Mängelexemplar

Kurzprosa zum Thema Literatur

von  eiskimo

Das ist hier eine Art Nachruf. Gebündelt. Die literarische Gattung, um die es  geht, hat sich diesen unschönen Titel nicht selber ausgesucht, aber sie hat schnell realisiert, dass sie mit diesem grün verrutschten Stempel  auf der Schnittkante ehrenhaft leben kann.
Ihr  war rasch klar geworden, dass sie nicht angelegt war, den Trend  zu treffen, gefällig  zu sein  oder besonders salonfähig.  Schon gar nicht würde sie glatt in Folie geschweißt bleiben und preisgebunden auf irgendeinem Gabentisch landen. Weil  der Verlag sie nämlich ausgewählt hatte, mit der entsprechenden Strategie in die Bestseller-Ränge vorzudrängen. Nein, die Pole Position für Rekord-Verkäufe war ihr nicht zugedacht. Eher was für die Nische. Aber seit wann ist Marketing das Maß guter Literatur?
Darum ist es für sie schon okay,  auf dem Wühltisch zu landen, im Schluss-Verkauf oder neudeutsch: im Sale.  Immerhin unter vielen prüfenden Augen, um dann aber ...  für 3,95€ ehrlich zu überraschen! 
Ihr Credo, das sie für den wirklich interessierten Leser in einem Hunderte Seiten langen Dialog entfaltet:  Mängel sind das wahre Leben! Oder: Man liest nur mit dem Herzen gut.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 tulpenrot (21.01.19)
Spiegelt sich am Preis die Qualität eines Buches? Ist es statthaft, Bücher wie Ramschware zu verkaufen? An der Tankstelle? IM Lebensmittelmarkt? In der Drogerie?
Ich besitze z.B. mehrere große Fotobände, die ich zu einem herabgesetzten Preis in einem kleinen Buchladen gekauft habe - und freue mich daran.
Die Qualität macht sich nicht am Preis fest. Und auch nicht am Stempel "Mängelexemplar".
Den letzten Satz deines Textes finde ich genial!
LG
Angelika

 eiskimo meinte dazu am 21.01.19:
Danke, liebe Angelika! Ich habe ganz ähnliche Erfahrungen, und mein Herz gilt dem "Mangelhaften"
lG
eiskimo

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 21.01.19:
Hallo zusammen.

"Man liest nur mit dem Herzen gut" ist nicht nur falsch, sondern auch extrem kitschig.

 tulpenrot schrieb daraufhin am 21.01.19:
Dann les ich gerne kitschig - und schreiben tu ich ja auch so :-p

Antwort geändert am 21.01.2019 um 16:04 Uhr

Antwort geändert am 21.01.2019 um 16:04 Uhr

 eiskimo äußerte darauf am 21.01.19:
Dem schließ ich mich von Herzen an! Saint-Exupéry war ja ein ausgesprochener maître du Kitsch!
e.

 Willibald (21.01.19)
Intressantes Sprachspiel, mit Begriff und Stimme eines Mängelexemplars eben dies als literarische Gattung auszugeben.
Vom Markt her wie von den Gattungstheoetikern her ein zu bemängelder Vorgang. Umso wirkungsvoller.
Greetse
ww

Kommentar geändert am 21.01.2019 um 08:15 Uhr

 eiskimo ergänzte dazu am 21.01.19:
Danke. Mir ist auch bewusst, dass ich da "unsauber" definiert habe. Schön, dass Du nicht am Formalen klebst!
vG
eiskimo

 Irma (21.01.19)
Der Text selbst sollte dennoch kein Mängelexemplar sein, denke ich. "BestsellerRänge-vorzudrängen" (Bindestrich verrutscht); "Rekord- Verkäufe" (Leerzeichen nach dem Bindestrich entfernen); "am Wühltisch zu landen" (besser: auf dem); "unter viele prüfende Augen" (vielen prüfenden). Ansonsten gerne mit dem Herzen gelesen. LG Irma

Kommentar geändert am 21.01.2019 um 09:11 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 21.01.19:
Hallo, Irma
Du hast ja so Recht .... Danke!

 Willibald (21.01.19)
Wie gesagt, der Selbstadelungsvorgang bei Mängelexemplar zu Gattung scheint mir fein und oszillierend-ambig.
Schützenswerte Schlusspassage im Text.
Beste Grüße
ww

 eiskimo meinte dazu am 21.01.19:
Wauww! Das ist nicht nur toll formuliert, sondern mir auch eine große Ehre.
Danke!
eiskimo

 LottaManguetti (21.01.19)
seit wann ist Marketing das Maß guter Literatur

Eine gute Frage, der sich neue hinzugesellen dürften/könnten/ müssten.
Darüber würde ich gern eine Handvoll Meinungen lesen.

 eiskimo meinte dazu am 21.01.19:
Du legst den Finger in die Wunde. Bestseller werden ja bekanntlich nicht geschrieben, sondern von den PR-Abteilungen "gemacht".

 niemand meinte dazu am 21.01.19:
@ Eiskimo
über dieses " man liest nur mit dem Herzen gut" muss ich jetzt ein wenig lachen, denn mir fallen Re-Kommentare ein, von Schreibern, welche man für ihr "das ist mit dem Herzen geschrieben, dass muss man mit dem Herzen lesen können, das muss man empfinden etc. etc. etc." doch quasi ausgelacht hat, sprich nicht ernst genommen. Eigentlich liest man doch Bestseller auch eher mit dem Herzen als mit dem Kopf, würde die Masse der Käufer sagen und kriegt dafür eins übergezogen von Kennern, der guten und minder gekauften Literatur, die meist keiner versteht, weil sie nur für eine Hand voll Eingeweihter von Interesse ist. Ich würde mir auch lieber etwas kaufen was ich verstehe, als irgendein verquastes Gedichtebüchlein, von dem wie gesagt eine Hand voll Kenner
als ausgezeichnet spricht. Höre ich hier nicht ein wenig Neid heraus, Neid auf Bestseller-Autoren? Ich frage ja nur.
Also nicht gleich schlagen. Bücher sollen ja letztlich auch unterhalten und nicht nur quälen. Ich habe zu Hause ein paar kleine Gedichtbändchen bei denen ich sagen muss: Wasn Schnacks! LG niemand

 eiskimo meinte dazu am 21.01.19:
Ja, verquaste Gedichtbändchen habe ich auch, und die kann man auch mit noch so viel "Herz" nicht retten.
Es ist sehr schwer, mit diesem schillernden Begriff umzugehen. Ich meine ja nicht den "Herzschmerz" der Groschenheftchen, sondern so etwas wie Offenheit, Antenne, Neugier, mit denen man sich auf eine Lektüre einlassen sollte. Das ist ja wie eine Begegnung mit einem unbekannten Menschen. Dem "Bestseller" tritt man gegenüber im Wissen, das ist ein Star - der kann ja nur gut sein. Also kommt er gleich zum Zuge, man will ja auch im Kreis dewr Avantgarde sein. Das "Mauerblümchen" dagegen bleibt abseits, kommt vielleicht gar nicht in die Auswahl.....
Neid auf die Star-Autoren? Ja, klar! Mit deren Rang und Resonanz könnte man viel mehr bewegen. Man muss ja nicht rumzicken .
vG
eiskimo

 AZU20 (22.01.19)
Kann ich nachempfinden. LG
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram