Unterlass gefälligst den Unsinn

Aphorismus zum Thema Sinn/ Sinnlosigkeit

von  EkkehartMittelberg

1 Scharfsinn mokiert sich über Frohsinn, der Unsinn erträgt.

2 Kunstsinn verzeiht eher Form ohne Sinn als Sinn ohne Form.

3 Es gibt mehr Versuche, Sinn, den andere stiften wollen, zu verwerfen als selbst welchen zu schaffen.

4 Sinnsucher erkennen einander öfter an umwölkter als an heiterer Stirn.

5 Ein Narr, der etwas auf sich hält, beweist Eigensinn.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (22.02.19)
Nummer 2 hat das Potential, erregte Debatten loszutreten.

Bei Nummer 1 würde ich dir widersprechen. Scharfsinn ist Frohsinn eher gleichgültig. Es sei denn, das "r" ist ein Tippfehler.
;-)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Merci, Trekan, selbstverständlich kann man die Nr. 2 auch anders sehen. Aber mir scheint, dass in den Debatten über Kunst seit der Moderne l'art pour l'art eine größere Rolle gespielt hat als die Orientierung am Inhalt.
Vielleicht ist Nr. 1 eine Frage der persönlichen Erfahrung. Ich habe schon einige Male gelesen, dass sich Intellektuelle leicht komisch gegen den Frohsinn empört haben statt ihn zu ignorieren..

 Teichhüpfer antwortete darauf am 27.02.19:
Das stimmt aber, wenn der Nullpunkt da ist, gehen die Lichter an.
Trainee (71)
(22.02.19)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 22.02.19:
Grazie, Heidrun, ich vermute, dass wir unser Verständnis von Kunst außer an Benn an Edmund Husserl, T.S. Eliot, Ezra Pound und Hilde Domin geschult haben, die alle in die Richtung weisen, dass Kunst sich letztlich durch die Form definiert. Aber ich habe auch Verständnis für Menschen, die sich über Inhalte engagierter Kunst auseinandersetzen möchten und denen die Form selbst nicht Inhalt ist. Solange die Kriterien offen gelegt werden, möge jeder nach seinem Gusto selig werden.
Liebe Grüße
Ekki
MichaelBerger (44) äußerte darauf am 22.02.19:
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 22.02.19:
Das stimmt Michael, aber nach der Trennung durch den Verstand, der zeigt, wie fein beides aufeinander abgestimmt ist, wird das Gefühl oft bereichert.
LG
Ekki
Sätzer (77)
(22.02.19)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Merci für die interessante Denkanregung, Uwe, Meinst du nicht, dass auch Individualisten Sinn produzieren können? Aber der von einem System produzierte Sinn entfaltet meistens Beharrungsvermögen und wird leicht toleranzfeindlich. Er steht dann tatsächlich der Kreativität entgegen.
LG
Ekki
MichaelBerger (44) meinte dazu am 22.02.19:
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 TassoTuwas (22.02.19)
Hallo Ekki,
sind die Sinne erst verwirrt, macht alles Sinn oder nichts!
Das war die schnelle Antwort, und jetzt fang ich an zu denken
Herzliche Grüße
TT

P.S. Erste Erkenntnis, falsche Reihenfolge!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Gracias, Tasso, lasst uns Schönheiten suchen, die uns die Sinne verwirren. Du hast recht mit der Reihenfolge. Man sollte den Aphorismus über den närrischen Eigensinn nach vorne stellen, dann wissen die Diskutierfreudigen, dass Einwände immer willkommen sind. :D
Herzliche Grüße
Ekki
Sin (55)
(22.02.19)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Aber ich muss doch bitten, Sin. Wer wird denn einen Sin verwerfen, wenn er noch bei Sinnen ist? :O
Merci und LG
Ekki

 Dieter Wal meinte dazu am 22.02.19:
Sin-Sucher erkennen einander öfter an heiterer als umwölkter Stirn.

