Löcher

Prosagedicht zum Thema Wertschätzung

von  AvaLiam



Heute Morgen
stand er
eine halbe Stunde
früher auf,

wählte Socken
in blau,
die
mit dem weißen Anker,

von Mutter,
zu Weihnachten,
vor 8 Jahren
oder 9?

"Socken?
Mutti!
Socken??"


Langsam
werden sie löchrig...

...die Erinnerungen

Noch schnell
in die Schuhe.

Noch schnell
in die Jacke.



Noch schnell
die Gießkanne.




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Kommentare zu diesem Text

Al-Badri_Sigrun (61)
(17.11.19)
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 AvaLiam meinte dazu am 17.11.19:
Manche Löcher kann man eben nicht stopfen...

...die im Herzen zum Beispiel.

Du hast schon ganz Recht - wirklich vergessen werden wir die wichtigen Erinnerungen nicht, die tragen wir im Herzen.
Und die Kleinen, die trägt ER an den Füßen...zu ihr...für eine halbe Stunde Zeit...

danke, dass du ihn ein Stück an diesem Morgen begleitet hast

liebe Grüße - Ava

 EkkehartMittelberg (17.11.19)
Hallo Ava, es gibt Erinnerungen, die werden nie löchrig, auch wenn es im Tempo des Alltags so scheint.
Liebe Grüße
Ekki

 AvaLiam antwortete darauf am 17.11.19:
geschätzter Ekki,

ganz sicher gibt es Erinnerungen, die unvergänglich für uns sind... da hast du ganz sicher Recht...

mir ging es dieses Mal um die kleinen, alltäglichen, unbedeutenderen, die, die uns erst viel später als Erinnerung bedeutsam werden - sofern noch möglich...

Dinge, die wir vielleicht nicht gut behandelt haben von anderen Menschen... Momente, die wir nicht geschätzt haben...
deine Generation hat das noch nicht ganz so versaut - sag ich mal ganz vorlaut... da saß man beispielsweise noch zusammen am Tisch und führte NACH dem Essen eine Unterhaltung und sah sich dabei ins Gesicht...und nicht aufs Handy...

beispielsweise

viel zu schnell kann die Zeit vorbei sein - wie auch die Gelegenheiten... und was uns heute nichts wert ist - kann morgen ein großes Loch für uns bedeuten und schmerzliches Vermissen...

und so werden die kleinen Erinnerungen eben doch löchrig - und wenn es nur die Löcher sind, die unser Bedauern gräbt und gräbt....

jederzeit dich wertschätzende Grüße - Ava

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 18.11.19:
Liebe Ava, ich habe verstanden, was du meinst, und es ist richtig so.
Herzlich
Ekki
Sin (55)
(17.11.19)
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 AchterZwerg äußerte darauf am 17.11.19:
Ei, hier wird ein Grab gegossen, mein Lieber.
Sin (55) ergänzte dazu am 17.11.19:
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 AvaLiam meinte dazu am 17.11.19:
hm... gelacht... über dich selbst? oder bist du über die Gießkanne gestolpert?

jetzt haben wir dir die Illusion der großen Kunst gestohlen und begraben...

ja - der Achte - der ist einfach der Hammer, sag ich dir... wenns um mehrere Ebnen geht, machts mit dem Zwerg einfach am meisten Spaß...

ich möchte mal den Teil vom Achter-Kommentar unten aufgreifen:
Und diese Erinnerung beschämt ihn im Nachhinein und gräbt und gräbt ...
...Löcher...na klar..was sonst..

Allein dafür könnt ich den Zwerg knutschen.
Liest nicht jeder daraus - ist mir klar, muss auch nicht. Um Gottes Willen - aber schön, wenns es jemand tut. Dann kanns nicht ganz falsch gedacht gewesen sein.

Ich hoffe, du kannst mit der geplatzten Illusion von hoher Kunst leben und bereust die Empfehlung und Favorisierung nicht.
Sollte dem so sein, bedanke ich mich herzlich und aufrichtig mit all meiner Wertschätzung, die sicher nicht löchrig wird - Ava.
Sin (55) meinte dazu am 18.11.19:
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Sin (55) meinte dazu am 18.11.19:
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 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
Dann bin ich beruhigt.
Ich möchte ja nicht für ein Versehen gelobt werden und ein ernüchtertes Gefühl zurücklassen.
Um so schöner, wenn es immer noch passt und ich freue mich, dass die Gießkanne keinen Schaden anrichten konnte.

der weiße Anker...
ist ein ganz wichtiger Teil der Erinnerungen - JA...der Wichtigste...

wird sicher von vielen überlesen - zur Kenntnis genommen - an dieser Stelle ... gut, dass wir das Unterbewusstsein haben...

die Erinnerungen selbst sind hier symbolisiert durch die einst ungeliebten Socken - und der Anker ist das Symbol auf den und somit Teil dieser Socken... er steht für die Mutter... wo der Sohn ankern konnte, mit Fragen, mit Kummer...mit Wut und Enttäuschung, Freude und Zukunftsideen....
seine Mutter war ihm ein Hafen, Halt, Kraft, Zuversicht, Stärke... all das verkörpert der Anker...
und ich hab sicher noch das ein oder andere vergessen...

Ich bedanke mich herzlichst dafür, dass du die Gießkanne aufgehoben und wieder hingestellt hast, und dass du noch mal in das Bild hineingegangen bist.

liebe Grüße - Ava

Antwort geändert am 18.11.2019 um 13:58 Uhr

 AchterZwerg (17.11.19)
Mir gefällt hier der "böse" Unterton des Gedichts.
Global gesehen, gibt es wohl wenige Menschen, die sich über Socken zum Weihnachtsfest freuen, lassen wir mal die real existierende Armut der Welt beiseite.
Auch der hier beschriebene, undankbare Sohn freut sich kein bisschen. Und diese Erinnerung beschämt ihn im Nachhinein und gräbt und gräbt ...

Apart.

Der8.

 AvaLiam meinte dazu am 17.11.19:
ja... die Reue, das Bedauern - das kann ganz schön anfressen - mein lieber Achter... wohl dem, bei dem es nur bei Löchern bleibt und nicht ganz auffrisst...

und danke, dass du die Gießkanne ans letzte Loch gestellt hast...

mit dir macht es immer noch am meisten Spaß - ich glaub ich wiederhole mich - mehrschichtig oder mehrdeutig zu lesen / zu schreiben...

dazu hab ich oben schon was geschrieben bei Sin...

wie gesagt - ich könnt dir knutschen...


"angrabende" Grüße - Ava

 AchterZwerg meinte dazu am 18.11.19:
Du siehst mich erröten.
In den nächsten Tage kann ich ja einen leichten Schal tragen ...

Entzückte Grüße
der8.

 Teichhüpfer (17.11.19)
Die Familie gibt es immer zwei Mal, in der Kindheit und später. So ist das mit der Mutter oder dem Vater. Es ist im Bewußtsein.

 keinB meinte dazu am 17.11.19:
Drei mal, mMn. Die Qualität ändert sich noch mal, wenn beide Eltern nicht mehr sind.

 AvaLiam meinte dazu am 17.11.19:
@ Teichhüpfer

Für viele Erinnerungen mag das auch so sein.
Hier gings mir um die kleinen Erinnerungen, die kleinen Dinge, die Beiläufigkeiten, das Alltägliche, das scheinbar Unbedeutsame, was oft zu spät Würdigung erhält, was dann schmerzlich vermisst wird, wenn wir uns gar nicht mehr richtig erinnern können - weil uns sein Bild einfach verloren gegangen ist, der Geruch, die Mimik, die Geste, der Klang, das Gefühl...

das Tragen wir nicht immer im Bewusstsein - das tragen wir oft in Socken...

lG - Ava

@ kleinB

da kann ich leider nicht mitsprechen... ich behaupte aber mal in meinem nicht mehr ganz so jugendlichen Leichtsinn, dass wir diese Erfahrung mit jedem Menschen, der uns auf eine gewisse Weise sehr nahe kommt, machen... je nachdem, wie lange wir diese Menschen, oder jene uns begleiten...

ich hab mir jedenfalls nach den ersten Löchern angewöhnt, auf ALLES zu achten... jede Handbewegung... jedes "Haare aus dem Gesicht" streichen, Lächeln... Nachdenken... ich will so wenig Löcher wie möglich

lieben Dank - Ava

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.11.19:
moin Ava, es gibt da Männer wie mich, die zerlegen diese Socken in Blaue und die mit schwarz Anker und so

 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
oh nein... das kannst du doch nicht machen - du killst doch so sämtliche Erinnerungen und obduzierst sie im selben Handlungsstrang... oh weh...

ich hab ne Freundin - die zieht NIE Socken an... hat dafür ein echt gestörtes Familienverhältnis...
JETZT weiß ich warum...

Da muss ich erst einen Text schreiben, mein Aufbegehren darlegen, dem widersprochen wird, um mir dann zu über diesen Weg aufzuzeigen, warum es Barfuß-Menschen gibt.
JETZT weiß ich warum ich hier bin.

danke für diese Erleuchtung...

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.11.19:
So ist das nicht gemeint, der Schal ist schwarz mit Ankern und die Strümpfe blau.

 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
ups...

...dann hab ich mich aber ganz schön verstrickt jetzt...

:D

gut, dass du die Erinnerungen noch gerettet hast... :)

 Teichhüpfer meinte dazu am 18.11.19:
Die Erinnerung kennt fast jeder Junge.
Stelzie (55)
(17.11.19)
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 GastIltis (17.11.19)
Hallo Ava,
wie sagte schon Ringelnatz: „Die Löcher sind das wichtigste an einem Sieb ...“ Da kann man die Ebenen nehmen, vertauschen, oder den angefangenen Satz beenden. Es kommt auf eines heraus. In deinem Fall auf die Überraschung und dann die Ringelnatz'sche Fortsetzung. Aber zum Glück haben wir ja jemand, der sich tiefschürfend auskennt.
Liebe Grüße von Gil.

