"GlassWasser" -- wenn vermeintlich durstige Herren an der Tür klopfen...

Anekdote zum Thema Erwartung

von  Access

Es klopft. Mittwoch, elf Uhr. Wird wohl Hieronymus sein, unser Mieter. Ich renne die Treppe runter, rufe „ja-ha“. Steht einer in gelber Warnweste vor der Tür. Kenne ich nicht. Ein Krimineller, der mich beklauen will? Na, wenn der die marode Eingangstreppe gesehen hat, dann weiß er, dass hier nix zu holen ist. Misstrauisch öffne ich die Tür. „Ja?“ frage ich.  „GlassWasser“ antwortet er. So. Aha, soso ein Glas Wasser will der? Da kann ja jeder kommen? Und dann reinkommen und mich beklauen? Während ich noch überlege, dass ich dem ruhig ein Glas Wasser geben kann, da er ja alleine vor der Tür steht, also keinen Kumpanen dabei hat, der, während ich das Wasser hole, das Haus ausräumen kann, und es ja auch heiß ist und der arme Kerl bestimmt in Not, lese ich die Aufschrift auf seiner Weste und ZACK! Den Firmennamen kenne ich. Verstehe! Ah, Glasfaser. Wieder mal unangekündigt einer von denen vor der Tür, der uns die Freuden der Glasfaserversorgung noch ein Stückchen näher bringen will. Begeistert lasse ich den Herrn herein und sogleich macht er sich in der Küche zu schaffen, ordert über ein Funksprechgerät scheinbar mehrere Kilometer Glasfaser, die mehr oder weniger unkontrolliert durch die bereits liegenden Leerrohre aus dem kürzlich installierten Kasten an der Wand in meine Küche schießen, gefährlich nah an meinem Gewürzregal vorbei peitschen, so, jetzt haben sie doch eine der Gewürzdosen erwischt, und zwar im dritten Boden des Regals, während der gute Mann versucht, der Massen an Kabel Herr zu werden.
Ich muss mal nach dem Kater gucken. Der hockt ob des Getöses verschreckt oben am Treppenabsatz zum Arbeitszimmer. Als ich wieder in die Küche komme, hat der übertriebene Kabelfluss ein Ende. Gefühlt drei Kilometer schwarzes Band liegen abgeschnitten und wirr zusammengerollt auf dem Küchenfußboden. Nach einem erneuten Funkspruch schießt wieder Kabel in die Küche. Diesmal eine angemessenere Menge. Der freundliche Glass-Wasser-Herr rollt es auf, klebt es an den grauen Kasten und verabschiedet sich. Als ich --seiner geringen Deutschkenntnisse gedenkend--  frage „wie geht jetzt weiter? Wie kommt das an Telefon und Internet? Und zur Sicherheit in Bildersprache meine Hand wie einen Telefonhörer ans Ohr halte und danach auf den Kasten zeige – tröstet er mich über mein Unwissen hinweg mit einem freundlichen „Kommt Kollege“.
Okay, vielleicht meldet der sich ja diesmal vorher an. Aber glauben tue ich da nicht dran. Bislang standen die immer unangekündigt vor der Tür. Na wenigstens wollte der kein Glas Wasser.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (03.09.19)
Herrlich!

 Access meinte dazu am 03.09.19:
...danke -- ja, so sind sie wirklich, jene Glasswasser-Menschen hier vor Ort....

 LottaManguetti (03.09.19)
Das hätte auch ein Paketbote von Amazon sein können!



Toll beschrieben!

 Access antwortete darauf am 03.09.19:
danke - nee, die Amazon'ler kommen später und halten so ein Gerät vor sich, das strecken sie einem hastig entgegen und man soll dann mit dem Finger (!) welch technischer Fotschritt! da drauf unterschreiben

 Regina (04.09.19)
Mitten aus dem Alltagsleben. Toll beschrieben. LG Gin

 Access schrieb daraufhin am 04.09.19:
Danke

 TassoTuwas (04.09.19)
Und du bist dir ganz sicher, dass du kein Problem mit den Ohren...?
Schönes Lesevergnügen
LG TT

 Access äußerte darauf am 04.09.19:
hihi, danke .. naja, der gute Mensch hatte eher "GlassVasser" als "GlassWasser" gesagt, aber vermutlich weil es so heiß war, interpretierte mein Gehirn diesen akustischen Reiz zunächst als "Glas Wasser" und nicht als "Glasfaser"....
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram