Lasst uns Quittenbäumchen pflanzen

Parabel zum Thema Familie

von  eiskimo

Gott Vater hatte es gut mit mir gemeint. Als ich 19 Jahre alt war, erbte ich ein Haus. Nix Pompöses, Reihenhaus Mitte, aber immerhin. Und mein irdischer Vater meinte es auch gut mit mir. Er schenkte mir zum Einzug einen Quittenbaum.

Damals fand ich das – wie man so schön sagt – ganz nett. Um ehrlich zu sein, ich hab das Bäumchen vergessen. Einmal eingebuddelt im hintersten Winkel meines kleinen Gartens, wurde es vergessen, bis es nach zwei, drei Jahren die ersten Früchte trug. Sieben dicke gelbe Quitten – Apfelquitten, wie ich von einem sachkundigen Nachbarn erfuhr.
Ich war inzwischen verheiratet, und diese sieben Apfelquitten sollten für meine Eva nun ein echter ehelicher Bewährungstest werden.
Besagter Nachbar, aber auch andere Leute unseres Umfeldes, alle bekundeten uns, dass Quitten viel Arbeit bedeuteten. „Das ist keine Paradies-Frucht,“ und „Unheimlich hart zu zerkleinern!“ hörten wir, oder mit warnendem Unterton:  „Echte Knochenarbeit!“. Andere wussten auch, dass Quitten nur wenige Liebhaber hätten - „diesen Geschmack mögen nicht viele!“ Also keinerlei Ermutigung, sich mit diesem Obst zu befassen. Eher klang es nach „Quitten? Die könnt ihr vergessen!“
Inzwischen weiß ich, dass meine liebe Eva genau diese Sprüche braucht, um erst Recht loszulegen. Und so war es. Sie machte sich schlau über diese bei uns wenig populäre Frucht, und sie versäumte auch nicht, mich mit zu beteiligen bei den nun einsetzenden Knochen-Arbeiten.
Erst mit einem Tuch den Flaum abputzen, lernte ich. Dann faule Stellen, die Blüte und den Stiel  entfernen und die Früchte ungeschält zerkleinern – ja, Eva ließ ihren Adam da ordentlich arbeiten, im Schweiße seines Angesichts.  Was dann übrig blieb, also auch das Kerngehäuse, wurde in einem  Topf mit Wasser bedeckt und eine Stunde lang bei kleiner Flamme zerkocht.
Eva zeigte mir, wie man dann den Quittensaft vom Mark trennt – Fachausdruck: Durchs Sieb abtropfen lassen.
Aus dem gewonnen Saft – zusammen mit etwas Zitronensaft kamen wir gerade auf einen Liter – kochten wir Quittengelee, was – Gott sei Dank! - zur Abwechslung keine große Arbeit bedeutete.
Anstrengend wurde es aber für das Quittenmark. Denn das musste ich nun durch ein Sieb passieren. Wir hatten ein sehr robustes Edelstahlsieb, aber die feinkörnige Quittenmasse,  Schalen und Kerne inklusive, da mit einem Löffel durchzudrücken, das „schlauchte“ wieder mächtig. .
Lohn der Plackerei: Ich quetschte genug Masse heraus, um ein Kilo Quittenmarmelade herstellen zu können.  Vier Gläser!
Unnötig zu erwähnen, dass wir beide enorm stolz waren auf unseren wunderbaren Brotaufstrich. Er versüßte uns das Frühstück, das Gelee reichten wir später auch zum Käse. Tatsächlich erlebten wir da auch bei einigen Gästen Abneigung. Egal. Seit jener Erstlings-Erfahrung sind die Quitten aus dem eigenen Garten bei uns ein Herbst-Ritual. Wir arbeiten inzwischen routiniert zusammen., Eva hat auch immer neue Ideen zum Verfeinern, und ich passiere nicht mehr per Löffel, sondern mit einem Aufsatz für den Elektro-Quirl.
Das Quittenbäumchen in unserem Garten ist ein stattlicher Baum geworden, und in manchen Jahren erschlägt uns die Ernte förmlich. Dann verschenken wir die Früchte weiter. Nicht ganz einfach, Liebhaber dafür zu finden. „Unheimlich hart zu zerkleinern!“ hören wir dann wieder, oder „Echte Knochenarbeit!“. Andere lassen uns auch mit wichtiger Miene wissen, dass Quitten nur wenige Liebhaber haben - „diesen Geschmack mögen nicht viele!“ 
Eva und ich bekennen uns aber dazu, ja, wir sind Teil der kleinen, elitären Minderheit der Quitten-Freunde. Und bei jedem Blick in den Garten ist mein Papa präsent. Da hatte er sich wirklich ein nachhaltiges Geschenk ausgedacht. Nachhaltig und die Familie an einen Tisch zwingend.
Wenn wir da einträchtig unsere Quitten verarbeiten, da denke ich sogar ans Paradies. Nee, mit einem Quittenbaum hätte die Nummer mit der Schlange und der fiesen Anstiftung zur Sünde nie geklappt.