 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
lieber Gil...

das klingt fast so, als ob ich ein wenig zu dick aufgetragen hätte, was natürlich gar nicht so sein sollte... und an den Ringelnatz hab ich gar nicht gedacht... wobei - manche Erinnerungen sollten vielleicht wirklich ausgesiebt werden...

nun ja - ich wollte nur ein wenig vor den Löchern warnen und das Bodenlose, in das man so fallen kann...

diese Leere, die da entsteht - die kann ganz schön weh tun...

vielen Dank und herzliche Grüße - Ava

 franky (18.11.19)
Liebe Ava!

Für diesen wunderbaren Text möchte ich nun zwei Sterne verlochen.

Liebe Grüße

Von
Franky
una (56)
(18.11.19)
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 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
liebe una...

schön, wie du dich damit auseinandersetzt...
und ich denke, du wirst selbst mit einem anderen Bewusstsein zukünftig deinem Sohn Socken schenken :D

die Socken haben "nur" Symbolcharakter sowie der Sohn und die Mutter nur beispielgebend sind für zwischenmenschliche, meist stark betonte Beziehungen, wo Unachtsamkeit und fehlende Wertschätzung eher weniger angenommen werden... wo aber genau jene, wenn sie bewusst werden, SEHR schmerzen können... das Fehlen / Vermissen der Erinnerungen, das Zerfallen, die Lücken, die diese Menschen hinterlassen, wenn sie im letzten Loch liegen, schafft viele "Löcher" in uns selbst, die quälend empfunden werden...
da kann die Hose noch so lang sein...

aber ich nehme an, du und dein Sohn - ihr habt ein echt cooles Verhältnis...und er scheint nix gegen Socken zu haben... auch wenn sie mal nicht so super sind... da mach dir um ein paar Löcher keine Sorgen...

alles Liebe - Ava
una (56) meinte dazu am 18.11.19:
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 AvaLiam meinte dazu am 18.11.19:
liebe una...

genießt einfach die Momente, die ihr zusammen habt...auch wenn es einfache, alltägliche Augenblicke sind, denen oft die allzu gewohnten Handgriffe innewohnen, wie z.B. das Jacke aufhängen, durchs Haar streichen, die Gabel halten... gedankenversunken aus dem Fenster schauen... wenn man solche Erinnerungen strickt - dürfen die Socken ruhig ein paar Löcher bekommen... es wird immer genug Substanz bleiben von dem geliebten Menschen und was ihn ausmacht...

herzlich - Ava
una (56) meinte dazu am 19.11.19:
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 TassoTuwas (19.11.19)
Es ist schon erstaunlich mit welchen Dingen sich Erinnerungen verbinden. Bei Socken fiel mir ein, das ich als Kind ein Denkmal errichten wollte. Ich stellte mir vor, wie das auf die Passanten wirken würde, die ja gewohnt waren Kaiser und Könige, Dichter und Komponisten, Entdecker und Erfinder auf dem Sockel zu finden, und nun dort eine kleine gebückte alte Frau vorfanden, die etwas in den Händen hielt und darunter die Inschrift, "Gewidmet, Ottilie der letzten Sockenstopferin". So kannte ich sie, meine Großmutter.
Nun haben wir beide die Kurve gekriegt!
Liebe Grüße
TT

 AvaLiam meinte dazu am 21.11.19:
mein lieber Tasso,

eine wunderbare Geschichte...ein herrlicher Traum eines Kindes. Ich bin froh, dass du davon erzählt hast. Das zählt quasi schon als erbautes Denkmal. Ich habe von dieser Kindheitsidee soeben auch schon meiner Tochter erzählt, die diese ebenso herrlich fand. Wir werden auch weiter davon erzählen. So wird sie durch die uns gegebene kleine Welt reisen und auf ihre Weise dein Denkmal bauen.

herzliche Grüße - Ava

 HerrSonnenschein (21.02.20)
Großes Kino in Kleinstformat.
Eine Geschichte so erzählt, wie ich es sehr schätze. Mit Miniaturen meiner Fantasie größtmögliche Freiheit gelassen und ihr doch so viel Orientierung gegeben, das sie sich nicht verloren fühlt.
Großen Respekt.
Und falls du ihn noch nicht kennst: Unbedingt Niels Frevert hören.
Ich glaube, der gefällt dir.

Herzliche Grüße vom Sonnenschein

https://youtu.be/ElXL1FYyqsU

 AvaLiam meinte dazu am 21.02.20:
Herzlichen Dank für deine Worte und deine Sternchen.

Höre gerade in die Songs von Niels hinein und ja, er hat was.
Danke für den Tipp.

Liebe Grüße - Ava
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