Wir sind Untertanen der Zeit

Aphorismus zum Thema Zeit

von  EkkehartMittelberg

1. Zeit bringt sich immer wieder in Erinnerung. Das fängt mit dem morgendlichen Blick in den Spiegel an.
2. Es ist eine Illusion, Zeit zu haben. Vom Ende her gesehen hat die Zeit immer den Menschen im Griff.
3. Die Momente, in denen wir die Zeit vergessen, erheben uns zu den Göttern.
4. Momente, in denen man die Zeit vergessen hat, müssen oft teuer bezahlt werden. Dennoch waren es Momente der Souveränität gegenüber einer sehr strengen Herrscherin.
5. Menschen haben die Zeit geschaffen, um zu überleben. Tod bedeutet Befreiung von der Herrschaft der Zeit.

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Kommentare zu diesem Text


 DanceWith1Life (02.03.20)
Der Begriff der Zeit wird hier von Dir untersucht, nicht wahr.
Seine relative Bedeutung innerhalb subjektiver Empfindungswelten. Beim 5. versuchst du darüber hinauszugehen, meiner Meinung nach solltest du den noch überarbeiten. Denn Menschen haben nur die Zeitmessung erschaffen, um den verschiedenen Mysterien der Zeit und der unterschiedlichen Wahrnehmung derselben, überhaupt etwas konstantes entgegensetzen zu können.

Kommentar geändert am 02.03.2020 um 00:56 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Merci DanceWith1Life, das mit der relativen Bedeutung innerhalb subjektiver Empfindungswelten hast du zutreffend bemerkt. 5. werde ich nicht verändern, denn die Zeitmessung wurde bestimmt in einer Zeit erschaffen, als die Menschen noch keine Muße zum Philosophieren hatten und zum Beispiel beim Jagen nicht von plötzlicher Dunkelheit oder Kälte überrascht werden durften.

 TrekanBelluvitsh (02.03.20)
Alles unsere Existenz hängt von der Zeit ab. Das mit dem verstehen der Zeit ist dennoch nicht so einfach.

Gute Anregungen von dir.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 02.03.20:
Gracias, Trekan, auch ich kann mir Existenz der Menschen ohne Begriff und Messung von Zeit nicht vorstellen.

 LottaManguetti (02.03.20)
Mit der Zeit auf Augenhöhe hieße, etwas zu akzeptieren, was uns von Beginn an als unüberwindbar mit auf den Weg gegeben wurde.
Dagegen anzukämpfen ist Ausdruck endloser Sinnlosigkeit.
Optimal wäre, sich damit zu arrangieren. In jeder Hinsicht bedeutete dieses Arrangement Freiheit.
Aber, wer mag schon frei sein, wenn die Abhängigkeit um so vieles einfacher ist?

zu 2
Ich glaube, Zeit ist keine Illusion. Sie könnte (auch) eine Voraussetzung für die Lebensfähigkeit der bekannten Kreaturen sein. Wir Menschen wissen, dass Zeit (u.a.) ein Bewusstseinszustand ist, den wir anders nicht begreifen können. Für mich existiert sie, zwar nicht unveränderlich und nicht linear, dennoch dokumentiert in einer gewissen Kausalkette.

zu 5

Für Menschen ist wichtig, ihre "Dinge" zeitlich einzuordnen. Das gebietet ihr Bedürfnis nach Struktur. Dass es z.T. ohne geht, beweisen indigene Völker, deren Grammatik u.a. keine Zeitformen kennt. Da "lebt man" stetig in der Gegenwart.
[Ich habe mich eine Weile an der Uni mit Pirahã, der Sprache eines indigenen Volkes in Brasilien beschäftigt. Unter dem Aspekt der Sapir-Whorf-Hypothese, die sich mit dem Einfluss der Sprache auf das Denken beschäftigt, barg diese Untersuchung für mich einen unvorhergesehenen Hallo-Effekt. Abgesehen von den sprachwissenschaftlichen Überraschungen, eröffneten sich mir nebenbei philosophische Welten!]

Lieben Gruß und Dank für die Erinnerung
Lotta

edit: ein paar Einschränkungen eingefügt

Kommentar geändert am 02.03.2020 um 09:39 Uhr

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 02.03.20:
Grazie especiale. Lotta. "Aber, wer mag schon frei sein, wenn die Abhängigkeit um so vieles einfacher ist?" Da kann ich nur zustimmen.
Bei 2 handelt es sich um ein Missverständnis. Ich bin wie du der Meinung, dass Zeit keineswegs eine Illusion ist. Ich wollte sagen, dass manche der Illusion unterliegen, Zeit zu haben, so als könnten sie über sie verfügen. Meistens werden sie schmerzlich von ihr eingeholt und auf den Boden der Tatsachen zurückgeworfen.
Ich finde wahnsinnig interessant, was du über deine Beschäftigung mit der Grammatik von Pirahã mitteilst.
Weißt du, ob die klugen Sapir und Whorf mit bedacht haben, dass man auch Dinge denken kann, die sprachlich nicht existent sind, dass also das indigene Volk doch Vergangenheit kannte und sie bewusst nicht artikuliert hat, zum Beispiel aus Angst vor Vergänglichkeit?
Liebe Grüße
Ekki

 LottaManguetti äußerte darauf am 02.03.20:
Dazu kann ich grad nix sagen, Ecki. Da müsste ich in meinen Unterlagen stöbern. Woran ich mich grad noch erinnere, ist, dass diese Indigenen aufgrund fehlenden kulturellen Drucks keinen Anlass sehen, in Vergangenheit und Zukunft zu denken. Eine bewusste Vermeidung der uns bekannten Zeitformen, incl. Möglichkeitsformen kann ich (nicht beweisfähig) ausschließen.

Lieben Gruß
Lotta

 eiskimo (02.03.20)
Meine Zeit ist noch nicht gekommen. Ich warte noch.
Frag nicht wie lange, denn das nähme mir die Freiheit.
(.....)
Eiskimo

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 02.03.20:
Danke, Eiskimo, ich finde es besser zu warten, als das Bewusstsein von Vergänglichkeit mit oberflächlicher Ablenkung zu betäuben.
LG
Ekki
Jo-W. (83)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Vielen Dank, Jo. Man kann Gelassenheit ja so verstehen, dass man sich den Wirkungen der Zeit bis zu einem gewissen Maß überlässt. Das ist auf jeden Fall vernünftiger und gesunder, als einen aussichtslosen Kampf gegen die Vergänglichkeit zu führen.
LG
Ekki

 AZU20 (02.03.20)
Gerade im Augenblick empfinde ich Deine Aussagen ganz besonders. Sie sind wirklich stimmig. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Vielen Dank, Armin, spielst du auch auf die immer geringer werdende Zeit der Mediziner im Kampf gegen die Wirkungen des Corona-Virus an oder auf die reißende Zeit im Kampf gegen die Wirkungen der Erderwärmung? .
Lg
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 02.03.20:
Alles das und noch einiges mehr. LG

 Emotionsbündel (02.03.20)
Hallo Ekki,
vor ein paar Jahren habe ich mich ebenfalls mit dem Thema Zeit beschäftigt und folgende Gedanken festgehalten  Link zum Text.
Ich denke, ohne jegliche Zeiteinteilung funktioniert das Leben nicht - denn selbst der Stand der Sonne, Tag und Nacht und die Jahreszeiten stellen ja eine zeitliche Begrenzung dar. Und ob wir wollen oder nicht, sind wir doch irgendwie darin eingebunden.

Liebe Grüße,
Judith

Kommentar geändert am 02.03.2020 um 13:16 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Merci, Judith, dein Gedicht gefällt mir gut, weil du zwei Gedanken betonst, dass Zeit lebensnotwendig ist und dass wir ihr gegenüber nichtig und klein sind.
Liebe Grüße
Ekki

 AchterZwerg (02.03.20)
Wenn es sich so toll & freiheitlich anfühlt tot zu sein, frage ich mich, warum sich so wenige die Zeit dafür nehmen wollen ...

Der8.Untote

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Merci, Picola,
daran kannst du erkennen, wie bescheiden doch die meisten Menschen sind. Sie können sich sicher sein, dass der Tod kommt und darum wollen sie nicht ungeduldig sein und ihm vorgreifen.
Liebe Grüße
Ekki

 TassoTuwas (02.03.20)
Hallo Ekki,
die Zeit ist ein Diktator, mit dem man Anfang und Ende nicht verhandeln kann!
In der Zwischenzeit bleibt dem Menschen, und besonders dem Fantasievollen, wie in 3 beschrieben, das Beste daraus zu machen.
Schlitzohrige Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Spassibo, mein Freund, es kommt ganz selten vor, dass wir Menschen der Zeit ein Schnippchen schlagen können. Siegfried Lenz erzählt in der Kurzgeschichte" Das war Onkel Manoah", wie dieser seinen Neffen einlädt, um mit ihm bei einem festlichen Gelage seinen sanften Tod zu feiern. Es ist Onkel Manoah gelungen, dem Tod den Zeitpunkt seines Sterbens abzuringen.
Herzliche Grüße
Ekki
Cora (29)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Merci, Cora, das stimmt. Was meinst du, ob wir als Kinder der Zeit unser Verhältnis zu ihr auch dialektisch sehen können? Ich meine das so: Eine bestimmt Zeit hat uns geschaffen, aber wir sind in der Lage, unsererseits wieder eine neue Zeit zu prägen. Wenn dies zutreffen sollte, wären wir zugleich Kinder und Eltern der Zeit.
Cora (29) meinte dazu am 02.03.20:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Ja, einverstanden.
Sin (55)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Gracias, mein Freund, du gehörst zu den Menschen, mit denen ich gerne die Zeit vergessen würde.
Herzliche Grüße
Ekki

