Buchela Die Seherin von Bonn

Erzählung zum Thema Erfahrung

von  Borek

Buchela
Die Seherin von Bonn


Sie wurde unter einer Buche 1899 aus dem Stamm der Zigeuner geboren. Ihr Geburtsort wurde zu ihrem Name Buchela, der einmal große Berühmtheit erlangen sollte:
" die Seherin von Bonn."
Konrad Adenauer, ein doch sehr kluger, welterfahrener Mann, nutzte ihre Fähigkeiten. Ob es um die zusätzliche Bestätigung seiner Gedanken ging, oder um eine Orientierungshilfe für seine künftigen Entscheidungen, wer weiß es schon, was im Kopf eines solchen Mannes vorging.
Auch über den Ausgang von Bundestagswahlen ließ er sich von ihr beraten. Eine Wahl, die fast aussichtslos für ihn war, wurde von der Buchela als Gewinn prophezeit, und sie hatte gegenüber allen Vermutungen Recht. Heute haben wir keine Seher und Propheten mehr, sondern Demoskopen, die noch exakter vorhersagen ohne Romantik des Übersinnlichen.
Doch sie war es, die Adenauer davon überzeugte, dass er nach Russland fahren und um die Freilassung der Kriegsgefangenen bitten müsse. Sie sagte voraus, dass Soraya Kaiserin wurde, und war der Polizei aktiv behilflich bei der Aufklärung eines vierfachen Mordes gewesen.
So pilgerten große Staatenlenker und kleine Bürger zu ihr, um für sich selbst bei ihr den Zipfel der Zukunft etwas zu lüften und die eigenen Hoffnungen und Wünsche möglichst bestätigt zu bekommen.
Auch Bastin wandelte mit seinem Schmerz zu ihr mit der Zuversicht, es könnte sich doch noch alles ändern.
Die räumlichen Vorstellungen einer Residenz der bekanntesten Seherinnen in Europa waren ihrem Namen angepasst. Deshalb war es eine Überraschung für Bastian, vor einem schmucklosen kleinen Gebäude mit Vorgarten zu stehen. Es machte nicht unbedingt den Eindruck eines Hexenhauses, doch die Verwinkelung mit Ecken und Türen wich etwas ab von der üblichen Norm.
Auf Bastians Klingeln und der Frage nach seinem Begehr wurde er hereingelassen. Er wurde von einem dienstbaren Geist angewiesen, im Wartezimmer Platz zu nehmen.
Noch eine Kandidatin und zwei weitere Männer warteten außer Bastian auf ihre Zukunft.
Es lag eine angespannte Atmosphäre in dem Raum, und langsam entwickelte sich zwischen dem einen Gast und der Frau ein Gespräch.
„Ja, wissen Sie, ich brauche immer einen geschäftlichen Rat von Frau Buchella. Geht es Ihnen  auch so?“
„Nein,“  kam die knappe Antwort.
„ Ja, vor jeder Transaktion befrage ich sie, und sie gibt mir immer die richtigen Ratschläge.
Warum soll ich mir da lange den Kopf zerbrechen, ich frage sie und handle, so wie sie es sagt.
Ist doch einfach.“
„Und wenn sie einmal etwas Falsches sagt?“
„Nein, unmöglich, sie sieht alles ganz genau und richtig.“
So ging die Plauderei hin und her. Der andere Gast, dunkel gekleidet, brachte den Mund überhaupt nicht auf. Er erweckte einen Eindruck, als ob er sich bereits selbst erschossen hätte und bräuchte jetzt nur noch die Bestätigung, dass sein Selbstmord richtig wäre.

Dann war es soweit, Bastian wurde aufgerufen.
Er war nicht aufgeregt, eher abwartend. Vor drei Monaten hatte er sich angemeldet, als sein Schmerz ihn noch schüttelte und die Enttäuschung an seinem Selbstvertrauen und seinem Nichtwahrhabenswollen ihn in seinen Grundfesten des Vertauens erschütterte.
Er sah in diesem bevorstehenden Gespräch eine interessante Begegnung mit einer zweifelsohne befähigten Frau, die für ihn in die Zukunft sehen könne.
Es stellte sich ihn natürlich auch die ganz nüchterne Frage, ob es sich um Scharlarterie handle mit einer großen Begabung und psychologischem Einfühlungsvermögen, wie er es auch in seinen Seminaren Verkäufern vermittelt hatte. Der Mensch ist einteilbar in Gruppen nach Kopfform, Lippenformen, Sternzeichen und vielem mehr. Die unselige Rassenkunde des dritten Reiches war auch eine Art von Klassifizierung des Menschen, nach der man sein Kernverhalten beurteilen wollte.

Eine kleine breite Hand begrüßte ihn. Alles war an ihr klein, der Körper mit 150 cm. Tiefe Mund-und Stirnfurchen hatte das Alter geprägt. Sie war 81 Jahre alt. Die kleinen Augen hatten etwas in sich Gekehrtes, aber auch ein waches Aufblitzen war in ihrem Ausdruck.
Ein Äffchen hockte in einer erhöhten Stellage und sah von oben auf das Geschehen herab.
Seine Gesichtsfalten glichen einem Greisengesicht die übergroßen Augen traten aus den Augenhöhlen hervor, als sei hier eine andere Person die Seherin von Bonn.
Bastian hat lange über das Gespräch mit doch einer der berühmtesten Seherinnen in Europa, nachgedacht. Ihm brachte es nicht die erwünschte Erföllung, für sich die Hochzeitsglocken nach dem Gespräch läuten zu hören. Es blieb Leere zurück, er hatte aber auch das Gefühl, während des Gespräches keinen Bezug zu ihr zu finden, oder umgekehrt.
Das "Ja sammeln" ist eine bewährte Methode auch im Verkauf.

Ist das nicht eine fantastische Qualität? Fühlen Sie!.....Ja
Eine Farbe, die sie bedingungslos kleidet! .....Ja.
Es ist in einer Form geschnitten, die ihre Figur unterstreicht! .......Ja.
Somit pirscht man sich heran an den Preis, der dann immer weniger an Bedeutung hat, je  mehr man die Jas  sammelt.

So ähnlich kam sich Bastian vor.
„Sie hatten ein sehr schönes Elternhaus!“ „Ja“ ....
“ Ihre Eltern leben nicht mehr.“ „Ja“.......
.“Sie sind beruflich erfolgreich“. „Ja“.......“
"Ihre Ehe ist gescheitert.““ Ja.“......
„Sie haben zwei Kinder!““ Nein, ich habe drei“.

Irritiert sah sie Bastian an, und er erklärte, er habe drei Kinder, einmal einen Sohn und einmal Zwillinge.
„Also habe ich doch Recht. Sie haben zweimal Kinder zur Welt gebracht, und dies habe ich gesagt.“ Klang es etwas verärgert? Ob damit der Faden abgerissen war, kann Bastian nicht beurteilen. Es war ein in Banalitäten sich bewegendes Gespräch ohne große Aussagen und am wenigsten mit Hoffnung auf eine glückliche Verbindung mit Monika. Sollte sein weiteres Leben so banal verlaufen wie diese "Offenbarung"?
Sie schien eine begnadete Frau mit großen seherischen Fähigkeiten zu sein.
Schlagzeilen in allen deutschen Zeitungen schrieben;

WAHRSAGERIN VON STOTZHEIM PROPHEZEIT ÜBERLEGENENHEIT DER CDU:

Und viele ähnliche Texte erschienen in allen Zeitungen. Keine Vorhersage hatte damit richtig gelegen, Man ging von einem haushohen Sieg in allen Prognosen der SPD aus.
Selbst Adenauer befragte die Seherin nach dem Ausgang der Wahl, ein Zeichen seiner Unsicherheit.

Sie legte keine Karten, sie schaute nicht in das milchige Glas einer Kugel, um die Zukunft zu erkennen. Sie hatte vermutlich doch eine Inspiration von außen, die ja Zigeunern schon von jeher zugesprochen wird. Das Geheimnisvolle und Ungewisse zu der Frage, was die Zukunft bringen werde, ist eine grundlegende Frage der Menschheit gestern wie heute. Das Wunschdenken des Menschen gibt Anlass für ein großes Geschäft von Scharlatanen und wirklichen Könnern.
Bastian glaubte damals weniger an die tiefen Vorgänge des Lebens: vielleicht war dies die Ursache seiner Unzufriedenheit. Oder hatte seine Skepsis eine Sperre hervorgerufen, die ein Weitersehen unmöglich machte??
Später sagte einmal ein Hypnotiseur zu ihm:" Ich kann Sie nicht in Hypnose versetzen, es geht nicht."
Trotz aller Unzufriedenheit über diesen Besuch in Remagen war es ein interessantes Erlebnis für Bastian gewesen, welches er nie vergessen hat.


Anmerkung von Borek:

Eine wahre Geschichte

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