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Brief zum Thema Krieg/Krieger

von  AvaLiam

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...und ich las zum übereilten Abschied deine letzten Zeilen:
"Ich melde mich spätestens vom Hauptquartier.
Das Internet ist dort besser als unterwegs.
Vergiss mich nicht. Vergiss DU mich nicht.
Goodbye"

Ganz nebenbei war das.
Sie gaben dir nur knapp 2 Tage Zeit.
2 Tage von Berlin bis zur Türkei.
Und dazwischen lag alles,
dein ganzes Leben - hier.
Du warst doch gerade erst zurück, Soldat.
Angeschossen. Du hast gelacht.
Groteske Bilder fielen dir durch die Seele, beinahe herzlos.
Auslandssperre. Zeit wollten sie dir geben. 6 einhalb Jahre Krieg, da hat man sich eine Pause verdient, Nr. 261083-K-215134.

Das war vor 9 Tagen. Ich hoffe, du hast dich gut erholt.
Triffst ja vielleicht ein paar deiner Kumpels wieder, auf dem Weg an die türkische Grenze.

Ach - ich habe noch in der Zeitung gelesen:  keine deutschen Soldaten in Syrien!

LÜGNER!!

Als ich deine Zeilen las, warst du schon unterwegs.
In Uniform.  Konvoi... und ich konnte das Rattern der Räder hören... und das Lachen der Soldaten, am lautesten dich.
Und ich sah dich vor mir - dieses smarte Grinsen, das Grübchen am Kinn, die lange Narbe und wie sie dein Gesicht auf der linken Seite zusammenhält.
Den dicken Verband am Bein konnte man so gar nicht erahnen. Ich hoffte, du vergisst ihn auch wenn du rennen musst.

Du hast grölend deine letzten Zeilen an mich ins Handy getippt. Ich kenne dich lang und gut genug - ich weiß, was es heißt: "Vergiss DU mich nicht. "
Tränen und Angst schrieben das letzte Wort an dich: "dito" .

Das ist 4 Jahre her.

Die Verbindung ist wohl echt Scheiße unterwegs. Wird Zeit, dass ihr im Hauptquartier ankommt.
2 Tage von Berlin bis zur Türkei ... und eine Ewigkeit nach Syrien.



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Kommentare zu diesem Text

Al-Badri_Sigrun (61)
(01.11.19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AvaLiam meinte dazu am 01.11.19:
vielen - und vor allem herzlichen - Dank

...mir war nicht klar, dass heut Allerheiligen ist... ich hab damit nicht viel am Hut... und so war es eher zufällig, dass dieser Text heute hier landete...

...bis mir eben bewusst wurde, dass das Unterbewusstsein doch ganz schön die Fäden in der Hand hat...

erinnert habe ich mich auch an meinen Opa dabei und ein Gespräch mit meiner Oma und wie ich sie fragte: "Oma, wie war das, als Opa aus dem Krieg wieder nach Hause kam?"

Oma: "Mein Kind. Opa ist nieee zurückgekehrt."

Ich war damals 12,13? Ich hab eine kleine Weile gebraucht bis ich verstanden hatte.

Aus diesem Grund ist es eigentlich auch egal geworden, ob noch eine Meldung nach den 4 Jahren kommt - glaub ich - er wird für immer fort sein...in jedem Schweigen und in jedem Wort.

Ich hab noch eine Kerze gefunden...

 EkkehartMittelberg (01.11.19)
Liebe Ava,
Glück in der Heimat und kurz danach Tod an der Front. Das wurde schon oft beschrieben. Aber man kann es gar nicht oft genug schildern. Du erreichst es mit einer Fülle feiner stilistischer Mittel und deiner einprägsamen Stimme. dass dein Text über not available unforgotable bleibt..
Beeindruckte Grüße
Ekki

 AvaLiam antwortete darauf am 02.11.19:
geschätzter Ekki,

ja - wenn davon ein wenig hängen bleibt und mitgenommen wird, um irgendwo ein wenig zu trösten, zu verstehen, gar aufzuwecken und ganz vielleicht persönliche Entscheidungen zu überdenken...
ja - das wäre das Größte...

danke für dein Statement was mir sehr viel bedeutet...

lieben Gruß - Ava

 AchterZwerg (01.11.19)
Nachts weinen die Soldaten

Weder das Kreuz noch die Kindheit,
nicht der Hammer von Golgatha, nicht die engelsreine
Erinnerung genügen, den Krieg zu zerschlagen.
Nachts weinen die Soldaten,
bevor sie sterben, sie sind stark,
sie fallen zu Füßen von Worten,
erlernt unter den Waffen des Lebens.
Liebende Nummern, Soldaten,
namenlose Tränen

Salvatore Quasimodo

Liebe Ava,
erlaube mir diesmal, anstelle eines Kommentars, das Gedicht eines hierzulande eher unbekannten Dichters einzusetzen. -
Es korrespondiert so schön mit deinem.

Herzliche Grüße
der8.

 AvaLiam schrieb daraufhin am 01.11.19:
mein lieber 8. - ja, es passt sehr gut...beinahe "schön" ....

Danke dafür - Ava

 Momo (02.11.19)
Hallo Ava,

ein berührender Brief in Zeiten des Krieges.
Und die Soldaten lediglich als Menschenmaterial, als Nummern.
Vielleicht lässt sich das wirklich nur mit schwarzem Humor und Sarkasmus ertragen.

Liebe Grüße, Momo

 AvaLiam äußerte darauf am 02.11.19:
Hallo Momo,

danke für das Lesen und überdenken diesen Briefes...

Sarkasmus, Ironie und Zynismus können zuweilen tatsächlich ein gutes Schmerzmedikament sein und kurz abrücken lassen von lähmender Qual.

was die vorletzte Zeile des Briefes anbelangt ist es nichts dergleichen - sondern "nicht wahr haben wollen", "immer noch hoffen" und der "Aufschrei", dass doch bitte endlich alles gut werden soll, das Warten ein Ende haben soll und/oder Gewissheit einkehrt.

herzliche Grüße - Ava
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