Antwort geändert am 02.03.2020 um 17:24 Uhr
Fisch (55)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Graziessisime, lieber Goldfisch. Verzeih die Liebkosung, aber dein Kommentar zeigt einmal mehr goldenen Humor. Ohne falsche Bescheidenheit: Wir sind ganz ordentliche Stürmer. Ich gebe dir ein paar brauchbare Assists und du machst wunderschöne Tore daraus. Die Zeit wird hindurchziehen, aber diese bleiben bestehen.

 Dieter Wal (02.03.20)
Diese Zeitvorstellungen ähneln Kronos-Saturn ohne die Revolution des Kairós der Griechen zu berücksichtigen. Kairos wurde oft als geflügelter Genius dargestellt.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Hallo Dieter, ich konnte den Kairós nicht berücksichtigen, weil ich ihn zu oft im Leben verpasst habe. Aber ich trage ihm das nicht nach. Er ist ein schnuckeliger Genius, den Marcel Proust auf der Suche nach der verlorenen Zeit auch vergeblich suchte.

 Dieter Wal meinte dazu am 02.03.20:
Bildertausch vom Sensenmann zum Jüngling.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Ja, der ist wunderbar.

 Dieter Wal meinte dazu am 03.03.20:
Ein Altphilologe meinte, der Wechsel sei eine Revolution im Zeitempfinden der Griechen gewesen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.03.20:
Davon bin ich überzeugt oder kennst du andere Stimmen?

 Didi.Costaire (02.03.20)
Gut, sich mal die Zeit zu nehmen, über eben jene nachzudenken. Und letztendlich auch gut, dass es sie gibt. Sonst wäre vieles sinnlos.

Schöne Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Du machst mich sehr nachdenklich Dirk.. Vielleicht ist unsere Suche nach Sinn dem Bemühen geschuldet, die reißende Zeit aufzuhalten, deren Wirkung wir etwas Bleibendes entgegensetzen möchten.
Schöne Grüße
Ekki
Agneta (62)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Das stimmt zwar, Monika, aber bei allem guten Willen gehört eine begnadete Natur dazu, die Zeit öfter vergessen zu können.
LG
Ekki
wa Bash (47)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Danke, deine Feststellung klingt logisch und ich vermute, dass sie stimmt.
LG
Ekki
una (56)
(02.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.03.20:
Vielen Dank für die schönen Ergänzungen zur Relativität der Zeit, ein Aspekt, den man nicht genug betonen kann, liebe Una-
LG
Ekki
bleibronze (69)
(03.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.20:
Welch schöner Kommentar, bleibronze. Er hat selber aphoristische Qualität.
LG
Ekki
Al-Badri_Sigrun (61)
(03.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.03.20:
Vielen Dank, Sigi, die Nr. 5 setzt eine Aussage voraus,, die ich in 4. gemacht habe, dass die Zeit eine strenge Herrscherin ist. Dann wird klar, dass der Tod uns von ihr befreit.
Liebe Grüße
Ekki
Sätzer (77)
(04.03.20)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.03.20:
Danke für deine großzügige Interpretation, Uwe.
LG
Ekki

 blauefrau (04.03.20)
Man sollte den Tod nicht abschaffen, sonst ist Zeit sinnlos.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 04.03.20:
Merci, blauefrau, das ist ein hochinteressanter Gedanke. Ich vermute, dass auch bei ewigem Leben aller der Zeitbegriff nicht verfallen würde, weil kapitalistisches Denken weiterhin im Zeitgewinn Kapitalgewinn sähe.
LG
Ekki

 harzgebirgler (21.12.20)
von "sein und zeit" zu "zeit und sein"
schlug heidegger den denkweg ein...

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.12.20:
Merci, Henning, wo über Zeit philosophiert wird, darf Heidegger nicht fehlen.
Frohe Festtage und LG
Ekki

 Dieter_Rotmund (26.02.21)
Es ist eine IllusionKOMMA Zeit zu haben.

Erweiterter Infinitiv. Bitte.

Der eigentliche Skandal ist, dass dich nach fast 12 Monaten noch keiner darauf hingewiesen hat.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.02.21:
Ich würde mich über deinen Hinweis mehr freuen, wenn dir auch inhaltlich etwas einfiele. Aber diesbezüglich sind dir sehr enge Grenzen gesetzt.
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