In mir, alles in mir

Skizze zum Thema Wandel

von  rebell91

Mit fünfzehn schrieb ich alles ungefiltert aus meinem Kopf heraus. Rechtschreibfehler auszubessern hielt ich für Zeitverschwendung, solange mir ein Text als lesbar erschien. Heute denke ich  zu viel nach. Als hätte sich das Alter mit seinen Enttäuschungen und Zukunftssorgen dort als schleimige Masse angesetzt, wo früher alles ungehindert hindurchfließen konnte. Wie kann man sich nur so sehr aus den Augen verlieren, frage ich mich. Und wie kann man sich überhaupt so fremd werden. Trotzdem bin ich mir gleichgeblieben. Erkenne mich selbst wie meine eigene kleine Schwester in mir. Und glaube, dass es so bleiben wird. Dass ich immer wieder fünfzehn bin. Obwohl ich heute weiß, dass so viel mehr und so viel weniger möglich ist, als ich jemals dachte. Und dass es in mir, alles in mir ist.

Mit sieben dachte ich, ich könne dem Wind befehlen, die Richtung zu ändern, wenn ich mich nur genug anstrengte. Ich war mir sicher, dass meine verstorbene Urgroßmutter mit Hilfe von Kirschblüten mit mir sprach. Und ich konnte schneller rennen als die meisten Jungen in meiner Klasse. Wie kann man sich so fremd werden, frage ich mich. Und trotzdem bin ich mir gleichgeblieben. Erkenne mich selbst wie meine eigene kleine Schwester in mir. Und glaube, dass es so bleiben wird. Dass ich immer wieder sieben bin. Obwohl ich heute weiß, dass so viel mehr und so viel weniger möglich ist, als ich damals dachte. Und dass es in mir, alles in mir ist.

Mit einundzwanzig war ich mir nicht sicher, wie nah man sich kommen durfte, ohne sich in einem anderen Menschen zu verlieren. Ich spürte einen Atem im Nacken und einen anderen an der Stirn. Schmeckte Limettensaft auf den weichen Lippen eines dunkelhaarigen Mädchens, das mich durch die Menge zog. Und glaube, dass es so bleiben wird. Dass ich immer wieder einundzwanzig bin. Obwohl ich heute weiß, dass so viel mehr und so viel weniger möglich ist, als ich jemals dachte. Dass es in mir, alles in mir ist.

Und weiß, dass so viel mehr und so viel weniger möglich sein wird.
Und weiß, dass es in mir, alles in mir ist.
Und weiß,
Und –


Anmerkung von rebell91:

Mein fünfzehnjähriges Ich ist hier überall. Manchmal komme ich es besuchen.

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Kommentare zu diesem Text


 princess (04.04.19)
Wie pointiert du hier eine Entwicklung nachzeichnest, die mir (und wahrscheinlich vielen anderen) aus eigenem Erleben so vertraut ist. Mag ich! Fortsetzung folgt?

Liebe Grüße
Ira

 rebell91 meinte dazu am 04.04.19:
Danke, Ira!
Ich bin noch unschlüssig. Vielleicht!
Liebe Grüße
Sätzer (77)
(04.04.19)
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 rebell91 antwortete darauf am 04.04.19:
Das sehe ich genau wie du, Sätzer.
Stimulus (54)
(04.04.19)
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Paulila (55) schrieb daraufhin am 04.04.19:
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 rebell91 äußerte darauf am 04.04.19:
Danke, Stimulus.
Danke, Paulila.
Da der Text so sehr wie fast kein anderer meiner Texte für dieses Forum steht und daran anknüpft, ist mir die verdrehte Chronologie so wichtig, dass ich sie nicht ändern möchte. Auch den vierten Absatz behalte ich erst einmal gerne.
Aber ja, die Anmerkung überkam mich. Sie wirkt beim zweiten Lesen tatsächlich nicht mehr so wichtig, wie ich zuerst dachte.
Merci!*
aliceandthebutterfly (36)
(04.04.19)
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 rebell91 ergänzte dazu am 04.04.19:
Danke, Stefanie!
Ich glaube, dass sich auch der Kern verändert. Dass er vielleicht vielschichtiger wird oder sich in Form oder Nuancen wandelt. Aber ich denke wie du, dass alle unsere vergangenen Ichs in uns immer lebendig bleiben können.
Liebe Grüße!
aliceandthebutterfly (36) meinte dazu am 05.04.19:
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 Terminator (05.05.21)
Dein bester aber leider bislang letzter Text.

 Dieter_Rotmund (25.01.24, 14:20)
Den Schluss finde ich arg pathetisch, ansonsten gerne gelesen.
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