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Kommentare zu diesem Text

Cora (29)
(11.10.19)
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 Annabell meinte dazu am 11.10.19:
Hallo Eiskimo,
... Liebhaber (ein "r" fehlt - bitte berichtigen).
Gut beschrieben. Schönes WE von
Annabell

 eiskimo antwortete darauf am 11.10.19:
Danke. Habe übrigens wieder 12 Gläser damit gefüllt - das hat was!
LG
Eiskimo

 AZU20 (11.10.19)
Ja, Quitten haben es in sich, aber es lohnt sich eben. LG

 claire.delalune (11.10.19)
Quitten sind unglaublich lecker! Wir haben auch einen Apfelquittenbaum im Garten. Dem Gärtner war ich im Frühjahr bitterböse, als er diesen unabgesprochen zugunsten eines mickrigen Sauerkirschbaums daneben mächtig zurückschnitt. Sauerkirschen hab ich noch mehr. Quitten nur diesen einen. Und nun fehlt ihm ein ganzer, großer Ast, an dem die gelben Früchte reifen könnten.
Trotzdem, dies Jahr hängt der Baum voll und bald geht es ans Verarbeiten.
Sicher, das ist Schwerarbeit, aber allein der Duft ... herrlich! Ich liebe Quittengelee.
Eine tolle Sache ist auch Quittenbrot. Eine Süßigkeit, die sich Jahrzehnte hält.

Wohl bekomm‘s!

Liebe Grüße
Kathrin

 eiskimo schrieb daraufhin am 11.10.19:
Hallo, Kathrin!
Mit Quittenbrot experimentieren wir noch. Mit Gelierzucker klappt es, ohne bleibt es zu feucht und schimmelt.
Wenn es klappt, verpacken wir es schön und haben leckere Weihnachtsgeschenke.
lG
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (11.10.19)
Hallo Eiskimo, du hast dir mit Eva den Genuss der Quitten erarbeitet.. Ich vermute, dass es mit dem unterhaltsamen Text leichter war, weil er auf Erfahrungen fußt.
Servus
Ekki

 eiskimo äußerte darauf am 11.10.19:
Richtig, lieber Ekki! Nach dem Text hatte ich weder Muskelkater noch Blasen im Handteller....
Ich mag diese Arbeit trotztdem nicht missen.
LG
Eiskimo

 Annabell ergänzte dazu am 11.10.19:
lieber Eiskimo,
wenn mein Co-Autor mich besucht, bekomme ich regelmäßig von ihm und seiner Frau selbstgemachte Marmelade geschenkt, und zwar die verschiedensten Sorten. Einfach köstlich. Das tägliche Frühstück wird von uns doppelt genossen. Nun fehlt mir in meiner Sammlung nur noch ein klitzekleines Glas "Quittenmarmelade" vom eigenen Anbau. Ob der liebe Eikimo vielleichtl einmal eine winzige Kostprobe erübrigen kann? Er bekommt von mir im Austausch ein Buch dafür.
Schmunzelnde Grüße von
Annabell

 eiskimo meinte dazu am 11.10.19:
Es wäre mir ein Vergnügen.... Ich könnte Jahrgangs-Quitten zusammenstellen. Werde aus dem großen Fundus gerne was quitt.
LG
Eiskimo
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