Traum? Kapitel 11

Kurzgeschichte zum Thema Meer

von  Manzanita

Eigentlich, wäre jetzt diese Geschichte zu Ende.

Ist sie aber nicht. Und das ist das Problem. Es geht immer weiter. Ich bin noch nicht gestorben. Ich bin noch hier. Dabei wird nichts mehr passieren. Wenn ich mir jemals ein Tagebuch angeschafft hätte, wäre es hier zu Ende. Ich wüsste nicht mehr, was ich hineinschreiben sollte. Das Papier wäre nutzlos. Ich habe nichts mehr, was drauf kann. Und sowieso habe ich keinen Stift.

Es ist eine sinnlose Situation. Ich will etwas tun, nur weiß ich nicht was, und ich kann letzten Endes sowieso nichts tun. Nur warten. Ich kann warten. Aber wenn ich warte, worauf. Ich warte auf etwas. Ich warte auf ein Ereignis. Aber es gibt kein Ereignis. Es gibt nur einen großen Fehler und mich, das Opfer. Der große Fehler, dass die Geschichte noch nicht zu Ende ist. Irgendwann muss alles zu Ende sein. Irgendwann gibt es mich nicht mehr. Aber jetzt gibt es mich. Ich bin hier. Ich denke. Ich bin echt! Ich bin noch nicht zu Ende!

Ich bin.

Nur was? Was bin ich wirklich? Bin ich überhaupt echt? Oder bin ich bloß etwas, was ich mir selber ausgedacht habe? Nein, ich bin nicht von mir selber erfunden worden, denn dann gäbe es mich ja. Aber, hat mich vielleicht jemand anders erfunden? Bin ich vielleicht fiktiv? Bin ich in einem Spiel? Bin ich ein Programmfehler, weil ich noch nicht tot bin? Sollte mich eigentlich längst ein Spieler erschossen haben? Wahrscheinlich funktioniert der „Game over“ Schriftzug nicht richtig.

Wahrscheinlich bin ich nicht.

Hoffentlich träume ich. Aber das stimmt wahrscheinlich nicht. Das einzige was stimmt, ist, dass das, was ich bin oder das, wo ich drin bin, schon längst zu Ende sein sollte. Aber eben noch nicht zu Ende ist.

Bestimmt bin ich das Produkt eines Jugendlichen, der gerade mitten im Unterricht ein verrücktes Spiel auf seinem Handy zockt, und dabei von seinem Lehrer erwischt wird. Sein Spieler wird dann im Stich gelassen, weil der Lehrer das Handy wegnimmt und ins Sekretariat bringt, wo es die Eltern des Jugendlichen ein paar Tage später abholen können. Ein paar Tage später. Ein paar Tage, die ich hier warten darf, ohne irgendeine Beschäftigung, weil bisher noch kein Programmierer daran gedacht hat, was die Spieler machen, während sie nicht gespielt werden.

Bin ich, wenn ich nichts mache? Nein, ich bin nicht, ich bin nur da.

Ich werde immer da sein, wenn ich selbst nicht für das Gegenteil sorge. Wenn ich nicht sterbe. Wenn ich nicht Selbstmord begehe. Aber das ist doch eigentlich genau das, was ich gerade getan habe, oder? Ich habe alles gestoppt, was noch weiterging, außer mich. Ich bin noch hier, ich bin noch nicht woanders. Ich bin weder im Himmel, noch nirgends. Ich bin noch hier. Aber alleine. Ich, ein fiktiver Spieler in einem Server, bin alleine. Ich weiß nicht ,was ich noch außer „Game over!“ sagen soll. Dabei ist auch das nutzlos, mir hört ja niemand zu.

Alleine. Noch bin ich alleine. Dieses Spiel ist zu Ende. Aber ich kann ein neues anfangen. Ich kann mir ein Spiel auf das Handy herunterladen, ich kann mir alles auf das Handy herunterladen! Bis der Speicherplatz voll ist, natürlich. Aber mal ganz davon abgesehen, wenn ich ein Handy habe, dann ist für mich gar nichts zu Ende. Dann fängt das Spiel erst an!

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram