Philister über dir!

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Bluebird

Zwei Tage vor Beginn der Zeltmission traf eine Gruppe junger Christen aus den USA ein, die einen Teil ihrer Ferien opferte, um uns unentgeltlich zu unterstützen. Ihr Schwerpunkt lag im künstlerisch-kreativen Bereich, Musik, Tanz und Theater. Und darin waren sie richtig gut.
  Ich mochte ihre warmherzig fröhliche Art, blieb aber doch eher auf Abstand. Irgendwie steckte mir die Kinderfreizeit in Rinteln noch in den Knochen und vielleicht auch im Gemüt. Ich verspürte so etwas wie eine grundlegende Erschöpfung, ging schon etwas auf dem Zahnfleisch, versuchte aber mir das nicht allzu sehr anmerken zu lassen. Die letzten zehn Tage meines Praktikums galt es noch zu überstehen und dann warteten ein paar Tage Urlaub bei Hubert auf mich.

Nach etwa einer Woche begannen die Abendveranstaltungen, die in etwa immer den gleichen Verlauf hatten. Einleitende Worte von Pastor S., dann der Kreativteil mit den jungen amerikanischen Männern und Frauen, danach die evangelistische Predigt unseres Hauptredners und zum Schluss noch Gespräche und Gebete im Seelsorgezelt.
    Gegen 22 Uhr war das Zelt dann meistens wieder leer und nur Peter und ich blieben zur Nachtwache zurück.
    Etwa gegen 8 Uhr morgens trudelten die ersten Helfer ein, Peter fuhr nach Hause und ich begab mich zum Duschen und Frühstücken in die Jugendherberge. Wo ich dann auch die Amerikaner sah. Manchmal setzte ich mich zu ihnen, manchmal aber auch etwas abseits. Fröhliches Palaver am Morgen ist eher nicht so mein Ding.
    Ganz allgemein möchte ich aber sagen, dass eine sehr gute Stimmung und Harmonie zwischen allen Beteiligten der Zeltmission herrschte. Man zog durchweg am gleichen Strang und es gab keine nennenswerten Streitigkeiten, sondern man ging freundlich und respektvoll miteinander um. Oft auch durchaus herzlich!

Vermutlich hätte ich die Zeit auch – wie geplant – halbwegs routiniert über die Bühne bekommen können. Aber ganz so einfach sollte es dann doch nicht werden. Es sollten da noch Dinge geschehen, die mir richtig unter die Haut gingen. Mir auch heute noch nach über 30 Jahren sehr lebendig vor Augen stehen.

An einem  freien hatte Pastor S. den Hauptredner und mich zu einem Ausflug nach Walsrode in den dortigen Vogelpark eingeladen. Und Name hielt, was er versprach. Hunderte von verschiedenen Vogelarten waren hier in ansprechender Umgebung untergebracht. Aber irgendwie auch eine Reizüberflutung. Jedenfalls wer ich am Ende wieder ganz froh am und im Missionszelt zu sein.
    Etwa gegen 23 Uhr hatten Peter und ich uns in unsere Schlafsäcke verkrochen, und kurz danach war ich dann auch eingeschlafen. Ich wachte erst - mit großem Schreck - auf, als ich lautes Getöse und den Ruf „Philister über dir!“ vernahm. Es dauerte einige Sekunden, bevor ich begriff, was geschehen war.
    Zwei junge Frauen aus der Gemeinde hatten sich einen Streich ausgedacht, einen Zeltpflock gelockert und waren ins Zelt gekrochen. Dann, ganz in der Nähe unseres Schlafplatzes, hatten sie mit Topf und Löffel das Getöse erzeugt und dazu den Schlachtruf ausgerufen. „Wir wollten mal sehen, wie wachsam ihr seid!“ sagten sie lachend.

Nun, auch wenn wir beide nicht so erfreut über diese Aktion waren, mussten wir doch zugeben, dass dieser kleine Test unser Mangel an Wachsamkeit deutlich offenbar gemacht hatte. Wir waren komplett überrumpelt worden.
    Und so sagte Peter auch anschließend. "Morgen bringe ich meinen Schäferhund mit. Er ist zwar noch jung, aber er wird anschlagen, wenn was ist. So können wir in Ruhe beide schlafen, ohne überrascht zu werden!“
    Mir gab die Sache schon etwas zu denken. Ich hatte diese Wache mehr als so eine Pro forma - Sache betrachtet. Nicht eine Sekunde lang hatte ich in Betracht gezogen, dass tatsächlich jemand nachts ins Zelt kommen könnte. Und nun war es zwar in Form eines gutgemeinten Streiches geschehen, aber was, wenn es jemand tatsächlich Ernst meinen würde?
    Ehrlich gesagt war ich mir da nicht so sicher. Bislang hatte ich unsere Anwesenheit als eine Art Abschreckung verstanden. Aber was, wenn es tatsächlich Ernst werden würde? Wäre ich wirklich bereit mit körperlicher Gewalt das Zeltinventar zu schützen? 


Anmerkung von Bluebird:

Ort und Zeit: Verden 1988

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 LotharAtzert (22.02.20)
Und was erst, wenn urplötzlich Lilith in dein Zelt kröche und ihre geilen Brüste dein Geschlecht erregten?

 Bluebird meinte dazu am 22.02.20:
"Satan, weiche von mir"?

Antwort geändert am 22.02.2020 um 17:34 Uhr

 LotharAtzert antwortete darauf am 23.02.20:
:) Dein Wort in Gottes Ohr.

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 24.02.20:
Satana, bitte!
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