A test splendidly failed

Tagebuch zum Thema Abgrund

von  Mychinos

Ich wache auf. Oder zumindest sowas ähnliches. 03 Uhr 30. Halb fische ich den dunklen Fragmenten meiner Träume nach, während meine andere Hälfte versucht, sich selbst davon zu überzeugen, dass wir jetzt aufstehen sollten. Auf ein viertel Bewusstsein reduziert geht die Debatte noch eine halbe Stunde weiter. Zwischen Traum und Realität höre ich meinen Namen. Eine Art Weckruf. So Real, wie man es nur kurz vor dem Einschlafen erlebt. Ich fühle meinen Träumen hinterher, während ich eine Dusche nehme. So früh am Morgen ist die Welt noch wundervoll ruhig. Ich koche Kaffee und packe ein paar Aufbackbrötchen in den Ofen. Ich will noch mit meinen Eltern kurz Frühstücken, bevor ich sie zum Flughafen bringe. Textnachricht: "Wir haben ein wenig verschlafen, sind auf dem Weg." Kommt vor. Mein Mitbewohner schläft noch den Schlaf der gerechten. Was jetzt? Ich fühle mich erbärmlich und leer. Etwas Lesen. Warten. Achtsamkeit oder so...

"Vielleicht nimmst du jetzt erstmal den Wagen zur Arbeit, wenn du ihn schon hier hast. Die Züge sind ja eher voll. Und wenn dich jemand anhustet..." Als Krankenschwester hat man vermutlich schon so einiges gesehen, denke ich mir. Aber mütterliche Fürsorge ist eigentlich was Schönes. Schade nur, dass wir sie im Moment selbst nicht recht zu schätzten wissen. Kurzes Frühstück, dann los. Unsicherheit. Habe seit einer gefühlten Ewigkeit kein Auto mehr gefahren.

Flughafen. Kurze Verabschiedung. Beste Wünsche von beiden Seiten. "Schau nur, dass du nicht noch weiter abnimmst".

Zuhause. 09 Uhr. Zeit totschlagen. Um 17 Uhr bin ich verabredet. Irgendwas tun... nur was? Alles ist grau. Alles ist anstrengend. Ich gehe los, Toilettenpapier kaufen. Daheim lächelt mich ein Bier aus dem Kühlschrank an. Ist noch ne weile hin, bis ich los muss. Also ein zweites Frühstück, Bier und billige Serien.

11 Uhr. Die Müllabfuhr klingelt. Ein guter Zeitpunkt kurz einkaufen zu gehen. Uns fehlt Klopapier. Und ich brauche neue Kippen. Ich klammere mich an meine Verabredung während ein anderer Teil von mir mit dem Gedanken spielt, sich zu betrinken.

15 Uhr. Kurznachricht: "War ein Anwärter auf den mieseten Tag des Jahres. Heute geht nichts mehr." Leere breitet sich aus, als mein Plan ins Wasser fällt. Wass dann? Zumindest ist noch Bier im Kühlschrank.

18 Uhr. Ich: "Lust was zu spielen?" Er: "Heut nicht, hab Besuch. Ansonsten immer gerne." Ich gehe eine Rauchen. Lustig. Trotz Sturmwarnung erblüht der Himmel in der Abendsonne. Fluchen aus dem Zimmer meines Mitbewohners.

20 Uhr. Halb betrunken wage ich mich noch einmal in den Supermarkt. Ich brauche mehr Bier. Niemand sieht so recht glücklich aus. Nur die Etiketten in den Regalen sprechen immer noch von einer tollen neuen Zukunft. Zynisch. Regelrecht sarkastisch. Es bleibt bei Bier.

Während ich den Fußweg nach Hause antrete, lasse ich den Tag noch einmal ablaufen.
Heute war kein guter Tag.

Also schreibe ich diesen Text. Nicht, weil er originell währe oder weil er mir gefällt. Gibt hunderte dieser Texte. Ich schreibe ihn, weil ich ihn morgen lesen muss. Weil ich ihn in einem halben Jahr oder Jahrzehnt noch einmal lesen muss.
Nicht, weil es mir gefällt.

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Kommentare zu diesem Text


 Judas (29.02.20)
"Nicht, weil es mir gefällt."
this.

 Dieter_Rotmund (01.03.20)
Ich wache auf. Oder zumindest sowas ähnliches. 03 Uhr 30.

Noch ein Text, der mit "ich" beginnt. Ist alles andere verboten? Dann wieder dieses kuriose Uhrzeitformat. Liebe KVler, manchmal wird halt anders geschrieben als gesprochen, ist das denn so schwierig? Ich kann es nicht mehr sehen, sorry, Mychinos, der Text ist der, der das Fass in mir zum Überlaufen bringt.

 Judas meinte dazu am 01.03.20:
Armer, armer Darth_Rotmund.

 Mychinos antwortete darauf am 02.03.20:
Guten Abend Dieter,
dein Kommentar freut mich. Das mag ironisch klingen, ist aber ernst gemeint.

Liebe KVler, manchmal wird halt anders geschrieben als gesprochen, ist das denn so schwierig?
Nein. Schwierig ist das eigentlich nicht. Der Zweck dieses Textes war jedoch nicht von kreativer Natur. Der letzte Absatz fasst dies betreffend eigentlich alles ganz gut zusammen.

der Text ist der, der das Fass in mir zum Überlaufen bringt.
Ich hoffe, dieser Verdruss wird dir zu etwas Positiven nütze. Mich jedenfalls hat er dazu inspiriert, den Anfang spaßeshalber einmal zu reformulieren. Vielleicht kannst du ja daran ein wenig Freude finden.

Alles wirkt in den tausenden so tief gefühlten Eindrücken des Nicht-Seins so klar und
deutlich, dass es sich umso schwerer begreiflich macht, wie aus den schmelzenden Scherben
letztendlich nur eine einzelne, klare Impression grausamer Leere kristallisiert.

Eine halbe Stunde gespalten mit sich selbst debattiert. Sorglos dem Traum nachgespürt gegen
schmerzhaftes Selbst, das verantwortungsvoll die täglichen Sorgen konstatiert.
Tief aus der inneren Umnachtung schalt da der Richtspruch: der eigene Namen.
"Chop Wood, Carry Water." Also Aufstehen. Amen.

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 03.03.20:
Nun, wenn er "nicht von kreativer Natur" war und du "reformuliert" hast, warum dann immer das peinlich-falsche Uhrzeitformat? Mal davon abgesehen: Man muss die Regeln erst kennen, bevor man sie bricht.
Die Hälfte Deines Kommentars habe ich nicht verstanden, sorry.
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