dekorative Idee, eine kleine Flasche mit einer Wasserpflanze auf den Tisch zu stellen. Frage mich, wann Jeanshemden wieder modern geworden sind und warum. Vom ständigen Geplätscher (oder vom Kaffee) muss ich pinkeln, aber die Toiletten hier sind edel. Draußen liegt Schnee, drinnen liegen Leute auf Bänken, es ist angenehm leer hier. Der S-Bahn Gestank von Berlin hängt in meinem Pullover. Tom Rosenthal singt glaube ich über Liebe und „Go Solo“ und ich versteh immer „Oslo“. Das W-Lan ist auf zwei Stunden begrenzt. Ein Kind schreit.

Heute werde ich das Feuer im Kamin mit Deinem Brief anzünden.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (03.01.19)
Der letzte Satz und augenblicklich will ich weiter lesen. Aber? Gute Regie!

LG Ira

 Judas meinte dazu am 03.01.19:
Danke. Hab mich mal in was minimalistischem versucht. Und bewusst eben genau da bei besagtem letzten Satz aufgehört :)

 drmdswrt (03.01.19)
Feines Stückchen Prosa. Es nimmt einen mit, lässt sehen, fühlen, riechen. Und der Schlusssatz öffnet so viel – vor allem den Wunsch nach Weiterlesen.
Gut gemacht. Ich bin mir nur nicht sicher, ob es die Leerzeile braucht.
Die 2 Stunden könnten schon fast bildhaft sein oder die Textkürze begründen, wären sie nicht so real...
Texte werden dann gut, wenn sie am Ende in der Tiefe mehr bedeuten können, als sie ursprünglich meinen sollten.
Godt nytt år!

 Judas antwortete darauf am 03.01.19:
Hey dir auch ein feines, neues Jahr!

Tja die Leerzeile. Hmmm. Weiß nicht. Ich lasse sie erst mal da. Davon abgesehen: vielen dank!
Fisch (55)
(03.01.19)
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 Judas schrieb daraufhin am 03.01.19:
Okay.
Rema 1000 übrigens.
Ansonsten: ja.
(und danke)

 Oskar (03.01.19)
Der letzte Satz versauts ein wenig, ja, der machts aus. Letztendlich bleibt aber bloß ein Schlaflos in Seattle Gefühl. Bei allem davor wäre ich gerne länger geblieben.

 Judas äußerte darauf am 03.01.19:
Hm. Musste aber mal sein. Ich weiß ja aber, dass wir hier nicht in Seattle sind...
Danke dir.

 Oreste (03.01.19)
In Wahrheit beginnen ja nicht wenige Beziehungen mit einem doppelten Milchkaffee und enden ... nun ja ... letztlich liegts halt doch an den Jeanshemden.

Ob es hier darum geht? Keine Ahnung. Und das ist gut so.

Grüß dich!
O.

 Judas ergänzte dazu am 04.01.19:
Ich könnte jetzt behaupten, ich weiß genau, worum es geht. Ich könnte aber auch....

 Augustus (04.01.19)
Der letzte Satz leitet einen Szenenwechsel ein, der eine zukünftige Handlung vorausnimmt.
Interessant ist dabei, dass die Handlung, den Brief zu verbrennen, nicht unbedingt negativ zu deuten ist.
Heute werde ich das Feuer im Kamin mit Deinem Brief anzünden.
Hinter diesem Satz könnte eine tiefer versteckte Metapher gedeutet werden. So wie der Brief das Feuer im Kamim entzündet, so ist in der Herzenkammer der Protagonistin das Feuer durch den gelesenen Brief entzündet worden.
Der Brief hat also eine doppeltdeutige Verwendung, er muss sicherlich nicht aufbewahrt werden -> er linkt also die menschliche Erfahrung und die Erwartung des Lesers.
Ein Brief der im Innern gezündet hat ist genauso verzehrt, wie das reale Feuer Papier aufzehrt.

Ave

 Judas meinte dazu am 04.01.19:
Huhu!
Warum Protagonistin? Könnte doch auch ein Mann sein im Text oder nicht?
Ja, man könnte den Schlusssatz sicher auch positiv deuten, wenn man will, aber dann hätte ich als Autor irgendwie das Gefühl, mit diesen banalen Beobachtungen zum Flughafen vorher eine falsche Grundstimmung rüber gebracht zu haben. Sicher, bei so kurzen Texten ist die Interpretationsvielfalt trotzdem immer sehr groß.

