Frau Clara von Langenbrook und der Schreiner von Kreuzpullach

Erzählung zum Thema Leid

von  kirchheimrunner

Frau Carla von Langenbrook und der Schreiner-meister aus Kreuzpullach

1. Kapitel: Die Wirtschaftsprüferin

Während meiner langjährigen Tätigkeit in einem der größten technisch-wissenschaftlichen Dienstleistungsunternehmen in Deutschland, - ja sogar in Europa – ließ es sich gar nicht vermeiden, dass man in Kontakt mit beindruckenden Persönlichkeiten und ihren Lebensgeschichten kommt.

Selbstverständlich war der Anlass der Begegnungen – die mit der Zeit in manchen Fällen sogar einen sehr vertraulichen Charakter bekommen hatten, – immer rein geschäftlicher Natur. Alle Beziehungen waren diskret, frei von jeder Anzüglichkeit und absolut professionell.

Es versteht sich von selbst, dass ich aus Gründen der Diskretion und der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften für personenbezogenen Daten, die Namen der Beteiligten und den Zeitraum soweit es mir mög-lich ist anonymisiert habe.

Eine dieser Geschichten möchte ich heute erzählen. Ich kenne diese zarte und doch sehr beeindruckende Liebesgeschichte aus erster Hand:

Frau Carla von Langenbrook hat sie mir selbst erzählt. Ich muss also weder meine Fantasie bemühen, noch etwas dazuerfinden.

Ich lernte Frau Dr. Dr. von Langenbrook zu einem Zeitpunkt kennen, als sie von ihrer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Prüfungsleiterin für den Jahresabschluss unseres Konzerns ernannt wurde. Eine zweifellos herausragende und verantwortungsvolle Aufgabe.

Dafür war sie auch bestens geeignet: Die Position, die sie in ihrer internationalen Kanzlei bekleidete, forderte eine ausgeprägte Sachkenntnis bei wirtschaftlichen und juristischen Fragestellungen, hohe Einsatz- und Verantwortungsbereitschaft und eine herausragende Integrität der Persönlichkeit.

Die Anforderungen an das Stellenprofil wurde auch entsprechend finanziell honoriert: Eine Viertelmillion Euro im Jahr; - ohne Leistungs- und Erfolgszulage, - das versteht sich von selbst!

Frau von Langenbrook war tatsächlich eine äußerst sach- und fach-kundige Persönlichkeit. Sie war mit ihren 36 Jahren noch am Anfang ihrer steilen Karriere. Bei aller notwendigen Pragmatik und dem geforderten zielorientierten Auftreten, war sie warmherzig und niemals verletzend.


Ihre außergewöhnlich großgewachsene Statur erleichterte es ihr sehr, nachdrücklich, verbindlich und durchsetzungsfähig zu sein. Mit ihren Damen-Pumps – je nach Anlass in schwarz, beige, blau oder rot – war sie min-destens 1,85 Meter groß. Sie überragte mich also um mehr als einen halben Kopf. Aber Frau von Langenbrook ließ mich ihre „Überlegenheit“ niemals spüren. Ganz im Gegenteil:

Jeden meiner Einwände, den ich zu ihrem Bericht über unser Unternehmen einbrachte, sei es bei Konferenzen mit dem Vorstand, vor unseren Geschäftsführern oder im Vieraugengespräch; - immer nahm sie meine Argumente ernst und begegnete den Eisprüchen immer sachlich und kompromissbereit.

Ich brauche wohl an dieser Stelle nicht hinzufügen, dass ich diese Dame sehr nicht nur sehr bewunderte, sondern auch sympathisch fand; - ehrlich gesagt: Wir akzeptierten uns; - mehr noch; - wir mochten uns.

So blieb es auch nicht aus, dass Sie mir in einer Sitzungspause bei ei-nem Kaffee erzählte, wie sie ihren Ehemann (sie hatte vor 3 Jahren ge-heiratet) kennengelernt hatte:

2. Kapitel: Essen Hauptbahnhof, ein Unfall – und die Waffen der Frau!

Es muss Ende November gewesen sein. Kalt und zugig war es am Essener Hauptbahnhof. Der Umbau des Bahnhofsgebäudes, die gesperrten Zufahrten und die Baustellen auf den Bahnsteigen, verursachte für Bahngäste und Reisende teilweise unerträgliche Zustände.

Verspätungen, Zugausfälle, und dann noch weite, - teilweise furchtbar weite Wege beim Umsteigen. Durchsagen aus knarrenden, scheppernden Lautsprechern, - in einer unverständlichen, wort-zerhackten Sprache.

Kein Wunder also, dass auch Frau von Langenbrook an einem späten Nachmittag auf dem Bahnsteig, Gleis 7, strandete und nicht mehr weiterfahren konnte.

Sie kam aus Amsterdam und sollte so schnell als möglich zu einem wichtigen Kunden nach Würzburg weiterreisen.

Sie war angespannt, müde, erschöpft, gestresst und total genervt. Frau von Langenbrook hatte den Anschlusszug verpasst, weil sie den weiten Weg, - kreuz und quer, durch Unterführungen, treppauf, treppab, nicht in der knappen Zeit von zweiminutendreißig geschafft hatte.

Die Rücklichter ihres ICE´s leuchteten hellrot und schienen dabei sogar verächtlich zu blinken.

„Wehe, wenn mir jetzt jemand in die Quere kommt… „

Ich glaube wir alle kennen ja die verbalen Angriffswaffen selbstbewusster, aber genervter Damen. Diese Waffen sind nicht unedel aber grausam; – wie Johann Wolfgang von Goethe in seinem Schauspiel Iphegenie auf Trauris, so wunderbar treffend formuliert:


Schilt nicht, o König, unser arm Geschlecht. Nicht herrlich wie die euern, aber nicht unedel sind die Waffen eines Weibes. .

Na ja, ob unedel oder nicht; jedenfalls sind sie vermutlich scharf geschliffen, gut versteckt; - aber auf jeden Fall sind sie schmerzhaft, grausam und in den meisten Fällen auch tödlich!

