Herzschmerz

Gedicht zum Thema Wahrnehmung

von  Isaban

Dann kamen die Götter in Grün
ans Bett und sie führten dich fort,
sie hoben dich und sie verschoben dich
plaudernd zum stählernen Ort.

Ich lief durch die Flure und sprach
Versprechen aus, tausend Gebete,
die Welt ringsum lag blitzblank brach,
als ich meine Runden dort drehte.

Sie griffen dir tief in die Brust,
zerbrachen dein Brustbein und stachen
in Hals, Arme, Beine und Leiste;
ich hörte sie bluthändig lachen.

Dann warst du gemetzelt, sie gaben,
was übrig blieb, schlafend zurück
und sagten, wir beide, wir haben
Glück gehabt, verdammtes Glück.

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Kommentare zu diesem Text

Cora (29)
(13.02.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Isaban meinte dazu am 14.02.19:
Knapp, aber gut.
Herzlichen Dank!

 monalisa (13.02.19)
O je, Sabine, bei 'gemetzelt', hab ich die Luft angehalten, gedacht, das geht nicht gut aus? 'Schlafend' hat meinen Blutdruck dann wieder gesenkt. Verdammtes Glück gehabt!

Es gelingt dir in diesem Gedicht sehr eindringlich, die Diskrepanz zwischen dem verzweifelten Erregungszustand des/der nahen Angehörigen im Spalt zwischen Hoffen und Bangen und der Routine der 'Götter in Grün' , die sich mehr und mehr als rohe Fleischer/Metzker entpuppen, bluthändig plaudernd und lachend.

In S2 V3 brechen 'blitzplank' auch metrisch diese Erlebniswelten auseinander: "Wie kann die Welt so steril daliegen, als ob alles in schönster Ordnung wäre, während ich hier vor Angst vergehe", mag LI gedacht haben.

In S1 finde ich ebenfalls V3 sehr bemerkenswert.
sie hoben dich und sie verschoben dich
nicht nur wegen des Binnenreims, sondern vor allem weil die beiden DICH in je einer Senkung verschwinden, zur 'Nebensache' geschrumpft werden. Der Endreim fehlt auch hier, auf das Grün der Gotter kann LI sich keinen Reim mehr machen.

Es ist ein schneller, erregter Daktylus/Amphibrachis, begünstigt noch durch die Enjambements, in dem ich durch deine Verse gleite. Ganz so, als könnte ich den Ausgang der Geschichte nicht früh genug erfahren, für LI hingegen müssen sich die Warteminuten unendlich ausgedeht haben. Im Rückblick erscheinen dann wohl wieder nur wenige Bilder, wird die Zeit wieder verkürzt, die so quälend war, dass man sich gar nicht gerne erinnern mag. Aus dieser Position, mein ich, erzählt LI.

Im allerletzten Vers bricht der Daktylus/Amphibrachis, geht in den Trochäus in ein erlösendes 'Glück gehabt, verdammtes Glück gehabt' über. Sehr effektvoll in Szene gesetzt!

Eine Herzschmerzgeschichte im doppelten Sinn, einmal ganz anders!

Liebe Grüße
mona

Kommentar geändert am 13.02.2019 um 14:50 Uhr

 Isaban antwortete darauf am 14.02.19:
Hallo Mona,

nach deinem Kommi hadere ich nun mit mir, ob ich mich entschuldigen soll, weil ich dich mit auf die Reise genommen habe, oder ob ich mich begeistert zeigen darf, weil der Text dich so mitnehmen konnte - auf jeden Fall bin ich dankbar, dass das Sedativum deinen Blutdruck wieder senken konnte und du uns so erhalten bleibst!

Was soll ich zu so einer Interpretation sagen, außer: "Wow, boah, danke schön!"? Du hast fast alle meine Intentionen erfasst - noch mehr und es wäre gruselig! (Nimm das als Lob, es ist auf jeden Fall aufrichtig so gemeint.)

Zum letzten Vers: Ja, man kann ihn trochäisch lesen, oder aber als Daktylus mit betontem Auftakt - der Metrikbruch ist bei beiden Varianten hörbar. Es freut mich riesig, wenn dieser Bruch das Ganze gut in Szene setzen kann. Noch mehr freut es mich, dass du da so genau hinschauen mochtest!

Ähnliches habe ich in S1, V4 versucht, um sowohl die "Verschiebung" als auch die Diskrepanz zwischen dem ärztlichen Plaudern und dem Zustand des LI zu unterstreichen, aber womöglich habe ich da incl. des Vorverses zu viel zu dicht gepackt, so dass es "im Lauf" unterging. Eine gute Lehre: Man darf es eben auch mit den Stilmitteln nicht übertreiben. Ich muss wohl üben, mich diesbezüglich noch mehr auf das Wesentliche zu konzentrieren. Manchmal ist auch das, was nicht bemerkt oder kommentiert wird eine wichtige Rückmeldung.

Deinem Kommentar (und dir natürlich!) gebührt mehr Dank, als ich in (leider zeitlich geraffte) Worte fassen kann. Merci!

Liebe Grüße,

Sabine

 monalisa schrieb daraufhin am 15.02.19:
Liebe Sabine,
natürlich sind meine Kommentare nicht lückenlos, ich müsste wahrscheinlich wochenlang über deinen Werken grübeln, und selbst dann würde ich immer wieder Neues entdecken können. Es stimmt, dass ich S1 V4 nicht erwähnt habe, bemerkt habe ich es indes schon und ich finde es sehr gut, so wie es ist, nicht zu viel, nein!
xXx x X x xXx x
sie hoben dich und sie verschoben dich
Xx x Xxx X
plaudernd zum stählernen Ort.
Da ist der unbetonte Auftakt in den Vorvers 'gerutscht', hängt das DICH unbetont hinten dran, dieses DU/DICH, worum LIs Gedanken unaufhörlich kreisen, wird so passiv, hilf- und wehrlos verschoben. Also da spielen die beiden Verse perfekt zusammen, finde ich.

Den letzten, den Schlußvers daktylisch, meinst du? Das fällt mir schwer, da müsste ich 'verdammtes' auf 'ver' betonen und 'damm-tes' läge auf der Doppelsenkung. Für mich ergibt sich da automatisch der Trochäus, finde ich gut so, als erleichtertes Aufatmen!

Das nur kurz als Nachtrag!

Liebe Grüße
mona

 Isaban äußerte darauf am 13.02.19:
Hm?

 DanceWith1Life ergänzte dazu am 14.02.19:
Für einige, vielleicht auch nur für eine/meine der 7 Milliarden Möglichkeiten in die sehr intensive Schilderung dieser Szene zu einzutauchen, fand ich dieses Filmchen ansprechend, nichts weiter.
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