Zimmer Sieben

Kurzgedicht zum Thema Leben/Tod

von  AchterZwerg

Verpuppt im Mull –
Darunter west das Fleisch
und schillert, schmerzt und schrumpft

Kopf ohne Leib

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Moja (27.05.19)
Hallo, AchterZerg,

wer wirft diesen kalten Blick ins Zimmer? Bestandsaufnahme, unpersönlich, lässt mich sprachlos zurück wie im wirklichen Krankenzimmer, wenn man nichts mehr tun kann für jemand - oder vielleicht doch?

Gruß, Moja

 AchterZwerg meinte dazu am 28.05.19:
Liebe Moja,
es freue mich (und das wird dich jetzt vielleicht wundern), dass du die Kälte des Gedichts nachempfindest.
Hier geht es um schnörkelloses Sterben, jenseits aller romantischen Vorstellungen. - Um einen Tod, wie er mittlerweile von vielen erlebt werden muss. In irgendeinem Krankenhaus, vergessen und namenlos.
Zimmer sieben eben.

Herzliche Grüße
der8.

 Irma (27.05.19)
Ein Patient, der im Sterben liegt. Lässt sich vielleicht auch im übertragenen Sinne deuten. Die Mumie, „verpuppt im Mull“ (hier klingt sicher nicht unbeabsichtigt der Müll an), ist Geist ohne Körper. Arme und Beine sind nicht mehr handlungsfähig, fest umschnürt. Der Körper verfault. Eine Idee, die zugrunde geht? Der Titel lässt mich an die sieben Kontinente denken und damit an das in sich zerfallende Europa als einen von ihnen. LG Irma

 AchterZwerg antwortete darauf am 28.05.19:
Liebe Irma,

vielen Dank für deinen spannenden Kommentar. Ich finde es erstaunlich, was du aus diesem Kurzgedicht für Deutungsmöglichkeiten herausholst.
Insbesondere der Europa-Gedanke gefällt mir natürlich, ist der in sich doch durchaus schlüssig.
Gleichwohl trifft Teil 1 deines Kommentars meine Intention besser, was aber selbstredend nur ein geringe Rolle spielt.
Es geht mir um das einsame Sterben, beleuchtet von Neonlicht, unpersönlich und kalt.
Leider haben nur noch wenige das Glück, einen so schönen Tod zu "erleben" wie beispielsweise Ernst Bloch, im Kreise seiner Familie und Freunde.
Mit vielen anderen stirbt das, was einst ihr Leben ausmachte, gleichsam vor sich hin. Selbst der Name.

Herzliche Grüße
der8.

 monalisa (28.05.19)
Hallo 8.,
erst nach wiederholtem Lesen habe ich endlich registriert, dass es nicht verpuppt im 'Müll', sondern im 'Mull' heißt, so habe ich auch erst an unseren Planeten als 'Patienten' gedacht, so elegant wie Irma konnte ich den Titel dann nicht unterbringen, wodurch mir schließlich doch die Augen aufgegangen sind 😉!
Die Alliteration von dem erst schrillen 'schillert', dem gemäßigten 'schmerzt' und schließlich dumpfen 'schrumpft' finde ich sehr gelungen, wie sie einen Verlauf abbildet, sozusagen vom Aufschrei bis zum Verstummen.

Lieben Gruß
mona

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 28.05.19:
Liebe Monalisa,
schön, dass du mich wieder einmal besuchst! :)

Im Gedicht ist die Assoziaton zum "Müll" durchaus erwünscht. - Warum sollte es den Menschen einer Wegwerfgesellschaft anders egehen als ihren Waren, die den gewünschten Zweck halbwegs efüllt haben und entsorgt werden müssen?

Die Zustimmung zur gewählten Form freut mich natürlich.

Herzliche Grüße
der8

 TassoTuwas (28.05.19)
Hallo 8ter,
bitterer Volltreffer!
Die garantierte "Würde des Menschen" ist manchmal nicht auszuhalten.
Liebe Grüße
TT

 AchterZwerg äußerte darauf am 28.05.19:
Wem sagst du das.
Ich war mal in einem Krankenhaus meiner Gegend, da hatten die Schwestern vergessen, die Tür zum "Sterbesaal" zu schließen.
Dort lagen sie , Bett an Bett und doch jeder ganz für sich allein, rasselnd, mit ihren offenen Mündern ... ein Anblick, den ich über all die Jahre nicht vergessen konnte.

Liebe Grüße
und vielen Dank

der8.

 AvaLiam (07.10.19)
Meine Tochter arbeitet im Krankenhaus als Krankenschwester, auch mit Palliativpatienten.

Was dort abgeht - die gesamten Zustände - sind unerträglich, sowohl für die Patienten als auch für das Personal.

Dieses dunkle, leicht übel riechende Bild von dir 8. ist noch sehr human und rücksichtsvoll dokumentiert.

Auch an dieser Stelle bitte ich zu entschuldigen, dass ich mir ein "gefällt mir" verkneife in Rücksichtnahme auf den emotionalen Beigeschmack den es hätte.

andächtig - Ava

 AchterZwerg ergänzte dazu am 08.10.19:
Liebe Ava,
ein solches Ende ist nicht wünschenswert - und trifft doch viele.
Die "bessere" Lösung ist sicherlich ein Hospiz, davon gibt es jedoch viel zu wenige.
Deiner Tochter wünsche ich Kraft und Durchhaltevermögen für ihren anstrengenden und schlecht entlohnten Beruf.

Eigenartig, dass im vermeintlich reichen Deutschland, diejenigen am unangemessensten bezahlt werden, die am meisten für die Gesellschaft tun ...

Herzliche Grüße
der8.

 harzgebirgler (09.03.21)
verwesliches gehört unter die erde
damit es nicht zum ansteckungsherd werde
vor allem in pandemischen zeiten
mit durchaus manchen kopflosigkeiten.

lg
harzgebirgler

 AchterZwerg meinte dazu am 09.03.21:
Fehlt es der Leiche erst am Kopf,
dann stahl den wohl ein Googlehopf!

Der8.stellt sich freiwillig in die Ecke
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram