Kugelvampire III

Erzählung zum Thema Vampire

von  Sanchina

Die rollenden Ungeheuer hatten sich im ganzen Garten verteilt. Olaf vertrieb sie tatsächlich mit seinem klein gewürfelten Knoblauch! Nur eines der Monster erstach er mit der Harke und warf es in einen Eimer, um es später zu sezieren. Olaf war wissbegierig und richtig gut in Biologie. Also zogen wir uns in den Schuppen zurück und machten uns an die Arbeit. Olaf zog dem Untier erst einmal das dicke Fell über die nicht vorhandenen Ohren. Ein winziges nacktes Körperchen kam zum Vorschein, welches einer beinlosen toten Ratte glich. Dieses schlitzte Olaf mit seinem Pfadfindermesser auf. Im Innern des Körpers war weder Blut, noch sahen wir Organe, wie sie Lebewesen haben, sondern ein Knäuel von kabelartigen Strippen, die vielleicht Gedärm sein konnten. „Das ist kein richtiges Lebewesen“, stellte Olaf fachmännisch fest, „das sind doch Elektrokabel. Irgendwo muss eine Batterie sein.“ Während Olaf nach der Energiequelle suchte, überlegte ich laut, ob es sich vielleicht um Produkte einer Forschung handeln könnte, die außer Kontrolle geraten war. Wie recht ich mit dieser Vermutung hatte, stellte sich erst später heraus. Zunächst wurde mir nur klar, warum Levi an diesem Fraß gestorben war. „Olaf, das müssen wir öffentlich machen. Am besten, wir gehen zur Polizei“, sagte ich, „dafür brauchen wir aber ein lebendiges Exemplar.“ Olaf korrigierte mich sofort: „die sind nicht lebendig, die funktionieren bloß.“ Anderntags schwänzte er die Schule, um mit mir auf Monsterfang zu gehen.

Schon drei Tage später berichteten die Medien. Zahlreiche Leute, welche die Chimären ebenfalls gesichtet hatten, meldeten sich und beschrieben die Phantome als viel größer oder kleiner, teils fliegend, schwimmend und sogar auf Pferden reitend. Das Exemplar, das wir lebend – oder funktionierend – eingefangen hatten, wurde im Zoo ausgestellt. Doch nach zwei Wochen lag es in seinem Käfig und rührte sich nicht mehr. Der Zoodirektor musste sich rechtfertigen und gab an, das Wesen habe in Gefangenschaft nicht gefressen, was immer man ihm angeboten habe. Olaf widersprach: es bräuchte lediglich eine neue Batterie, behauptete er. Diese setzte er ihm eigenhändig ein und siehe da: das Ding bewegte sich wieder. Fast auf der Stelle belagerten Scharen von Journalisten unser Dorf. Olaf war der Held dieser Tage. Vor der Kamera nannte er die Wesen „Kugelvampire“, weil sie auf den Knoblauch reagiert hatten. Diese Bezeichnung setzte sich sofort durch. Fortan wurden die merkwürdigen Wesen nur noch Kugelvampire genannt und jeder wusste, wer oder was gemeint war.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (23.06.19)
Eine Art Bodendrohne, von einem Technikvampir erfunden.

 Moja (23.06.19)
Gefällt mir gut, witzige Idee, flott geschrieben! Ich schaue jetzt mal im Garten nach, ob ich auch so ein Viech finde...

Heitere Grüße, Moja

 EkkehartMittelberg (23.06.19)
hallo Sanchina, es ist typisch, dass die Fantasie mit den Leuten durchgeht, die die Chimären ebenfalls gesichtet hatten.
LG
Ekki
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