https://de.wikipedia.org/wiki/Sin_(Hebr%C3%A4isch)
Sin (55) meinte dazu am 22.02.19:
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Sin (55) meinte dazu am 22.02.19:
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 Dieter Wal meinte dazu am 22.02.19:
Bitte, Sin. Gabriele Mandel widmete der Bedeutung der Buchstaben gleich zwei Bände: 1. "Gezeichnete Schöpfung - Eine Einführung in das hebräische Alphabet und die Mystik der Buchstaben", 2. "Gemalte Gottesworte - Das arabische Alphabet- Geschichte, Stile und kalligraphische Meisterschulen". Beide Sprachen und Kulturen sind miteinander eng verwandt.

Sin steht für das Element Feuer. Besonders deutlich im Wort Schämäsch für die Sonne.
Trainee (71) meinte dazu am 22.02.19:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
@Dieter Wal und Trainee. Ich kann euch nur zustimmen. Die mystische Bedeutung hebräischer Buchstaben ist eine spannende Sache. Ich bin in "Jud Süß" von Lion Feuchtwanger wiederholt auf Passagen zu diesem Thema gestoßen.. Merci.
Sin (55) meinte dazu am 22.02.19:
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 Dieter Wal meinte dazu am 23.02.19:
Danke für den Jud-Süß-Tipp.

 Dieter Wal (22.02.19)
Mag 3. und 4.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Hallo Dieter, mal angenommen, dass die 3 tatsächlich zutrifft, vermute ich, dass hinter den Abwehrversuchen der Sinnstiftung anderer die Angst steckt, dass der Sinn, den man selbst bisher vertreten hat, in Frage gestellt werden könnte.

 Dieter Wal meinte dazu am 23.02.19:
"Es gibt mehr Versuche, Sinn, den andere stiften wollen, zu verwerfen als selbst welchen zu schaffen."

Wenn jemand etwas komplett ablehnt, stellt sich vielleicht die Frage, woran das liegt. Bei Schiller beispielsweise halte ich es für wenig verwunderlich. Viele seiner Gedichte enthalten Griechische Götter, zu denen, da sie in der Schule verschiedentlich als Kulturgut unterrichtet werden, keine religiöse Beziehung besteht und nur äußerst selten eine andere. Schiller anverwandelte sich diese Götterwelt poetisch. Das war seine inoffizielle Religion, könnte man sagen. Ein entsprechender Bezug jedoch ist nicht durch Lektüre von Schillers Gedichten reproduzierbar. "Geheime Erfahrungen", von denen in der Theologie manchmal in Zusammenhängen mit biblischer Prophetie gesprochen wird, macht man als Lyriker auch bei Gedichten über Götter. Sie ereignen sich als "Verarbeitungs-" und "Erfahrungswissen" ausschließlich im Autor. Ich gehe davon aus, es handelt sich dabei prinzipiell um dasselbe Phänomen, wenn auch in vielleicht geringfügigerer Ausprägungsart. Ich gehe weniger davon aus, dass weniger etwas abgelehnt wird, weil man sonst eigene Standpunkte verlassen müsste, sondern weil für wirkliche geistige Aneignung wieder ein eigener schöpferischer Akt erforderlich ist. Dazu aber fehlt Kritikern oft das nötige tiefere Interesse. Negieren ist leichter.

 Dieter Wal meinte dazu am 23.02.19:
Du kennst bestimmt das altägypische Sprichwort: "Im Land der Blinden ist der Einäugige König". Vielleicht sind allegorische Einäugige dankbarer für Sinnstiftungen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.02.19:
Unsere beiden Erklärungen ergänzen sich gut und deiner Vermutung zu den allegorischen Einäugigen stimme ich gerne zu.

 AZU20 (22.02.19)
Hat alles Sinn. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Danke, Armin, wahrscheinlich gehört die Offenheit dazu, welchen zu finden.
LG
Ekki

 GastIltis (22.02.19)
Hallo Ekki, eine feine Sinn-(nicht Zinn-)Sammlung bietest du: Un-, Scharf-, Froh-, Kunst-, Eigensinn und den Sinnsucher. Der letzte findet noch die Be-sinn-ung und die Sinn-lichkeit.
Zum Unsinn schon mal ein Satz aus dem Internet, der wohl jedem Politiker, der was auf sich hält, von Zeit zu Zeit aus dem Mundwerk purzelt: „Eine Besinnung auf die demokratischen Grundwerte wäre angebracht.“ Wie wahr und wie abgedroschen!
Zur Sinnlichkeit bitte ein Zitat von Paula Modersohn-Becker: "Sinnlichkeit, Sinnlichkeit bis in die Fingerspitzen, gepaart mit Keuschheit, das ist das Einzige, Wahre, Rechte für den Künstler."
Sicher gibt es noch viel viel mehr. Anregungen hast du genug gesetzt. Herzlich Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Lieber Gil,
vielen Dank für die Erweiterung des Wortfelds "Sinn" und die Bereicherung durch deine beiden Zitate. Ich kannte das von Paula Modersohn-Becker noch nicht und werde es bestimmt nicht vergessen. Wer verbindet heute noch Sinnlichkeit mit Keuschheit?
Herzliche Grüße
Ekki

 DanceWith1Life (22.02.19)
das "neue" LyrI das alles endlich besser weiß, kommt hier voll auf seine Kosten. Schon allein der Titel ist ihm ein Festmahl. Zum Glück bleibt es nicht so und die vorgetragenen Gedanken verraten dann doch eine sensiblere Perspektive. Natürlich bleibt der Kontext verfänglich, das liegt aber weniger am Autor als am Zeitgeist dessen Werte verschwommen sind. Da lässt sich noch viel rausholen. Viel Spaß.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Merci DanceWith1Life, dein Instinkt hat dich nicht getrogen, es ging mir bei der Überschrift und den Aphorismen a u c h ein bisschen um Besserwisserei, mit der ich selbstironisch/ironisch spielen wollte.

 Didi.Costaire (22.02.19)
Das Unterlassen überlasse ich lieber anderen. Ich hoffe, es ist in deinem Sinn. Zumindest habe ich damit wohl deinen fünften Aphrorismus mit Leben gefüllt.
Liebe Güße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.19:
Gracias, Didi, ich wusste doch, dass ich mich auf dich verlassen kann.
Liebe Grüße
Ekki

 tigujo (23.02.19)
Ekki, deine Aphos regen an, und die Kommentare ebenfalls.
Zum 4. Apho hab ich eine Vermutung:

6 Wer Sinn sucht, der scheint ihn zu brauchen. Wer ihn gefunden hat, der braucht ihn dann nicht mehr ;)

lg tigujo

Kommentar geändert am 23.02.2019 um 13:22 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.02.19:
Merci für diese einleuchtende Erklärung, Tigujo. Ich hatte daran gedacht, dass Sinnsucher oft verkrampfen statt sich durch heitere Meditation für Sinn zu öffnen..
LG
Ekki

 princess (23.02.19)
Lieber Ekki,

Sinnieren macht Freude! Dachte ich gerade, als ich mich durch deine Sinnspiele las. Und: lieber Unsinn als Trübsinn. Aber das ist natürlich eine Frage der Sinnlichkeit.

Liebe Grüße
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.02.19:
Die Sinnlichkeit deines Kommentars ist ansteckend, Ira. Grazie.
Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (29.04.21)
Des Menschen Sinn ist ungeklärt
weshalb sich Unsinn auch vermehrt:
"Ein Zeichen sind wir, deutungslos,
Schmerzlos sind wir und haben fast
Die Sprache in der Fremde verloren."
(Hölderlin, Mnemosyne)

LG
Henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.04.21:
Vielen Dank, Henning. Ich fass mich momentan kurz. Du weißt warum.
LG
Ekki
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