Wie ich einmal zornig war und es mir hinterher Leid tat.

Tagebuch zum Thema Menschen

von  tulpenrot

Schweinehunde gibt es eine Menge. Es gibt sogar eine ganze Schweinebande. Die versaut regelmäßig unsere Straße. Überall liegt ihr Mist hier rum: leere Pizzapackungen, zusammengetretene Getränkedosen, Bierflaschen, Bonbonpapier, Bananenschalen – alles finde ich auf dem Gehweg und in meiner Hecke. Diese Bande hat kein Benehmen, rast sogar mit donnernden schweren Motorrädern über die kleine schmale Holzbrücke neben unserem Haus, die eigentlich nur für Fußgänger zugelassen ist. Oder sie parkt meine Ausfahrt zu. Ausparken mit meinem Auto unmöglich!

Unsere Straße ist eine Sackgasse für die Autos, aber nicht für die Fußgänger. Alle halbe Stunde laufen viele Menschen hier vorbei zum nahe gelegenen Bahnhof: die einen kommen vom Zug, die anderen gehen zum Zug.

Neulich stand ich mit Rita noch am Straßenrand vor dem Haus, um sie zu verabschieden. Da kam doch tatsächlich ein Motorradfahrer herangefahren. „Der kommt mir gerade recht. Endlich kann ich ihn erwischen“, dachte ich und stellte mich breitbeinig auf die Straße. Der Motorradfahrer verlangsamte sein Tempo und hielt vor mir an. Ziemlich verärgert sprach ich ihn an und hielt ihm einen längeren Vortrag, dass man hier über die kleine Holzbrücke nur zu Fuß gehen, noch nicht einmal mit dem Rad oder mit einem Skateboard drüber fahren darf. Ich verwies auf das blaue Fußgängerschild und beklagte mich, dass sich die meisten nicht daran halten, und dass ich das nicht leiden könne als Anwohnerin. Meine ganze angestaute Wut der vergangenen Jahre kam zum Vorschein und ergoss sich über diesen Mann.

Der Motorradfahrer hörte sich alles freundlich an und sagte, dass er mich verstehen könne. Sein kleiner Sohn saß hinten auf dem Soziussitz und schaute währenddessen gelangweilt drein. Er tat mir Leid. Aber er musste das nun aushalten. Ich ebenso, denn nachdem die ersten flammenden Sätze gesagt waren, war ich mir selber gar nicht mehr so sicher, dass ich hier als nörgelnde Nachbarin auftreten wollte.
„Ich werde also demnächst, wenn ich meine Patienten besuche, einen kleinen Umweg fahren“, lenkte der Motorradfahrer freundlich und entgegenkommend ein.
„Sind Sie Arzt?“, fragte ich erschrocken?
„Ja“, sagte er, „ich fahre hier immer zu Krankenbesuchen vorbei.“
Also doch kein echter Schweinehund. Wie peinlich war mir nun mein vorlautes Benehmen, und ich überlegte, wie ich die Situation mit einem halbwegs netten Satz retten konnte.
„Ich bin froh, dass Sie mich verstehen“, sagte ich schließlich. Ich war erleichtert, dass mir das eingefallen war, hatte ich doch mein Gesicht gewahrt und dennoch nicht mehr so schroff gewirkt. Hoffte ich.
Er verabschiedete sich höflich lächelnd und fuhr gemächlich über die Brücke.
„Das war mein Hausarzt“, sagte Rita, die die ganze Zeit still zugehört hatte.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (24.01.19)
So kann ein im Grunde berechtigter Zorn quasi als ein Schuß
nach hinten los gehen. LG niemand

 tulpenrot meinte dazu am 24.01.19:
Ja, genauso war es.

 TassoTuwas (24.01.19)
Tja Angelika, so ist es halt wenn man die Hintergründe nicht kennt.
Um so beschämender, wenn der angemotzte, in aller Ruhe den Sachverhalt erklärt.
Aber sei beruhigt, ist mir auch schon passiert
Liebe Grüße
TT

 tulpenrot antwortete darauf am 25.01.19:
Guten Morgen Tasso,
danke für deinen Kommentar und das Sternchen und dein Verständnis.
Ja, er war sehr souverän.
Und ich - war wenigstens mutig! So!
Liebe Grüße
Angelika

 AZU20 (25.01.19)
Er sollte vielleicht dennoch den kleinen Umweg fahren, es sei denn, es ist höchste Not irgendwo. LG

 tulpenrot schrieb daraufhin am 25.01.19:
Das hat er versprochen und ich denke, er hält es auch.
Im Moment ist es ja ruhig - es liegt etwas Schnee und die Motorradsaison kommt erst noch.
Dafür steht jetzt schon stundenlang wieder ein Auto so, dass ich nicht hinausfahren könnte, wenn ich müsste.
Bescheuerte Situation.
Danke für deine Rückmeldung un das Sternchen.
Liebe Grüße
Angelika
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