Antwort geändert am 04.01.2019 um 01:12 Uhr

 Augustus meinte dazu am 04.01.19:
Sicher. Protagonist/in

Die falsche Grundstimmung durch die banale Beschreibung der Beobacjtungen am Flughafen kann unter Umständen auch in die Richtung interpretiert werden, dass der/die Protagonistin/in ohne die Nähe oder Beisammensein der Briefperson, jegliche Begegnung mit der Außenwelt als banal empfindet. Nur im Doppelpack ergibt die Welt einen Sinn, wird ihr Leben eingehaucht. Im Grunde genommen beruht der Text auf einer negativen Geundlage und erzielt eine positive Schlussfolgerung n.m.I.

 Judas meinte dazu am 04.01.19:
Ich glaube, du bist gerade der Einzige, der 'ne positive Schlussfolgerung gezogen hat. Ich gönn dir das aber.

 Dieter_Rotmund (08.01.19)
Der Schlusssatz ist doof, ums mal auf den Punkt zubringen (Suhlen in Selbstmitleid), der Rest aber ist super!

 Judas meinte dazu am 08.01.19:
Pffff. Find ihn nicht doof.
Danke für den Rest!

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.01.19:
Wieso gefällt er Dir?

 Judas meinte dazu am 08.01.19:
Ich mag ihn als Kontrast zu all den nüchternen Beobachtungen davor. Selbstmitleid oder Suhlen darin finde ich auch nicht. Er schlägt eine vollkommen neue Geschichte vor, die der Leser sich dann selbst erzählen kann/darf/muss.

 Dieter_Rotmund (08.01.19)
Ich verstehe. Aber die Richtung ist selbstmitleidiger-kürzlich-Getrennte(r), wer will denn das lesen, diese Trennungschmerzdepri-Texte? Man kann ja auch mal eine Geschichte offen enden lassen, der Leser dankt!

Andere Frage: Warum hast Du Jugendsprache gewählt?

 Judas meinte dazu am 08.01.19:
Warum neuer Kommentar?
Aber die Richtung ist selbstmitleidiger-kürzlich-Getrennte(r)
Nicht unbedingt. Siehe Augustus' Kommentar.
wer will denn das lesen, diese Trennungschmerzdepri-Texte?
Keine Ahnung, das ist ja kein Trennungschmerzdepri-Text.
Man kann ja auch mal eine Geschichte offen enden lassen, der Leser dankt!
Also viel offener kann diese Geschichte hier doch gerade nun wirklich nicht enden?
Andere Frage: Warum hast Du Jugendsprache gewählt?
Sorgfältig gewähltes Stilmittel um Profanität der Orts-Beschreibung im Flughafen auszudrücken und gleichsam Kitsch zu verhindern sowie eine Charakterisierung des Prot in so wenig Sätzen anzudeuten und aufzuzeichnen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.01.19:
Ich verstehe. Wäre aber auch ohne Jugendsprache nicht kitschig geworden.
Und ob der Protagonist 25 oder 50 ist, finde ich für diesen kurzen Text kaum relevant...

 Judas meinte dazu am 09.01.19:
Darf ich an der Stelle kurz fragen, welche Worte genau du mit "Jugendsprache" alle meinst? Das "krass Zen" z.B. ist mMn deutliche Ironie.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.01.19:
Außer "krass" (null Ironie erkennbar, eher leichte adoleszente Arroganz) noch die "edlen" Toiletten und gaaaaanz typisch das Namedropping irgendwelcher Popmusiker, die einfach als bekannt vorausgesetzt werden.
(Jugendtypisch ist übrigens auch der Ort).
Man könnte ja auch darüber nachdenken, es erwägen, ob mangelhafte Zeichensetzung Jugendsprache ist...? In dem Popmusikersatz fehlen gleich zwei Kommas...

Antwort geändert am 09.01.2019 um 13:32 Uhr

 Judas meinte dazu am 09.01.19:
Hach ja ich hatte mich schon gefragt, wann dein Kommentar endlich "typisch Dieter" wird :)

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 09.01.19:
Bitte, gern geschehen!

 BeBa (01.02.20)
Bin gerade reingestolpert. Lebendiger Text, der atmet. Gedanken, wenn man auf Reisen ist. Egal, wohin und woher.
Und dann der Kamin, die Ruhe, evtl. dieser Schlussstrich. Ob der letzte Satz sein muss, darüber kann man streiten. Beide Varianten sind gut. Wertet den Text doch nur auf.

Kommentar geändert am 01.02.2020 um 02:54 Uhr

 Judas meinte dazu am 01.02.20:
Ich verstehe die Tendenz den letzten Satz weg zu lassen aber ich finde ihn irgendwie auch zu wichtig weil der Leser sich dann eine ganz neue Geschichte spinnen kann und diese Skizze davor eine Anreihung Banalitäten ist die dem gegenüberstehen. Also. Finde ich. Danke für Kommentar und Klick!
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