Einhundertneununddreißig Bilder

Text zum Thema Mutter/Mütter

von  larala

Gerade bist du nach Hause gekommen und ich habe dich gefragt, wie es war auf der Party. Du sahst müde aus und hattest Grasflecken auf dem weißen Shirt und zerkratzte Arme.
Ganz ok, hast du geantwortet und dich dann neben mich gesetzt auf das Bänkchen in der Küche und die Digi-Kamera rausgefischt aus der Jeans. Wir haben die übriggebliebenen Frikadellenbällchen gegessen und uns gemeinsam die einhundertneununddreißig Bilder angeschaut.

Ich musste lachen über die Penis-Torte, von der es masssenweise Nahaufnahmen gab in unversehrtem und angebissenem Zustand. Du zeigst mir das sexy Oberteil von Angela, mit der du nachts manchmal telefonierst und die doch für jemand anderen schwärmt. Es gibt etliche Bilder vom Heckenspringen, eine davon hatte Dornen blöderweise und nun würdest du aussehen wie auf der Wiese überfallen von drei Frauen mit langen Nägeln.
Irgendwo beim Durch-die-Nacht-Ziehen muss wohl deine Uhr verloren gegangen sein, was dich traurig macht, weil die dich schon viele Jahre begleitet, überallhin.

Wer ins Bad gekotzt hat, konntet ihr nicht herausfinden, es wollte natürlich wieder mal keiner gewesen sein, das 50-l-Fass Bier war noch halb voll heute morgen, weil es ziemlich erbärmlich schmeckte, dafür seien die Kästen alle leer geworden und die Wodkaflaschen und Caps fanden auch ihre Abnehmer, waren ja Leute genug da gewesen.
Nein, die Fotos mit den Hintern drauf seien nicht von dir, die hätten die Mädels geschossen, voll wie sie waren, eine sei fast die Treppe heruntergefallen.
Nach zwei Stunden Schlaf zusammengerollt in irgendeiner Ecke wärst du jetzt einigermaßen fertig und müsstest erst einmal unter die Dusche.

Nun sitze ich allein auf dem Bänkchen in der Küche und denke daran, dass ich meiner Mutter nie etwas erählt habe mit siebzehn und ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, ob sie mich so etwas gefragt hat, damals. Mit siebzehn war ich schon ausgezogen.
Und obwohl es doch dein Geburtstag ist am Dienstag, ich werde dir eine neue Uhr kaufen, möchte ich mir auch gern etwas wünschen:. Ich glaube, ich fände es wirklich ziemlich schön, wenn du mich auch in Zukunft hin und wieder einladen würdest zu einhundertneunundreißig Bildern.


Anmerkung von larala:

Für A.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (24.02.20)
Könnte ein guter Partybericht sein, ist aber leider einfach nur kitschig.
Sin (55)
(24.02.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 larala meinte dazu am 25.02.20:
Dankeschön! :)

 FrankReich (24.02.20)
Die Vertrautheit ist meiner Meinung nach kein Generationen,- sondern eher ein Geschlechterproblem, wobei ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, dass eine Tochter zu ihrem Vater das gleiche Vertrauen entwickelt wie ein Sohn seiner Mutter gegenüber.

 larala antwortete darauf am 25.02.20:
Interessante Frage, Ralf, die ich mitnehme, aber noch nicht beantworten kann, da ich nur Söhne habe.
Obwohl ... ich selbst zu meinem Vater ... doch!

 FrankReich schrieb daraufhin am 25.02.20:
Aha, nun, dann bin jetzt auch ich um Deine Erkenntnis reicher. :D

 larala äußerte darauf am 25.02.20:
:)

 kalira (05.04.20)
ich mag den text sehr. absolut authentisch. was meiner ansicht nach, nicht leicht zu schreiben ist.

 minze (22.10.20)
Ich mag die ersten drei Absätze sehr, die Absätze danach sind mir irgendwie zu aufgesetzt, hm, v.a. dieser Wunsch. Hätte um den Kontrast aufzuarbeiten,eher das innere Kind weitersprechen lassen,d.h. die eigene Kindrolle und vll damals erinnerte (andere) Nähe oder Distanzmomente erzählt bzw Gespräche nachempfunden. Also die Geschichte ist so lebendig und transportiert so viel Nähe und Offenheit füreinander, dass dann diese Wunschgeschichte so total auf anderer Ebene stattfindet.das ist Brief oder Tagebuch, davor ist es eine lebendige,aus sich heraus sprechende und wirkende Erzählung.
Gerne gelesen :)

 RainerMScholz (29.08.21)
Ich hatte beim Lesen eher den Eindruck, dass nichts von der Erzählung der Tochter den wirklichen Ereignissen entspeche und die Mutter gerne glaubt, was zu glauben viel leichter ist.
Grüße,
R.
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