Der Mann aus dem Kellerloch muss ein furchtbares Geständnis machen

Erzählung zum Thema Gesellschaftskritik

von  toltec-head

Als ich sagte, ich sei ein kleiner, bösartiger Beamter gewesen, habe ich aus Bösartigkeit vorhin gelogen. Letztlich habe ich es zu gar nichts gebracht, nicht einmal zu einer richtigen Bösartigkeit. Ich glaube, es ist diese Impotenz zum Bösen, die mich letztlich krank gemacht hat. Die Bocksprämien-Jäger, egal ob jetzt alleinerziehende ALDI-Kassiererinnen oder grünfaschistische Oberstudienräte, waren letztlich bösartiger als ich kleiner, kinderloser Stechkarten-Stecher, dem die bloße Einbildung erlaubt war, er spiele mit ihnen, damit er halbwegs, solala, nicht richtig aber doch immerhin funktionierte. Mein AIDS hat sicherlich mehr mit dieser meiner Situation im Job als mit meiner - dazu mehr in einer Sekunde -  Sexualität zu tun. So sehe ich das, auf jeden Fall. Ich schätze mal die Onkel Doktoren und die Pharmaindustrie sehen das anders. HIV als sexuell übertragbare Krankheit und nicht als Angestellten-Status.  Aber das ist mir egal.  Mein Job, also der Erlass von Kindergeldbescheiden, seht ihr, war wirklich derart totsterbenslangweilig, dass ich hätte schwul oder pädo oder sonstwie ganz furchtbar pervers hätten werden müssen, um ihn länger als überhaupt nur 3 Tage auszuhalten.

Ich muss jetzt ein furchtbares Geständnis ablegen, ich bin gar nicht schwul. Ich bin in Wirklichkeit ein ganz normaler, doofer Hetero, der sich in seinem Job derart langweilte, dass ihm eines Tages beim Abstauben von Akten die Idee kam, oder besser: auf den die Idee kam, es könnte hetero, ja wahnsinnig hetero sein, sich doch mal in den Arsch ficken zu lassen. Vor allem könne es praktischer sein, wenn ich meine ganz normale, doofe Heterosexualität ausleben wollte, mich quasi als Frau von einem Mann ficken zu lassen, als die Unbequemlichkeit auf mich zu nehmen, eine Frau zu finden, die sich dann auch noch von mir ficken ließe. Ich weiß nicht, ob ich es schon erwähnte, aber ich bin schüchtern. Um einen Mann zu finden, wenn man Mitte 20, nicht dick ist und auf eine sehr nerdyhafte Weise wohl nicht einmal ganz schlecht aussieht, der einen fickt, muss man nicht sehr sprachgewandt sein. Das hat mich dann also schwul gemacht, wenn man es denn als schwul bezeichnen könnte. In Wirklichkeit ist es aber eben nicht einmal richtig schwul, sondern... Ich weiß nicht.

Ich würde in Hündchenstellung auf einem fremden Bett kauern, während ich auf einem Tablet mir einen Hetero-Porno, vorzugsweise aber nur mit Lesben, anschaute und ein Mann, vorzugsweise älter als ich, würde mich von hinten sehr hart in den Arsch ficken. Als ich es das erste Mal machte, fühlte ich mich der von mir doch heiß ersehnten Heterosexualität so nah, wie ich es in meinem Leben zuvor noch nie getan hatte. Also, es hatte da zuvor schon die ein oder andere Frau bei mir gegeben. So ist es nicht. Aber, ich weiß nicht, ob es heißt, das Wortspiel jetzt zu weit zu treiben, aber mit den 1, 2 Frauen, die es da in meinem Leben gegeben hatte, war - jedenfalls im Bett - immer irgendwas schwul gewesen. Genug, dieser kleine technische Trick mit dem Lesbenporno vor meiner Nase und dem fremden Schwanz im Arsch, hatte sich heterosexueller angefühlt, als jegliche Form von Heterosexualität, die ich bis dahin erlebt hatte. Und aus dem einen Mal wurden dann sehr schnell 5 Jahre, in denen ich es praktisch jeden Abend nach der Arbeit so machte; dem Internet sei dank. Irgendwann kam noch Poppers hinzu. Das war´s.

