Ein Abzug

Gedankengedicht zum Thema Alter

von  AchterZwerg

Schon  naht sich die Zeit
in der du dich kaum mehr erkennen magst
zu kläglich gerät dir das Lächeln

Sie schmeichelt nicht länger:
Setz du dich zu mir, nimm Wein und Oliven
zehre vom Herzen, doch gib auch dem Fremden
dem Kind, das du warst, dem Kind, das du bist
im Paperback deiner Lektüre

All dieses träg  übersehene Glück
gebannt in den Fotos, Gedichten und Briefen

Ich bin noch bei Trost, nur die Haut schält sich ab

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Kommentare zu diesem Text

Jo-W. (83)
(10.07.19)
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 AchterZwerg meinte dazu am 10.07.19:
Ja, lieber Jo,
Häutungen gibt es viele im Leben. Man muss sie nur zulassen.
Ich bin eh der Meinung, dass sich jeder von uns in jedem Alter und an jedem Tag neu erfinden kann.
Herzliche Grüße
der8.
Agneta (62)
(10.07.19)
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 AchterZwerg antwortete darauf am 10.07.19:
Liebe Agneta,
in Bezug auf das sog. innere Kind gebe ich dir Recht.
Wenn ich mir jedoch alte Fotos und mein trotzig-traumverlorenes Gesicht anschaue, ist es manchmal so als hätte ich ein fremdes Wesen zurückgelassen und wäre allein weitergezogen.

Herzlichst
der8.

 Willibald (10.07.19)
let's go back in time a bit, in papers and music and movies:

 Back in Time/Back to the Future

Allein schon das verdeckte Semantikspiel mit "Paper-Back", hach!

beeindruckt und wehmütig und heiter
ww

 AchterZwerg schrieb daraufhin am 10.07.19:
Schon klar, dass du dir das sofort herausgepickt hast. :)
Auf diese Stelle bin ich selbst ein wenig stolz ...

Und lieben Dank für den wunderherrlichen Clip. Und den göttergleichen Gitarristen. Und was ich dir noch dringend mitteilen möchte: In meinem Leben haben Musiker eine tragende Rolle gespielt - nicht mmer ein kluge Entscheidung *hüstel), - aber schee!
Sätzer (77)
(10.07.19)
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 AchterZwerg äußerte darauf am 10.07.19:
Lieber Sätzer,
ja das ist schon tröstlich.
An mir nagen die Zeichen der Zeit noch recht verhalten. Deshalb fürchte ich jeden Tag, dass meine ureigene Alterei - von 0 auf 100 - also ganz plötzlich von einem Tag auf den anderen vonstatten geht.

Bange Gruselgrüße
der8.
Kreuzberch† (66)
(10.07.19)
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 AchterZwerg ergänzte dazu am 10.07.19:
Lieber Stefan,
nebenher läuft "Phönix", Edition Heidrun *stolzmalguck), und schmiegt sich in das Gedicht und in deinen Kommentar.
Danke schön. :)
Der8.

 TassoTuwas (10.07.19)
Hallo 8ter,
so ist es, die Zeit ist ehrlich, also unerbittlich!
Trotzdem muss ich dir Essig in den Äppelwoi schütten, sie wären noch bei Trost, behaupten besonders hartnäckig die ganz Tüddeligen

Liebe Grüße
TT

 AchterZwerg meinte dazu am 10.07.19:
Ich muss doch sehr bitten, Tasso,
wer Overstolz statt Laufsport bevorzugt, muss sich nicht wundern, dass sich die Birne langsam selbst eintütet.
Na ja, allzuviel hab' ich früher (!) selbst nicht ausgelassen ...

Verschämte Grüße
der8.

 EkkehartMittelberg (10.07.19)
Hallo Zwerg der Achtsamkeit,
die Distanz zu den strahlenden Bildern der Jugend ist groß.. Es lohnt sich dennoch, sich des "träge übersehenen Glücks" zu erinnern. Manchmal leuchtet auch heute noch ein Abglanz davon.
Servus
Ekki

 AchterZwerg meinte dazu am 10.07.19:
Lieber Ekki,
ich bin keineswegs unglücklich, finde meine Freude aber in anderen Verhaltensweisen als früher. Nicht im rauschhaften Lebensverlangen, eher im Erkennen und Gestalten.
Und in der Ruhe. In der Abwesenheit von Überflüssigem.

Herzliche Grüße
der8.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.07.19:
"wo alles sich durch Glück beweist
und tauscht den Blick und tauscht die Ringe,
im Weingenuss, im Rausch der Dinge,
dienst du dem Gegenglück, dem Geist."

Du weißt schon, wer das gesagt hat.

 AchterZwerg meinte dazu am 11.07.19:
Ja.
Benn hat "Einsamer nie" 1936 geschrieben.
Einer der ganz großen Dichter. - Zur Tagespolitik hätte er sich allerdings besser überhaupt nicht äußern sollen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang für mich, dass die Zeit von 1918 bis ca. 1936 in der Literatuwissenschaft bis in die 70er Jahre weitgehend ausgespart bleibt. Eine Aufarbeitung (und Würdigung!) also erst stark verspätet in Gang kommt ...
Bis auf ein paar Olympioniken (Thomas Mann, Hesse, Kafka und Musil). Nicht, dass die es nicht verdient hätten [bei Hesse bin ich mir nicht ganz sicher].
Aber: Was erzähle ich dir da. Du kennst dich damit sicherlich viel besser aus als ich.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.07.19:
Ja, es war nicht nur die Zeit von 1918-1936, die die Literaturwissenschaft lange ausgespart hat. Sie fürchtete überhaupt Untersuchungen, die ihre Methoden auf den Prüfstand stellten. Ich hatte eine Zusage, über Methodenwandel in der Literaturwissenschaft promovieren zu dürfen. Als es ernst wurde, kriegte der Korreferent kalte Füße und bemerkte, man könne über ein solches Thema erst mit Sachverstand schreiben, wenn man emeritiert sei. Für die Germanistik war es damals ein Segen, dass die Neue Linke frischen Wind unter die Talare ihrer bis dahin meistens erzkonservativen Professoren blies.

 Momo (10.07.19)
Je älter man wird, desto mehr muss abgezogen werden von dem Bonus, den man einmal hatte, zeitlich wird es enger, auf der anderen Seite hat man sich vielleicht mehr Platz geschaffen.

Der frühere Überfluss wird deutlich „gib auch dem Fremden …“, hier weiß ich nicht, ob dieses Fremde auf das Kind bezogen ist, also das Kind, das einem fremd geworden ist, zu dem man keine Verbindung mehr hat oder das Fremde schlechthin gemeint ist.
Dann die trostreiche Zweideutigkeit am Schluss – es ist alles nur äußerlich. ;)

Liebe Grüße
Momo

 AchterZwerg meinte dazu am 11.07.19:
Liebe Momo,
die Sache mit dem Bonus hast du wunderbar herausgearbeitet. :)
Und auch die Mehrdeutigkeit des "Fremden."
Das "Fremde" (an sich) löst bekanntlich erst einmal Furcht aus. Ein Prozess, der sich im Alter mit Sicherheit verstärkt. Es sind eher gewohnte Bahnen, auf denen Sicherheit und Wohlbefinden empfunden wird.
Aber wie bereits erwähnt: Es gibt für jeden die Möglichkeit, sein Leben immer wieder neu zu überdenken. Und ggfs. zu ändern. Wenn der Allgemeinzustand dies zulässt, selbstverständlich.

Vielen Dank für diesen bildschönen Kommentar! :)

Der8.

 TrekanBelluvitsh (11.07.19)
Es soll tatsächlich Leute geben, die glauben, dass das Leben mit jedem Jahr besser wird.

 AchterZwerg meinte dazu am 11.07.19:
In gewisser Weise kann das durchaus zutreffen.
Das Ausmaß an Freiheit nimmt zu - gerade auch bei Frauen.

Liebe Grüße
Der8.

 AvaLiam (05.08.19)
jaja - das Alter...

es gibt Menschen - die werden alt - und es gibt Menschen - die werden weise... oder wie war das?

Ich kenne 80+ die sind so locker, weltoffen, geistig fit und gesprächsbereit, neugierig und saugen alles in sich auf was sie von dieser Welt noch haben können und was ihnen körperlich/gesundheitlich auch noch möglich ist sowie ich 60/65 Jährige kenne die einfach alt, stumpf, interessenlos, müde und leer sind.

Sicher mag das auch am Lebensverlauf liegen. Doch man hat es selbst schon gut in der Hand, was man am Ende daraus macht.

Vielleicht schaffen deine Zeilen die ein oder andere kleine Reise und verjüngen die ein oder andere persönliche Einstellung zum Alter ein wenig .

Gefallen haben sie mir sehr.

lG - Ava

 AchterZwerg meinte dazu am 05.08.19:
Hallo Ava,
vielen Dank für deinen klugen Kommentar. :)
Und, ja,, dem:

"... sicher mag das auch am Lebensverlauf liegen. Doch man hat es selbst schon gut in der Hand, was man am Ende daraus macht. "

stimme ich zu. - Leute, die sich gern und hinreichend bewegen und vielleicht nicht mehr ganz so extrem sumpfen wie in früheren Jahren, sind oft in sehr guter Verfassung (Kranke natürlich ausgenommen).
Ich mache mir manchmal den (leicht boshaften) "Spaß", Walkergruppen im Dauerlauf lässig zu überholen.
Na ja, ganz so lässig dann auch nicht, aber das merken die nicht ..

Liebe Grüße
der8.
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