27. Stock, Appartement 02, 17:04 Uhr

Kurzprosa zum Thema Menschen

von  klaatu

Ich versuche mal was Neues. Das hier wird eine Reihe über mehrere Personen, die im gleichen Stockwerk eines Hochhauses wohnen. Die Texte hängen lose zusammen, werden aber nach und nach (hoffentlich) eine größere Geschichte erzählen.


Appartement 02, 17:04 Uhr

Vorhin schrieb mir einer,
dass ich in einem neuen Video erwähnt wurde.
Titel: "10 YouTuber, die heute keiner mehr kennt"...

Mein linker Monitor musste deshalb dran glauben.

Jetzt sitze ich vor meinem Greenscreen.
Die Kamera starrt mich erwartungsvoll an,
doch mein Kopf ist völlig leer.

Draußen geht die Sonne unter
und scheint sich dabei
unheimlich wichtig zu fühlen.

Vielleicht sollte ich mich lieber aus dem Fenster werfen.
Das würde sicher mehr Aufmerksamkeit bekommen
als ein neues Video von mir...

Aber vielleicht sieht SIE es.
Ich denke, sie weiß wer ich bin.
Neulich schaute sie mich so komisch an.

Früher hätten einige Mädchen viel Geld dafür bezahlt,
um mal kurz an meinen Shorts schnüffeln zu dürfen.

Der Irre von nebenan schreit schon wieder rum.
So kann ich doch kein Video aufnehmen.
Vielleicht werde ich ja auch bald so enden...

Hätte ich - wie die anderen -
jeden einzelnen Trend mitgemacht,
wäre ich heute sicher Millionär.

Man sagt ja man solle aufhören, wenn es am schönsten ist.
Nur: Woher hätte ich das damals wissen sollen?

Immerhin habe ich noch meine Ehre,
auch wenn ich die weder essen, noch ficken
und schon gar nicht darin wohnen kann.

Ich könnte einfach zu ihr rübergehen
und sie auf einen Kaffee einladen.

Wann war ich eigentlich zuletzt vor der Tür?

Ohne weiter darüber nachzudenken,
beginne ich die Aufnahme und versuche,
das Objektiv in einem Blickduell zu besiegen.

Gut zehn Minuten lang,
dann drücke ich Stopp.

Das Video stelle ich unbearbeitet online,
bevor ich es mir wieder anders überlege.

Ich nenne es:
"Was ich so den ganzen Tag treibe".
Vielleicht interessiert es ja doch jemanden.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (23.01.19)
Die Leere im Leben eines youtubers.

Gerne gelesen, aber die Gedichts- bzw. Versform stört sehr.

 klaatu meinte dazu am 23.01.19:
Ja, die Form ist ungewohnt. Aber auch wenn es eigentlich Prosa ist, würde ich sie gerne beibehalten. Denn ich finde, sie passt gut in eine Zeit, in der viele Leute keine Zeilen mehr lesen, die mehr als zehn Wörter enthalten.
ElviraS (73)
(23.01.19)
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 klaatu antwortete darauf am 24.01.19:
Als "In-Universe"-Erklärung würde ich sagen: Er muss natürlich nicht da wohnen, wollte es aber unbedingt, weil er die Aussicht toll fand. Außerdem sind die Wohnungen in den oberen Stockwerken größer und luxuriöser gestaltet als in den unteren.

LG
k

 Lala (23.01.19)
Die Idee finde ich gut, hübsch, interessant und lesenswert. Aber, und das ist von mir ein dickes "Aber", dachte ich an ganz vielen Stellen: Überflüssig, weg, kürzen. Aber nicht aus Böswilligkeit, sondern weil ich die Idee mag.

Den Einstieg finde ich z. B. ungelenk, verwirrend. Aber, da ich weitergelesen habe, auch nicht abschreckend und mir fällt auch nichts besseres ein - bestürme aber den Autor: Das muss auch besser gehen - vielleicht auf den linken Monitor von vornherein verzichten?
Im nächsten Abschnitt kann ich besser beschreiben, was ich weglassen würde:

"Sitze vor meinem Greenscreen.
Mein Kopf ist völlig leer.
Draußen geht die Sonne unter.
Die Kamera starrt mich (weiter) an."

Jede Wette, dass Du die Vorschläge Scheixxe findest, aber ich würde es (in diesem Stil) zusammenkürzen wollen. Ganz brutal. Aber vielleicht auch ganz brutal neben Deiner Spur, Absicht.
Aber dieser Reiz solches zu tun zeigt mir auch ,dass mich der Text angesprochen hat.

 klaatu schrieb daraufhin am 24.01.19:
Nein, ich finde die Vorschläge nicht scheiße, habe selbst lange überlegt. Normalerweise sind 80% meiner Texte Schnellschüsse, die ich aufschreibe und online stelle. Das hier (und die Nachfolgetexte) habe ich schon länger rumliegen. Ich weiß, WAS ich erzählen möchte, aber ich wusste nicht WIE. Erst hatte ich es als normale Prosa versucht (war mir zu langweilig), dann als Stream-Of-Consciousness aus der Ich-Perspektive. Letztlich kam dann das hier dabei raus. Zufrieden bin ich damit aber auch nicht unbedingt.

Danke für deine Gedanken dazu!
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