Mt. Yasur

Kurzgeschichte zum Thema Abenteuer

von  Hartmut

Die Reise um den halben Erdball war lange vorher schon geplant. Es war sein Wunsch, für seine Frau war das Ziel zu weit, zu fremd und auch zu gefährlich. Schließlich willigte sie ein. Nein, keine Ehekrise. Die Liebe verliert sich aber oft im Alltag, und man findet sie wieder auf einer großen Reise. Zwei Wochen vor dem Abflugtermin ist er dann doch noch fremd gegangen.
Die Besteigung des Mt. Yasur, ein Berg von nur 500 Metern Höhe, sollte der Höhepunkt der Reise sein. Gelegen auf einer Insel mitten in der Südsee, kein Traum, wenn man die Armut der Bevölkerung mit einbezieht. Mt. Yasur ist ein ständig aktiver Vulkan. Der Aufstieg begann am frühen Abend. Oben am Kraterrand angekommen sieht man unten die rot glühende Lava. Manchmal spuckt er Brocken gegen den dunklen Himmel, manchmal pausiert er, um dann umso heftiger zu eruptieren.

Der erste Sex fand an einem Nachmittag in ihrer Wohnung statt. Sie wollte es, sie wollte ihn. Die Verführung war  schon lange vorher  geplant.  Man kannte sich, so wie man eben Kollegen  kennt.
Beim zweiten Mal rief er sie zu Hause an. Sie lächelte, das Lächeln einer Frau, die  sicher ist, dass er anrufen würde. Nein, es gehe heute nicht, die Tochter hat sich angemeldet, nur für diesen Abend. Zwei Tage später klingelt er, sie macht die Tür auf und schlingt ihre Arme um seinen Hals, die Geste einer Liebenden. Sie holt eine Flasche Prosecco aus dem Kühlschrank, lächelt, lacht, sprich, hört ihm zu. Sein Herz schlägt wieder so laut wie beim ersten Mal.

Die Eruptionen werden stärker. Die glühenden Lavabrocken schlagen nun auch außerhalb des  Kraterrands auf, rollen den Berg hinunter. Sein Herz beginnt heftig zu schlagen. „Es wird  höchste Zeit, wir müssen runter“, ruft er ihr zu. „Du wolltest es“, sagt sie anklagend, „es ist dein Abenteuer, nicht meins.“
Er hatte es gesucht. Jetzt war es da.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram