Kleiner Text über den Joker, als Reaktion auf einen anderen (Spoiler)

Kommentar zum Thema Wahnsinn

von  Oskar

Habe den Film gestern geschaut und war leicht bis mittel enttäuscht. Also über den Film, nicht den Joker, der war grandios gespielt, wenn auch, wie soll es 2019 anders sein, einfach nur als Collage zusammengepappt ist. Aber dafür kann Phoenix ja nichts. Auch nicht dafür, dass der Rest des Filmes eine einzige Collage ist: Taxi Driver, Eat the Rich, The King of Comedy, The Purge... Aber sei`s drum. Darum geht es in deinem Text ja nicht. Mein Mitgefühl galt den ganzen Film über Arthur Fleck. Wie traurig war die Szene in dem Bus mit dem Jungen und seiner Mutter. Die Szene war so intensiv (okay, der Film hatte wirklich einige sehr starke Szene), man wollte ihn in den Arm nehmen. Also Arthur, nicht den Film. Oder die Szene wo er vor Bruce Wayne am Eingangstor steht. Was ich nun aber gar nicht verstehe, sind all die Rezeptionen die ich dazu las. Wo ist der Film sonderlich brutal? Außer die Tatsache, dass ein kranker einsamer Mensch auf eine üble Gesellschaft trifft, das war wirklich fies. Alle anderen Gewaltszenen waren, naja, Kindergarten, auch wenn der erste Mord (dreifach) wirklich gut inszeniert war. Und wo war dieser Film denn bitte nicht-Comic. Jede Sekunde konnte ich mir vorstellen, dass Batman um die Ecke kommt, vielleicht nicht mit massiver Panzerung (im doppelten Sinn), auch der Joker verfügte nicht über die selbe „Panzerung“ wie die Joker vor ihm. Dieser Joker war so empathisch, dass die Welt ihn letztlich vernichtete. Und nicht wie bei den anderen, wo die Joker einfach nur Pseudopsychos sind und deshalb letztlich vollkommen harmlos. Die wollen die Welt bloß brennen sehen uhuh, böse. Was die Leute irritiert, dass dieser Joker nicht böse ist, er ist krank und findet keine Hilfe, die er aber sucht und selbst bei seiner Sozialarbeiterin nicht findet. Der ihr ja zurecht vorwirft, sie höre nie zu (was der Fall ist, die meisten Sozialpädagoginnen hören nicht zu, die ziehen ihr Programm durch). Das wurde leider nicht tief genug erzählt und Raum dafür wäre gewesen. Das ist vielleicht das erschreckende an dem Film. Joker hätte zu jederzeit verhindert werden können. An so vielen Stellen. Aber niemand hörte zu. Dummerweise macht der Film an einer anderen Stelle eine schlichte gut/böse Unterscheidung, die er beim Joker unterlässt. Bei den Reichen. Die sind so dämlich dargestellt, dass es den Film zerreißt. Auch die Medien, in Form von der Night-Show von Murray Franklin, sind einfach zu eindimensional. Auch wenn die Szene, der Switch, wo der Narzissmus oder die Selbsterhaltung kickt und Joker nicht sich, sondern den Talkmaster erschießt, großartig ist.

Wenn ich so etwas lese: „Denn warum muss zum x-ten Mal männliche Anomie, männlicher Nihilismus, männliche Selbstversicherung durch Gewalt abendfüllend ausgewalzt, in 4.000 Kinos in den USA allein angesetzt und dann noch kräftig mit Preisen überschüttet werden?“ (Die Zeit) wird mir schummrig. Die Antwort, nicht oft genug! In diesem Satz steckt natürlich viel unwahres. Männlicher Nihilismus? Fast den ganzen Film über ist Arthur eben genau das nicht. Er will klarkommen, glaubt an irgendetwas (das er die Welt durch Lachen bereichern kann), arbeitet an diesem Traum (clownsein), pflegt seine Mutter und glaubt, das spürt man, an die Liebe, bis er sich halt anpasst. Nicht er, sondern die Welt um ihn ist Nihilst. Dasselbe mit der Gewalt. Arthur entscheidet sich überleben zu wollen und adaptiert, um dies zu tun und wird zum Joker. Wer immer dies schreibt, männlicher Nihilismus, vergisst die weibliche Hinterfotzigkeit und deren erbarmungsloses Ringen um soziale Anerkennung.

Was ich tatsächlich nicht verstehe ist, warum die Macher bei der Treppenszene den Song eines Mannes genommen haben, der Kinder fickte. Der Song war nichts besonders, hätte durch tausend andere ersetzt werden können. Hat mir, die ansonsten so schöne Szene vollkommen versaut. Naja, war ja vielleicht genau so gewollt oder es war ein schlechter Trollscherz.

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Kommentare zu diesem Text

Aha (53)
(18.10.19)
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Aha (53)
(18.10.19)
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 Oskar meinte dazu am 18.10.19:
Werde ich, falls die DB mich nicht zum Joker werden lässt. Grade unterwegs.

 Dieter_Rotmund (19.10.19)
Oskar, ich verstehe nicht, warum Du Dich an anderen Filmbesprechungen mit "Entgegnungen" abarbeitest, anstatt etwas eigenes, singuläres zu schaffen und auf die anderen Rezensionen zu pfeifen.

 Oskar antwortete darauf am 19.10.19:
Nennt man Kommunikation. Besser so einen Impuls als gar keinen.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 19.10.19:
Nun gut, wenn das Dir nicht zu wenig ist...
Aha (53) äußerte darauf am 19.10.19:
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 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 19.10.19:
Ich sage es mal so: Es ist mutiger als Erster zu sagen: "So ist es!", als hinterher Mimimi zu betreiben. Das Phänomen gibt es auch hier in den KV-Foren, wo man sich auf jeden stürzt, der einen Thread eröffnet, aber selbst niemals einen aufmachen würden.

 Oskar meinte dazu am 19.10.19:
Ich sage es mal so: Ab einer gewissen Reife sollten Mutproben keine Rolle mehr spielen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.10.19:
Reife drückt sich aber sicherlich nicht darin aus, nur zu rea- und nicht zu agieren.
Aha (53) meinte dazu am 19.10.19:
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 19.10.19:
Neee, das hast Du falsch verstanden.
Aha (53) meinte dazu am 19.10.19:
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 Teichhüpfer (19.10.19)
Ein guter Film, Selbsterhaltung mit unterschiedlich Varianten, die Du allerdings selber entscheidest.

 Livia (15.12.19)
Sehr spät, aber habe den Film erst gestern gesehen:
Weißt du, was das beste am Film war? Wenn er gelacht hat, hast du gespürt, dass er eigentlich geweint hat. Das war kein freudiges Lachen, aber auch nicht psychotisch. Einfach das eines Mannes, der nicht mal mehr weinen kann. Und das machte die Szenen unendlich traurig.
aliceandthebutterfly (36)
(15.12.19)
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