Bevor ihr ein Bahnbediensteter über den Weg laufen konnte, den sie mit ihrem verbalen Gift auf der Stelle töten würde, stolperte sie beim Versuch, schnellst möglich den Auskunftsschalter der Bundesbahn zu erreichen, - stürzte auf den Bahnsteig, verstauchte sich dabei den linken Knöchel und verlor ihre cremefarbenen Lederhandschuhe, die sie unter den Arm geklemmt hatte.

Bevor sie rot vor Zorn ihre Blitze irgendwohin schleudern konnte, fasste ihr ein junger, kräftiger Mann unter den Arm und zog sie hoch.

„Ich hoffe, Sie sind nicht verletzt; - haben sie sich vielleicht weh getan“? Besorgt schaute er der nun tatsächlich vollkommen ramponierten und de-rangierten Frau von Langenbrook in die Augen.

„Lassen sie nur, junger Mann, - ich komme schon zurecht! Ärgerlich klopfte sie sich ihren sündteuren Kamelhaarmantel ab. Ich habe es; - nein ich hatte es furchtbar eilig; - aber mein Zug hat sich gerade aus dem Staub gemacht. Ich glaube ich kann schon wieder allein laufen; - trotzdem tausend Dank für ihre Hilfe“!

Der junge Mann, blieb höflich, verbindlich und war nicht die Spur aufdringlich, als er etwas streng zu ihr sagte: „Kommt gar nicht in Frage, dass ich sie so mir nichts, dir nichts auf dem Bahnsteig hilflos und verletzt zurück-lasse“.

„Seien Sie bitte vorsichtig! Es könnte gut sein, dass sie sich mit ihren eleganten, hochhackigen Schuhen auf diesem widerlichen Kopfsteinpflaster die Knöchel brechen.


3. Kapitel: Zaghafte Versuche eines Kavaliers.

„Erlauben Sie mir bitte ihr Gepäck zu nehmen. Wenn Sie möchten, bringe ich sie ins Bahnhofbistro. Der nächste ICE nach München geht sowieso erst in 60 Minuten. Auch ich bin ein Opfer dieser widrigen Umstände“. –

Widerstand zwecklos! Widerwillig stimmte sie zu.
Was blieb der malträtierten Carla von Langenbrook anders übrig, als sich diesem jungen Möchtegern-Kavalier anzuvertrauen?

Der Kerl schulterte seine eigene Reisetasche, packte ihren übergroßen Samsonite Rollkoffer, klemmte sich die lederne Laptop-Tasche unter den Arm und zog los. Die arme Frau von Langenbrook hinkte etwas langsamer hinter ihm her.

Was, wenn sich der Typ mit meinen Sachen aus dem Staub macht? Um Gottes Willen, der Laptop mit vertraulichen Kundendaten auf der Festplatte!

„Keine Sorge, gnädige Frau. Ich passe auf Sie und ihre Sachen auf wie ein Schießhund“, raunte er ihr über seine Schulter nach hinten zu.

Die letzten einhundert Meter zum Coffee-Shop nahm sie sich die zeit, sich diesen aufgeweckten und forschen Nothelfer genauer anzusehen.

Ein paar Jahre jünger als sie; gut 6 bis acht Lenze! Burschikoser Kerl. Fesche Lederjacke, blonde Haare – etwas zu lang für meinen Geschmack, aber blitz-blank geputzte Schuhe.

Schlank, grazil, sportlich, - aber leider eine Hausnummer zu klein für Frau Doktor. Wenn man bei Frau Dr. Langenbrook überhaupt von einem Interesse an der  Männerwelt sprechen konnte; - nein, der ist es auf keinen Fall: Dieser Jungspund mit seinem frechen bayerischen Dialekt, passte nun so gar nicht in ihr Beuteschema. Dazu war sie viel zu sehr kopfgesteuert und Verstandesmensch.

Im Bahnhofsbistro dampfte es. Ein wildes Treiben, ein Geschrei! „Herr Ober, wo bleibt mein Kaffee, - Fräulein zahlen; - Herrgott nochmal, wie lange braucht ihr für die Rechnung; - mein Zug wartet nicht auf euch Schlafmützen“…

Ihr Kavalier behielt bei alle dem die Übersicht. „Hierher, kommen Sie, setzen Sie sich bitte. Kaffee oder Cappuccino? Einen Cappuccino und ein stilles Wasser, wenn es keine Umstände macht“

Nach zehn Minuten war er wieder zurück.
Mit zwei Cappuccino, einem Wasser, einen doppelten Cognac und ein paar Schnittchen mit Schinken und Käse.

„Aber warum greifen Sie denn nicht zu? Sie müssen etwas essen, sie sehen ja ganz blass aus“.

„Übrigens, bitte verzeihen Sie, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt:
Klaus-Michael Hetzler.
Carla… äh Langenbrook; - angenehm“!

Die knappe Stunde im Bistro verging wie im Flug. So ein ungezwungener, fröhlicher Kerl war Frau Dr. jur. schon langen nicht mehr untergekommen. Außerdem war sie von etwas anderem sehr beeindruckt: Er war zurückhaltend aber trotzdem ungezwungen, unterhaltsam, lustig – aber immer höflich und nett. (Manchmal sogar etwas neckisch).

Seine Augen blitzen Frau Doktor manchmal so frisch und munter an, dass sie unweigerlich an ein Gletschereisbonbon denken musste.

(Bist du noch bei klarem Verstand, Carla – Mädchen?)


4. Kapitel: ICE nach Würzburg, 1. Klasse Wagen 7

Selbstverständlich begleitete er sie zum Zug, kümmerte sich um ihr Gepäck und verabschiedete sich mit einem höflichen und doch vertrauten Händedruck von ihr.

„Ich wünsche ihnen eine gute Reise, … kommen Sie gesund nach Würzburg“!

Klar, Frau Dr. fährt 1. Klasse und Klaus-Michael Hetzler musste sich sputen, um noch einen Sitzplatz in der Zweiten zu ergattern.

Kurz vor Köln trafen sie sich wieder. Ihr Kavalier hatte keinen freien Sitzplatz gefunden; - er wollte sich heute den Komfort einer 1. Klasse gönnen.

„Was für eine Überraschung; - möchten Sie sich nicht zu mir setzten, mir eine wenig Gesellschaft leisten“? Carla freute sich wirklich. Mit diesem Klaus-Michael würde sie sich gerne ein wenig Zeit vertreiben. (Jedenfalls so lange wie er die Distanz bewahren konnte.

(So eine Gelegenheit kommt nicht oft! Trotzdem Carla-Mädchen: Contenance, Haltung, - und kühlen Kopf bewahren!)

Auch wenn dieser junge, fesche Kerl sicher verheiratet ist – oder wenigstens fest vergeben; - Ein bisschen Spaß muss sein!

„Machen Sie mir doch das Vergnügen; - ich würde sie gerne zu einem Glas Rotwein einladen“.

„Da sage ich nicht nein, furchtbar gerne“!

Als der Zugbegleiter diensteifrig durch Wagen 7 stolzierte, Packte ihn Clara Langenbrook sanft am Arm, blinzelte ihn hilfesuchend an: Ist es ihnen möglich uns 2 kleine Dornfelder zu bringen; - mit Gläsern, - das wäre wunderbar; - oder ist es zu viel verlangt?

Wer kann da schon widerstehen; - die Bundesbahnbeamten sicher nicht!

Die wenigen Stunden vergingen wie im Flug. Manche Reisebekanntschaften müssen unglaublich viel Kraft aufwenden, um ein Gespräch in Gang zu halten. Bei Carla und Klaus-Michael war es genau umgekehrt; - sie erzählten, schwatzten und kicherten wie aufgeregte Weihnachtsgänse.

(Carla, sei vorsichtig, spiel jetzt nicht das Funkenmariechen…)

„Was arbeiten Sie Herr Hetzler, -oder darf ich Klaus-Michael zu ihnen, zu dir sagen; irgendwie sehen sie aus wie Künstler“.

Fast richtig geraten!
Ich bin Kunstschreiner, ich restauriere alte Möbel aus Kirchen, Schlössern und Klöstern! Und wenn Sie … äh, wenn du möchtest, dann genügt für meine Freunde auch der einfache Klaus“! Ich habe eine eigene Werkstätte in einem ganz kleinen schnuckligen Dorf in der Nähe von München-Oberhaching. – Kreuzpullach, das ist meine Heimat; - aber davon werden Sie, wirst du noch nie gehört haben!

„Und was arbeitest du Frau Langenbrook“?
Ach ich – aber bitte, sag doch Carla zu mir; - ich arbeite in einer Kanzlei“!

„Ah, ich verstehe, Buchhaltung, Steuern, Bilanzen und so“.
– „Ja genau, so ähnlich“!

„Komisch, wie eine gestrenge Zahlenfuchserin siehst du gar nicht aus; ich hätte eher auf Zahnärztin getippt; auweia“.

Es kann passieren, wenn Mann und Frau zufällig aufeinandertreffen, und dann auf den ersten Blick und in minutenschnelle miteinander vertraut werden, so vertraut, dass sie bei aller Aufregung gar nicht bemerken, dass sie sich bereits viele Augenblicke vorher schon ineinander verliebt haben.

Genauso erging es Cara und Klaus.

Beide verzichteten bald darauf ganze Sätze zu sprechen. Dazu war keine Zeit…Worte wurden hin -und hergeworfen. Es genügten Satzfetzen, Gesten und das Fuchteln mit den Händen.
Carla und Klaus verstanden sich auch so.

„Bleibst du in Würzburg länger“?
„Nein, ich muss zurück nach Heidelberg, meine Mutter kommt zu Besuch; und zwar am ersten Advent“…
Dabei drehte Carla die Augen und den Mundwinkel nach oben, um Klaus klar zu machen, wie nervig und diese 2 Tage werden:
Plätzchen backen, Weihnachtsgeschenke aussuchen und die jährliche Moralpredigt:
Wann gedenkt Fräulein, … nein Frau Tochter endlich einmal an sich zu denken, und sich einen Mann einzufangen…Mama denkt wohl an nichts anderes, als dass ich auf freier Wildbahn, zwischen Bars und angesagten Clubs mit dem Gewehr im Anschlag auf die „Pirsch“ gehe“!

Beide kicherten… Besonders bei dem Gedanken an eine „Großwildjagd mit anschließender Knutscherei!

(Soweit waren die beiden also schon vertraut; - man kann sich ausdenken, wie das bald enden wird!)

„Und wann trinken wir zusammen einen Glühwein? Am Christkindlmarkt, in München oder Heidelberg“? Carla wurde keck, ja geradezu forsch“

Klaus zupfte sie zärtlich am Ohr: „Erst wenn deine Mamma weg ist, - mein Schatz – und dann sicherlich bei dir“!

Schon wieder kicherten die zwei, wie kleine Kinder!
Und du, Klaus, wie feierst du Advent. Tannenzweige, Adventskranz und Kerzenlicht? Und wenn´s recht ist, ein Männerviergesang. So macht man das wohl in Bayern, oder täusche ich mich da? –  Das mag ja aller-herzensliebst sein, romantisch vielleicht, – aber ist das nicht kitschig und etwas süßlich und schnulzig“?

(Dabei schmunzelte sie verschlagen und auch eine wenig verlegen und hielt sich dabei die rechte Hand verschämt vors Gesicht:

Wie man es nimmt!  Gar nicht so schlecht geraten..

Manche nennen es sentimental, manche meinen es ist abgeschmackt; mir aber gefällt es; - dabei lächelte er, blinzelte ihr zu, nahm ihre Hand und begann leise, ganz leise zu singen; - so leise, dass sie ihr Ohr fast an einen Mund halten musste:

Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht,
Drum kimm i zu dir her, mei Heiland auf d’Wacht.
Will singa a Liadl, dem Liebling dem kloan,
mogst ja net schlafa i hear di no woan.
Hei hei, hei hei. Schlaf süß, herzliabs Kind.
Vergiß jetzt, o Kinderl, dein Kumma, dei Load,
Daß du da mußt leidn, im Stall auf da Hoad.
Es ziern ja die Engerl dei Liagerstatt aus,
Möcht schöner nit sei drin an König sei Haus.
Hei hei, hei hei. Schlaf süß, herzliabs Kind.

Carla konnte gar nicht anders. Sie war so tief im Herzen gerührt, dass sie sich ihrer Tränen überhaupt nicht schämte. So etwas Liebreizendes, von so einem jungen Kerl. – Ihr Herz hüpfte und ihr Verstand setzte aus!

Total Black – Out! Wo zum Kuckuck ist die Notbremse“?

Amor, du Schlingel, was hast du angestellt? Du hast Carla mitten in Herz getroffen! Was hast du dir nur dabei gedacht?


5. Kapitel: Abschied mit kalter Dusche

Weil beide so miteinander beschäftigt waren, merkten sie gar nicht, wie Zeit, Landschaft und Städte an ihnen vorbeirasten.

„In wenigen Minuten erreichen wir Würzburg, wir verabschieden unsere Gäste, die in Würzburg aussteigen, - bedanken uns für ihre Fahrt mit dem ICE der Deutschen Bundesbahn und wünschen ihnen noch einen schönen Abend. … Ausstieg in Fahrtrichtung rechts.

Cara wurde blass. „Jetzt schon. Wir haben doch noch gar nicht…
Klaus-Michael: Schau mich an! Jetzt bloß keinen Abschied mit kalter Dusche, bitte!
Sehen wir uns vielleicht einmal wieder“?

Zu spät, viel zu spät für eine verbindliche Antwort. Beide haben den Anschluss verpasst. Herzinnigst unterhalten, geturtelt und die Seele gewärmt; - aber das Wichtigste vergessen:

Die Bremsen quietschten, der Wagon ruckelte, der Zug lief in Würzburg ein. Hektik breitete sich aus und tat dem jungen, so zarten und verletzlichen jungen Glück im Herzen und im Verstand sehr weh!

Taschen wurden von der Ablage gezogen, Mäntel zugeknöpft und schon drängten alle ungeduldig dem Ausgang zu.

Frau Dr. Carla Langenbrook wurde mitgeschoben und fortzogen. Zum Glück waren ihre Arme gerade noch so lang, um Ihrem Klaus ihre Visitenkarte in die Hand zu drücken. Ein verzweifelter Augenaufschlag, mehr war nicht mehr möglich, kein Küsschen auf die Wange, nicht einmal eine Umarmung.

Carla Mädchen, du hast es wieder einmal total vermasselt!

Ein sehnsuchtsvoller, fast schmachtender Blick nach draußen, winkende Hände, Tränen in den Augen; - Klaus Hetzler seufzte enttäuscht, dann verschwand die zauberhafte Carla zwischen forthastenden Menschen und tausend tanzenden Schneeflocken, Sie tauchte im Novembernebel ein; vielleicht auf nimmer wiedersehen.

Wie schnell verblasst die Erinnerung an eine wunderbare Begegnung, an vier viel zu kurzen, herzlich vertrauten, fast verliebten Stunden?

Wie schnell verblasst das Bild einer zauberhaften Frau in der Erinnerung eines jungen Mannes, der es im normalen Leben nur mit Dorfschönheiten, grau versponnenen Kunstkuratorinnen und weltabgewandten Klosterschwestern zu tun hat?

Das müssen wir uns fragen; bleiben wir gespannt …

Carla verschwand nicht nur im Novembernebel und Schneetreiben, sie wurde für Klaus-Michael sogar unsichtbar. Schade!

War es wieder mal nur ein Traum, oder habe ich die Gelegenheit meines Lebens verpasst.

6. Kapitel: 1. Advent, das sehr ernste Gespräch mit Frau Mutter, der Freifrau Henriette-Charlotte von Langenbrook.

Der 1. Advent in Heidelberg war tatsächlich romantisch verschneit. Die lichthelle, festliche Kulisse auf dem Heidelberger Weihnachtsmarkt wärmte Mutter und Tochter nicht nur das Herz, sondern – dank des Glühweins mit einem ordentlichen Schuss Rum, sogar Nasen und Ohren.

(Die bei beiden Damen bald rot glänzten!)

Rudolph das red-nosed Reindeer lässt herzlichst grüßen!

Freifrau Henriette-Charlotte merkte sofort, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte. Sie war mit den Gedanken irgendwie nicht bei der Sache. Auch ihr Blick schweifte immer wieder ab.

„Kind, irgendetwas ist mit dir nicht in Ordnung! Hast du Sorgen? Hast du Liebeskummer; - ach nein, - das kommt ja bei meiner Carla nicht vor. Soweit lässt es Fräulein Tochter gar nicht kommen; - dazu ist sie viel zu vernünftig“.

Das klang nicht nur zynisch; - nein es war auch so gemeint!

Carla schluckte! „Aber Mama, du kennst mich doch: ich ertrinke in Arbeit, Termine ohne Ende, Weiterbildung und die Geschäftsreisen. ..
Stress bis Oberkannte Unterlippe. Partnerschaft, - vielleicht nächstes Jahr, Mama“…

„Carla, schau doch mal! Dort neben dem Lebkuchenstand. Der noble Herr im blauen Mantel beobachtet dich; - der hat Interesse!
Carla! Wo guckst du hin! Der Herr mit dem gelben Kaschmirschal! Der sieht doch ganz passabel aus“.

Aber Carla nahm das alles gar nicht mehr war. Sie zog ein Seidentaschentuch aus ihrer Manteltasche, lehnte den Kopf an die Schulter ihrer Mutter und heulte plötzlich und ohne Vorwarnung los.

„Mama, ich bin verliebt; - hoffnungslos verliebt“!

„Glückwunsch mein Kind; wer ist denn der Glückliche? Wo hast du ihn kennengelernt, wann stellst du ihn uns vor. Papa wird sich freuen wie ein Schneekönig; - ist es was Ernstes, kennst du ihn schon lange; - habt ihr schon…“

„Mama! Es ist so hoffnungslos“!

„Ist er verheiratet: Carla lass dich auf so etwas nicht ein!
Mama! ich glaube nein, aber…
Ist er zu alt, ist er zu jung, ist er zu arm.
Kind, so sag doch schon!

Mama, bitte lass uns nach Hause gehen, einen Tee trinken, dann er-zähle ich dir alles“.

Das exklusive Loft-Appartement, traumhaft gelegen direkt unter dem Heidelberger Schloss war sehr geschmackvoll und gemütlich eingerichtet.

Nachdem Carla ihrer Mutter alles gebeichtet hatte, - aus Verzweiflung Bäche von Tränen vergossen hatte, saßen Mutter und Tochter auf dem bequemen Ledersofa und hielten Kriegsrat ab:

„Und, hat er dich angerufen?
Nein!
Das klingt nicht gut!
Hast du ihn angerufen meine Liebe?
Nein! Ich habe seine Telefonnummer nicht, nur eine vage Adresse, irgendwo im bayerischen Oberland“.

„Aber eines verstehe ich nicht, du armes Ding: Warum hat er dich nicht angefunkt, hast du ihm die Nummer nicht aufgeschrieben?
Hast du doch, oder?
Zumindest melden hätte sich der Herr Kavalier ja können“!

„Dazu war keine Zeit, Mutti. Ich hab´ ihm nur meine Visitenkarte zugesteckt“!

- Es ist wohl so, dass er kein Interesse an mir hat. (Wieder flossen Tränen, eine halbe Packung Tempos war schon verbraucht!)

„Hör ich etwa richtig? Deine Visitenkarte? Bist du noch bei Trost“?

Mama!

„Mädchen, nimm den Rest deines Verstandes zusammen, denk nach; - …. Ach, das hat ja bei dir in deinem Zustand keinen Zweck.

Darum pass auf:, ist dir eigentlich klar, was du gedankenloses Huhn in deiner unnachahmlich juristisch-sachorientierten Art, angestellt hast?

Ließ mir vor, was auf deiner Business-Card steht; aber Wort für Wort, wenn ich bitten darf“!

Gehorsam, aber mit stockender Stimme las Carla:
Steuerprüfungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Global-Finance
München  Boston  New York..  London  Amsterdam  Paris  Singapore  Tokyo
Frau Dr. jur. Dr. rer.nat. Carla Freifrau von Langenbrook
Wirtschaftsjuristin, Synikus-Anwältin, Steuerberaterin, Wirtschaftsprüferin


„Denk einmal kurz nach, Kind!
Glaubst du im Ernst, dass ein junger Schreinermeister, der einigermaßen bei klarem Verstand ist, eine Frau Dr. Dr. Freifrau von und zu … und ich weiß nicht was noch, … so einfach anruft, hallo sagt, zu flöten beginnt, etwa so:

Wie geht es dir Frau Gräfin .. hoffe wohl geruht zu haben, gnädige Frau, wie ist ihr Wohlbefinden heute, - was machen die Finanzen…haben Sie die Börsenkurse schon gecheckt, was macht der Goldpreis… und die Panamapapers?
Ich hätte dich, entschuldigen Sie bitte… ich hätte Sie gerne zum Essen eingeladen, zu einem Glas Wein. Aber ich glaube, ihre Ansprüche übersteigen meine Möglichkeiten!

Wenn er so blöd ist und zum Hörer greift; - wenn er das tut, muss er meschugge sein! Tut mir leid, Carla mein Kind, aber du hast dich angestellt wie eine doofe Kuh“!

„Der arme Kerl muss sich doch verarscht vorkommen. Sei mir nicht böse Carla, aber so blöd, wie du dich anstellst, - tut mir leid, aber du hast es verkackt“!

Carla weinte weiter.
„Schuss jetzt, du Heulsuse; - wenn du dich ausgeflennt hast, reißt du dich zusammen, zählst im Kopf deine Siebensachen zusammen und überlegst wie es weitergehen soll.
Magst du ihn? Ja!
Wie alt ist er?
Mama! Er ist mindestens 6 Jahre jünger als ich, wenn nicht 8 oder 10!

„Das ist doch gut, mein Kind: Da hast du dann länger etwas davon“!

Er ist ein Stück kleiner als ich, aber…
Das ist doch wunderbar: Da hat dann er länger was von dir!
(Frau Henriette von Langenbrook musste schmunzeln)
„Ist er es Wert? Ich glaube schon!
Willst du ihn wiedersehen? Lieber heute als Morgen!“

„Dann mein armes Häschen bleibt dir nur eins übrig. Du musst es anstellen, wie deine Mutter.
Dein Vater, der weltfremde, verträumte Herr Freiherr Hubertus von Langenbrook hat bei mir ja auch keine Hand gerührt. Da musste ich schon ordentlich nachhelfen:


7. Mütterlicher Kriegsrat und Bericht über eine Liebesturtelei mit Heiratsantrag; 1960 auf Schoß Langenbrook

Weißt du, mein Schatz, - ich habe deinen Papa 1960 auf einer Konferenz über
Nachhaltige Landwirtschaft und Erhaltung
ländlicher Waldgebiete im Münsterland
kennengelernt.

Der Münsteraner Heimat - Bote hat mich als Berichterstatterin mitten in die Pampa an den Haselünner See geschickt. Den Herrn Freiherren sollte ich interviewen. Mein erster ernsthafter Auftrag als Journalistin!

„Und dort hat es zwischen euch gefunkt“, fragte Carla interessiert“?
„Mein liebes Kind: Funkenflug, ha ha, dass ich nicht lache! Das wäre in der Tat stark untertrieben! Zwischen deinem Vater und mir sind nicht nur Funken geflogen. Es war absolute Waldbrandgefahr“!

Aber nicht, so wie du denkst!
So was tut man nicht! Damals war das gar nicht denkbar!
Das heißt ihr habt euch nicht einmal geküsst?
Dummes Ding, was denkst du denn? Ich hab´ deinen feschen, blondgelockten Vater total abgeknutscht. Solange geküsst, bis ihm hören und sehen vergangen ist!

Aber dann war Schluss!
Sechs Wochen Sendepause! Kein Brief, keine Karte kein Nichts.

Dann habe ich mich hübsch gemacht, mich auf mein Fahrrad gesetzt und nach Bühren aufs Gut Langenbook geradelt; das waren sage und schreibe 38 Kilometer, meine Liebe!
Was blieb mir anders übrig. Dein Vater dachte nur an Pferdezucht, an seinen Dackel, an seine Jagd, - und vielleicht auch nebenbei an mich!

Carla, ich glaube, du bist noch nicht ganz erwachsen! Du kennst die Männer nicht. Wenn wir Frauen es nicht schaffen, sie auf die richtigen Gedanken zu bringen; - von selbst kommen sie nie darauf.

Darum sage ich dir die Wahrheit meine Tochter, hör mir gut zu: Du bist jetzt 36 Jahre alt, Single, fast noch Jungfrau, wie ich vermute.
-Mama!
Ist doch wahr!
Du bist wohlhabend, nein – du bist reich, du bist ganz hübsch und adrett anzusehen, du hast ein großes Herz, du hast Verstand; - du bist charmant, witzig und gebildet; du hast ein gewinnendes Wesen, du bist eine tüchtige und erfolgreiche Frau (kannst du eigentlich kochen Carla?), du spricht 3 oder 4 Sprachen - du hast etwas zu bieten; - aber das nutzt dir alles gar nichts!
Du hast keinen Mann. Also angle dir einen!

Bevor es zu spät ist, sage ich dir Folgendes meine Liebe:

„Sie nicht so verletzt und eigensinnig: Vergiss deinen Stolz, nimm dein Herz in die Hand und fahre in dieses gottverlassene Kreuzdingsbums und lass dich bei deiner Mutter und bei deinem Vater nicht eher blicken, bis du den Kerl fest an der Angel hast. Vorausgesetzt, er taugt was!
Wenn nicht, schieß ihn auf den Mond“!

8. 2. Advent, Kreuzpullach im Gleißental, Carlas Fischzug, oder war es eine Mondfahrt!

Die Fahrt von Heidelberg über Stuttgart, Ulm, Augsburg und München nach Kreuzpullach war alles andere als kurzweilig.
Ich mache gerade eine ganz große Dummheit sagte Carla zu sich, als sie Samstag morgens um 8:20 Uhr mit klopfenden Herzen und ihren Röllköfferchen mit dem Nötigsten in den ICE eingestiegen ist.

Aus reinem Aberglauben und um ihr Schicksal herauszufordern hatte sie kein Rückfahrtticket gekauft! Um kurz nach 12 Uhr mittags war sie in München. Nun begann eine Odyssee:

Gehen Sie zu S-Bahn München Hbf (tief). Dort nehmen Sie die Bahn S3 in Richtung Holzkirchen. Fahren Sie 13 Stationen.

Auf der Fahrt ins bayerische Oberland hatte sie andauernd die mahnenden Worte ihrer Mutter im Ohr:
Knabber nicht an deinen Fingernägeln, guck lieber aus dem Fenster, lenke dich ab.
In München – Ost sah sie das erste Mal in den Spiegel.

München – Giesing:
Ist der Lippenstift nicht zu aufdringlich? Das Rot knallt ja geradezu.
München Fasangarten: Zu spät für die Lippenkosmetik. In der S-Bahn gibt es keine Toiletten.

Unterhaching: Du liebe Zeit, Kind …. fummle nicht andauernd an deinen Haaren, bleib souverän!
Deisenhofen: Mein Gott, wenn er mich nicht wiedererkennt? Wenn er mir eine Fake-Adresse gegeben hat, wenn er ein Filou, ein Blender ist?

Carla, reiß dich zusammen! - Deisenhofen, du musst aussteigen:

Von Bus Haltestelle Deisenhofen nehmen Sie den Bus 381 in Richtung Schulzentrum. Fahren Sie 1 Haltestelle.
Steigen Sie aus beim Halt an der Staatsstraße 2368, - Abzweigung Kreuzpullach. Von dort aus laufen Sie ca. 1 km zur Ortsmitte, direkt an der Kirche.

Carla stand allein und total verfroren, im Schneetreiben an der Bushaltestelle! Es war frostig und bitterkalt. Carla war für das verschneite Oberland wirklich nicht passend angezogen. Sie sah schick aus, zitterte aber vor Kälte. Irgendwo klang eine Kirchturmglocke durch das Gestöber. Es musste halb Zwei Uhr sein.

Carla blickte sich hilflos um; wohin sollte sie laufen? Ein Taxi war in dieser Öde sicher nicht zu bekommen.
Sie hatte Glück. Ein Mercedes – Combi mit Holzanhänger hielt neben ihr an. „Kann ich Sie ein Stück mitnehmen, Sie sehen ja total eingeschneit aus; - wo soll es denn hingehen?
Carla beugte sich zum heruntergekurbelten Fenster. Ein richtiger Waldsepp saß im Auto. Schnurrbart, ein speckiger Trachtenhut und ein rosiges Gesicht, dass lustig und amüsiert herausgrinste!
Nach Kreuzpullach, einen Bekannten besuchen.
Bekannte gibt es hier nicht, bei uns gibt es nur Freunde! Und die gibt hier in Kreuzpullach im Dutzend, aber dann ist es auch schon aus!
Kirche, Wirtshaus, Autowerkstatt, ein paar Bauernhöfe…

Zur Schreinerei Hetzler, wollte ich eigentlich, aber die werden Sie nicht kennen, habe ich recht?
Ach so, wenn´s weiter nichts ist. Zum Herzler Klaus seiner Werkstatt wollen Sie, … das hätten Sie doch gleich sagen können.
Steig ein Mädl, die Koffer nehm ich, in 5 Minuten sind wir da.

9. Kapitel: Kunstschreinerei Hetzler, Kreuzpullach

Die Schreinerei war gleich gegenüber der Kirche. Neben einem schmucken Bauernhaus war eine Schreinereiwerkstatt angebaut.

Der Wurzelsepp, der Carla mitgenommen hatte bog rutschend und schlitternd in eine Hofeinfahrt ein. …. Da sind wir Madame. Wenn Sie zum Chef in die Werkstatt wollen, müssen Sie zuerst hoch ins Büro, melden Sie sich bei der jungen Frau Hetzler an!
Ich lade hier nur Edelhölzer ab, die der Schreinermeister bestellt hat; habe die Ehre!

Die junge Frau Hetzler!
Mein Gott, du dumme Gans, in was bist du da hineingeraten. Der elende Kerl ist ein Heiratsschwindler, er ist verheiratet, der Schuft.
Das sind die Augenblicke, wo das Herz stockt, stehenbleibt und in die Hose rutscht!

Carla!

– Wieder hörte sie die Stimme ihrer Mutter: Sei nicht ungerecht, du bist selbst schuld daran! Dein Bekannter hat dir nichts, aber auch gar nichts versprochen. – Aber jetzt gibt es für dich kein Zurück mehr, mein Kind!

Büro 1. Stock, bitte anmelden, stand an der Tür. Als Clara die Holztreppen etwas flügellahm und erschöpft nach oben stieg, schleppte sie ihren Koffer hinter sich her. Ein kleiner fipsiger Hund kläffte und begleitete sie nach oben.

Lumpi kusch!
Komm zu Frauchen und hör auf zu kläffen.
Die Hände in die Hüften gestützt stand Katharina Hetzler jun. Vor ihrem Büro und versuchte den jaulenden Hund zu beruhigen.

Guten Tag, mein Name ist Carla Langenbrook, könnte ich bitte ihren Gatten sprechen. Ich habe zwar keinen Termin, aber ….
Katharina schaute etwas entgeistert aus der Wäsche. Meinen Gatten? Ist Wolfgang nicht in der Werkstätte?
Äh, nein, man hat mir gesagt, ich soll mich hier im 1. Stock anmelden!

Da sind sie aber hier aber ganz falsch, gnädigste! Mein Wolfgang ist nicht hier, er müsste noch in der Kunstschlosserei sein. Das neue schmiedeeiserne Tor für den alten Friedhof soll doch noch vor Weihnachten fertig werden. Sie kommen sicher vom erzbischöflichen Bauamt, wegen der Sache mit dem Denkmalschutz. Da brauchen sie sich aber keine Sorgen machen, mein Verlobter und seine Leute haben genau nach den Anforderungen des Gutachters gearbeitet.
Carla war nun total verwirrt!
Entschuldigen Sie bitte, ich bin etwas durcheinander. Ist Ihr Gatte nicht Schreinermeister?

Jetzt lachte Katharina lauthals los:
Ach so ist das, jetzt verstehe ich erst: Sie meinen Klaus-Michael. Das ist mein Bruderherz! Der ist in der Schreinerei unten…

Sie haben keinen Termin haben Sie gesagt! Was wollen Sie dann von ihm, er ist sehr beschäftigt!

„Jetzt wird mir so manches klar“!
– Nun ist auch bei der Katharina Hetzler der Groschen gefallen:
„Ich hätte gleich darauf kommen sollen; sie sind wohl die feine Gräfin, die sich als Buchhalterin ausgegeben hat
Sie sind mir ja eine, grinste Katharina listig“.

„ So vornehm und so elegant habe ich sie mir nun gar nicht vorgestellt. Ich dachte mir, der Klaus hat uns alle angeflunkert mit seiner Geschichte.

Trotzdem, Respekt! Sie haben es geschafft: Sie haben ihm sogar anständig den Kopf verdreht:


Wissen Sie, mein Bruder redet seit Tagen von nichts anderem mehr als von einer Gräfin oder Freifrau, die er in Essen auf dem Bahnhof kennengelernt hat. Eine Traumfrau - wunderhübsch und zauberhaft. Aber, dann ist sein Weihnachtsengel - im Schneegestöber und Novembernebel verschwunden“;
- wie gewonnen, so zerronnen, seufzte er!

„Sie wissen ja, wenn Männer das Schwärmen anfangen, dann werden sie sentimental und schütten ihr Herz aus“.
Wir alle dachten: Er spinnt!
„Aber nun sind sie da, leibhaftig und zum Anfassen!
Du meine Güte“; sie zittern ja vor Kälte“!
„Beim besten Willen und aller Liebe: So, wie Sie aussehen, können sie nicht zu ihm in die Werkstatt hinunter! Trinken Sie erstmal eine Tasse hießen Tee, sie schauen ja aus wie eine zugefrorene und eingefrostete Winterfee“. – Wir müssen Sie zuerst auftauen. Michael mag keine Eisblöcke!

… „Und ziehen sie sich einen Kittel an, damit sie sich nicht mit Farbe bekleckern. Die Werkstatt eines Restaurators ist nämlich keine Steuerkanzlei“.

Katharina schmunzelte:

„Der Kerl wird aber Augen machen! Der wird den Mund nicht mehr zu-kriegen und das Schnitzmesser aus wird ihm aus der Hand fallen, wenn er Sie sieht. Machen Sie sich auf etwas gefasst“!

Carla war verdutzt und wunderte sich, über die burschikose Art und Weise, wie seine Schwester über ihren Bruder redete.
„So jetzt setz dich erstmal.
– Wenn du es ernst meinst und wirklich etwas von meinem Bruderherz willst, dann lassen wir doch das blöde Sie! Ich bin die Kathi und du? Ich bin Carla… Freifrau von Langen…... ach, was und wer ich bin, das ist doch jetzt nicht wichtig“.


Kathi blieb forsch:
„Aber eines musst du mir noch erklären, bevor du den verplanten Künstler dort unten komplett aus der Bahn wirfst: Was findest du eigentlich an diesem feigen Kerl“?

„Stundenlang habe ich mit Papa auf ihn eingeredet: Wenn er schon die ganze Zeit herumläuft wie ein weidwund geschossener Hirsch, dann ist es besser, er verschafft sich Klarheit und ruft seine geheimnisvolle Traumfrau an“.

Aber nein, der feine Herr war zu feig dazu: „Glaubt ihr ich mach mich zum Kasper und rufe eine Doktor Freifrau an. Da mache ich mich bloß lächerlich. Die serviert mich bestimmt ab wie einen nicht gebrauchten Teller. Für so etwas könnt ihr euch einen anderen Deppen suchen. …

„Der Klaus ist halt schüchtern, sensibel und verletzlich. Er hat eine Heidenangst vor einem Korb.
„Carla, eines musst du wissen: Glück hatte er bei den Frauen bisher nie! – Ausgenutzt und ausgeschmiert haben ihn die Weiber! Es ist halt so: Unser Klaus ist eigentlich viel zu gut für diese Welt“!  …


10. Kapitel: Finale, Epilog: Auf Leben und Tod

Das Ende unserer Geschichte ist schnell erzählt:
Mit klopfenden Herzen rannte Carla die Treppe hinunter, den Hausflur entlang bis zur Schreinerwerkstatt.
„Betreten für Unbefugte verboten“!

Ihre Hände zitterten, als sie die Türe öffnete. Klaus Hetzler war allein in der Werkstatt. Er arbeitete gerade an einem gotischen Altarbild.
Maria Magdalena und Jesus.
Er strich liebevoll über den Holzrahmen, ging zwei Schritte zurück und betrachtete das Bild von allen Seiten:
Wenn man den Rahmen etwas stabilisiert, - ein wenig Holzkitt würde genügen, und die Patina vom Untergestell entfernt, - und das Blattgold an den kritischen Stellen neu aufträgt; das müsste fürs erste genügen.

Dann stutze er: Da war ein anderer Geruch in der Werkstatt. Kein Lösungsmittel, kein Waschbenzin, es war der Duft von Frauenhaar.


Langsam drehte er sich um, dann ließ er den Schnitzhobel fallen und stand wie gelähmt vor ihr; - unbeweglich und starr wie ein Ölgötze.

„Jetzt bin ich da, jetzt bin ich bei dir Klaus; wenn es dir recht ist bleibe ich auch“.

Zuerst verzauberte ihn ihr Lächeln, dann sah er ihre Tränen. Unbeholfen und wortlos stand er vor ihr.
„Carla, damit habe ich nicht gerechnet“.

Nun tat Carla genau das, was ihr ihre Mutter letzte Woche so eindringlich ans Herz gelegt hat:

Sie legte ihren Finger auf seine Lippen, „sag jetzt nichts“. Dann nahm sie seine Hand und drückte sie an ihre Wange.

Der scharfe Geruch von Terpentin und Klarlack stieg ihr dabei in die Nase, aber alles fühlte sich wunderbar an.

Ihr erster Kuss war kurz und zaghaft, der zweite war dafür umso länger; minutenlang, eine halbe Ewigkeit!

Beide hielten sich fest, - nein nicht wie ertrinkende (solche abgedroschenen Phrasen haben wir nicht nötig), sagen wir lieber, sie umarmten sich wie Engel, die auf Wolke 7 schweben, - das hört sich doch auch gut an, nicht wahr.


Die Hochzeitsglocken läuteten bereits im darauffolgenden Mai. Das junge Glück hatte es nämlich eilig. Frau Dr. Dr. Langenbrook – Hetzler erwartete ein Baby.


Nun dürfen wir kurz zurückblenden in den Konferenzraum unserer Firma. Jetzt war Herr Salomon unserer Abschlussprüfer.

Er berichtete, dass Frau Dr. Dr. Langenbrook – Hetzler drei Jahre Elternzeit beantragt hat.
Sie ließ Karriere und Laufbahnplanung sein; - sie wollte ganz für ihre Tochter und ihren Mann da sein.
Mit 40 Jahren kam sie wieder zurück ins Arbeitsleben; in Teilzeit! Trotzdem hat man sie in ihrer Kanzlei zur Partnerin befördert und Ihr eh schon beträchtliches Gehalt noch einmal aufgestockt. Sie leitete nur den Steuerbe-reich ihrer Firma in München.

In dieser Zeit  wirkte auf mich mädchenhafter und noch warmherziger als früher, ohne dass sie ihre charmante Souveränität aufgegeben hätte.

Dann hörte ich ein paar Jahre gar nichts mehr von Ihr.
Als ich mich bei Herrn Salomon nach ihr erkundigte – es musste so um 2012 oder 2013 gewesen sein, war er ganz erstaunt:

„Wissen Sie denn nicht, Dass Frau Dr. Dr. von Langenbrook- Hetzler kürzlich verstorben ist“?
Eine heimtückische, ganz aggressive Krebserkrankung hat sie aus ihrer Familie und aus dem Leben - und nun auch aus unserer Geschichte herausgerissen.
Es muss spät im Jahr gewesen sein, 2. oder 3. Advent. Bei der Beerdigung sang der Ottendichler Viergesang ihr Lieblings – Weihnachtslied:

Es wird scho glei dumpa, es wird scho glei Nacht,
Drum kimm i zu dir her, mei Heiland auf d’Wacht.

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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (28.01.19)
Ich lese keine langen Texte, ich lese von ihnen nur die ersten zwei oder drei Sätze und das war es dann.
Dies ist kein langer, dies ist ein sehr langer Text und ich hab ihn trotzdem gelesen, weil der Anfang ein Gefühl gibt, das so zu beschreiben ist, hier kommt eine kultivierte Geschichte!
Und sie bleibt es bis zum Ende, ein ständiger Wechsel von distanzierter Schilderung, zu hautnaher Anteilnahme, begleitet von humorvollen Momenten und stiller Nachdenklichkeit!
Das alles bleibt von Anfang bis Ende in der Balance.
Es menschelt gekonnt auf hohem Niveau!

LG TT

Kommentar geändert am 29.01.2019 um 00:26 Uhr

 kirchheimrunner meinte dazu am 29.01.19:
Lieber TT ich danke dir ganz herzlich.
Natürlich stören die (-) Bindestriche, - das ist mir bewusst.
Ich hatte den Text auf word.docx geschrieben und dann in den Verlag kopiert.
Mir freut natürlich ganz außerordentlich, dass jemand diesen Text ließt. Nicht der Text, sondern die Dame - die ich persönlich gut kannte - hat es verdient, dass er gelesen wird.

Schönen Tag noch
Hans

 Dieter_Rotmund (29.01.19)
Guten Morgen.

Extrem überstarker Gebrauch von Geviertstrichen (teilweise falsch), die überhäufige Absatzformatierung irritiert ebenfalls sehr.
Beides so sehr, dass ich das Lesen abbrechen musste, sorry. Schade, könnte eine gute Geschichte sein. Aber zunächst muss die Form stimmen, alles andere kommt später.
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