Ich sehe jetzt irgendeine bösartige Transe vor mir, die Professorin für Gender-Gaga in Tübingen oder sonstwo ist, die, während sie sich ein Ohrenhaar ausreißt, 9xklug behauptet, ich sei nur ein verklemmter ganz normaler Schwuler gewesen, der das Heteroporno-Zeugs lediglich als Vorwand gebraucht hätte, seine Queerness oder irgendeinen anderen Scheiß aus ihren Lehrbüchern auszuleben. Aber das ist mir egal. Für mich war es eine sehr, sehr heterosexuelle Form meine Heterosexualität auszuleben und nichts sonst, auch wenn es schlußletztendlich dazu führte, dass ich nicht nur nicht richtig schwul geworden bin, sondern auch nicht richtig bi oder hetero (mittlerweile habe ich, wie gesagt, schon lange gar keinen richtigen Sex mehr). Von meiner "Anführungzeichen auf " sexuellen Identität "Anführungzeichen zu" zu sprechen wenn ich nur mit einer, vorzugsweise aber mehreren Fotzen vor meiner Nase und einem Schwanz - ab und zu, wenn es gut lief,  aber auch schon mal mehreren Schwänzen im Arsch - abspritzen konnte, käme mir ehrlich gesagt komisch vor. Aber wie gesagt, Frau Professorin Gender-Gaga darf natürlich denken, was sie will, und meinetwegen dabei genüsslich auf ihrem Dildo rumrutschen. Hauptsache, dass es für mich funktioniert hat. Naja, sagen wir, dass es für mich funktioniert hat - bis es eines Tages dann für mich auf einmal nicht mehr funktioniert hat.

Ach ja:
Irgendwann kam noch Poppers hinzu. Das war´s.
Stimmt nicht ganz. Das Ding ist, dass irgendwann, also so nach einem Jahr, auch die Kondome wegblieben. Ich sehe die Onkel Doktoren und die Pharmaindustrie ihren Finger heben: Deine Schuld! Für mich aber ist, ich erwähnte es schon, AIDS ein Angestellten-Status, ich komme vielleicht noch einmal darauf zurück. Vielleicht aber auch nicht. Hier jetzt ein für alle mal was ganz grundsätzliches: Theorien, meine oder die anderer, sind mir ganz grundsätzlich egal, Punkt.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (17.03.19)
"Hauptsache, dass es für mich funktioniert hat. Naja, sagen wir, dass es für mich funktioniert hat - bis es eines Tages dann für mich auf einmal nicht mehr funktioniert hat."

Die Formulierung gefällt. Äußerst nah an wörtlicher Rede.

Der Text sonst ist relativ unterhaltsam in seiner bekenntnishaften Art, doch das selbstbezogene Thema wirkt auf mich in negativem Sinn zu autistisch. Denn für mich ist es irrelevant, welche Sexualität eine mir fremde Person auslebt, es sei denn, sie schriebe darüber wesentlich besser. Als Gegenbeispiel lese ich sehr gern Harold Brodkeys Romane und Erzählungen, obwohl nahezu dieselben Kriterien bis auf seinen Stil auch auf seine Bücher zutreffen.

Dass der Protagonist eine schonungslose und ungeschönte Selbstdarstellung betreibt, gefällt mir.

Kommentar geändert am 17.03.2019 um 12:13 Uhr

 toltec-head meinte dazu am 17.03.19:
Ich denke, du bist, was Leben und Literatur angeht, ein hoffnungsloser Fall, Dieter. Viel Spaß noch beim Lesen.

 Dieter Wal antwortete darauf am 17.03.19:
Befürchtete, dass du wie niemand reagierst, weil dich dein Schreiben nicht wirklich interessiert und du nichts lernen willst. Darum nur kurz: Der Unterschied zu diesem Text und Brodkeys besteht darin, dass er durchaus auch viel über sich und seine Sexualität schreibt, aber nicht ausschließlich, sondern ein breites gesellschaftliches Panorama bietet und zahlreiche äußerst vital wirkende Figuren schildert (1A Stilist). Da ist bei dir wenig. Der allergrößte Unterschied besteht jedoch in seiner Art der Selbstdarstellung. Denn er wirkt auf Leser suchterzeugend. Der (eher männliche?) Leser will mehr über diesen sprachgewandten und hochintelligenten Autor als Person durch Lektüre erfahren, denn er bietet sich als Identitkationsfigur.

 toltec-head schrieb daraufhin am 17.03.19:
Sprachgewandt und überdurchschnittlich intelligent bist du doch selber, also müsstest du dir doch sagen können, dass das gar nicht bringt. Davon abgesehen ist Brodkey nach allgemeinem heutigen Verständnis wirklich drittklassig. Ich denke, dein Vergnügen aus der Lektüre rührt letztlich daher, dass du selbst sicherlich nicht an AIDS sterben wirst, sondern an was anderem.

 Dieter Wal äußerte darauf am 17.03.19:
Tipp: Erst "Bluff your Way in the Occult" von Alexander C Rae bitte im Original lesen, sehr witzig, dann eine Version auf Deutsch schreiben. Titel: Tricks als "Literat".
Nadel (31)
(17.03.19)
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 toltec-head ergänzte dazu am 17.03.19:
Wieso? Autor einfach bei Google-Bilder eingeben.
Nadel (31) meinte dazu am 17.03.19:
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 toltec-head meinte dazu am 17.03.19:
Naddel?
Nadel (31) meinte dazu am 17.03.19:
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 toltec-head meinte dazu am 18.03.19:
Ach, Dieter.
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