Rückendeckung

Text zum Thema Liebe, lieben

von  fritz

Sie streichelte seinen Rücken, weil sie ihn liebte. Und sie liebte ihn, weil er diesen wundersamen Rücken hatte. Das wäre, wenn ihr jemand diese unsinnige und doch zweifellos nachvollziehbare Frage gestellt hätte, ihre präziseste Antwort gewesen. Sicher, es war nur ein großes Stück Haut auf Knochen, aber genauso war doch jede schöne Landschaft nur eine Wiese mit Bäumen und Gebüsch; warum also sollte man hier, beim Rücken eines Menschen, plötzlich relativieren.
Sein Rücken war jene der Hautflächen, die er ohne Spiegel tatsächlich fast gar nicht sehen konnte, selbst wenn er sich so weit wie möglich drehte; stets drehte sich dieser ja mit. Weil sie nun seinen Rücken so liebte, war sie ebenso überrascht wie froh, dass er sie noch nie nach ihm gefragt hatte. Auf die Frage, wie er denn aussähe, hätte sie nämlich nichts Treffendes zu sagen vermocht. Spätestens aber, wenn er sie einmal fragen würde, warum sie ihn liebte, und sie natürlich die präziseste Antwort geben würde, spätestens dann würde er dann auch nach seinem Rücken fragen; und dann müsste sie doch irgendetwas sagen können. Allein schon, weil sie selbst gelegentlich zu wissen verlangte, warum er sie liebte und weil sie dieses Verlangen sicherlich irgendwann einmal nicht mehr würde zurückhalten können und er sie dann, was allzu verständlich wäre, zurückfragen würde, warum sie ihn denn liebte, wäre es gut, eine Antwort parat zu haben auf jene Frage, warum es denn nun ausgerechnet sein Rücken war. Wie aber etwas sagen, das sie doch nicht wusste?
Es ging ihr gut, wenn sie ihm mit ihren Händen über seinen zarten Rücken fuhr, soviel wusste sie. Er konnte sie dabei nicht sehen – war das etwa gut? Wäre es am Ende der Rücken nur aus diesem Grund, weil er nicht sehen konnte, was sie mit ihm machte? War es etwa der Rücken, weil sie, wenn sie ihn berührte, in ihm, in seinem Rücken war? War es etwa der Rücken, weil er ihr wirklich vertrauen musste, wenn sie hinter ihm stand? Ja, weil sie ihm in den Rücken fallen konnte? Und wenn er nun sagen würde, es seien ihre Augen? Und zwar nicht nur aus Verlegenheit oder weil er glaubte, ihr würde das gefallen, sondern weil es so war? Gefallen würde es ihr sehr und doch gar nicht, denn hatte man nicht alles mit den Augen, und alles glasklar?
Wenn er sie ansah, würde sie ihn am liebsten sehen, ohne selbst gesehen zu werden. Das aber ging nicht, am nächsten aber kam dem noch der Rücken … Sie wollte da sein für ihn, ohne selbst noch zu sein. Das stimmte natürlich nicht, es war übertrieben und falsch. Sie hatte das Gefühl, ihm Gutes tun zu wollen mit jeder Faser ihrer Haut, aber ihm Gutes nur tun zu können, wenn sie selbst dabei verschwände. Nichts als ihre Hände dürften sein; mit ihnen tat sie Gutes, als hätte es ihren Kopf nicht und nie eine Verletzung an ihrem Körper gegeben. Bei all dem waren es liebende Hände geblieben. Sie wollte nichts als diese Hände sein, für nichts als diesen Rücken.

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Kommentare zu diesem Text

Trainee (71)
(05.03.19)
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 fritz meinte dazu am 05.03.19:
Danke!
Ich hoffe, der 'schöne' Zug des Textes kommt auch ein wenig zum Ausdruck. Vor allem der letzte Satz

"Sie wollte nichts als diese Hände sein, für nichts als diesen Rücken"

geht in diese Richtung (auch wenn er natürlich zugleich die Unmöglichkeit dessen, was da gewollt wird, verbildlicht).
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