Tag 49: Freitag, der 1.5.

Tagebuch zum Thema Aktuelles

von  Manzanita

Ich schlafe noch. Ich höre die Regentropfen, die draußen auf den Asphalt knallen. Aber ich schlafe noch. Ich höre noch den Traum, oder zumindest mein Gehirn. Ich nicht, ich bin schon wach. Eigentlich müsste ich jetzt anfangen zu arbeiten. Aber dieser Freitag wird ganz anders als alle anderen sonst, mal der nächste ausgenommen, der ist ja ebenfalls Feiertag. Ich schlafe noch. Nicht so meine Schwester. Wahrscheinlich ist es acht, jetzt “darf” sie meine Eltern wecken. Sie kommt aus ihrem Zimmer und, dank ihr, erweckt diese kleine Welt namens Familienleben. Das Feiertagsfamilienleben.

Es gibt Frühstück, zumindest für alle anderen. Ich schlafe noch. Ich schlafe tief, aber ich höre. Ich nehme auf passive Art am Leben teil. Aber ich kann nicht den ganzen Tag durchschlafen, denke ich mir, obwohl mein Gehirn bestimmt dazu fähig wäre. Also nehme ich all meine Kräfte zusammen und stehe auf. Eigentlich erwarte ich jetzt von mir, dass meine Muskeln ihre Beschwerden zu dieser Entscheidung treffen, aber sie scheinen ganz damit eiverstanden zu sein. Ich schlafe nicht.

Jetzt gibt es richtig Frühstück, ich nehme aktiv daran teil. Obwohl Feiertag und anschließend Wochenende ist, muss ich für Englisch Hausaufgaben machen. Die “kreativen” Hausaufgaben, die uns der Lehrer jedes Mal aufgibt, werden immer uninteressanter und langweiliger und anstrengender. Wir sollen ein gut verständliches englisches Lied mit Videoclip raussuchen und dazu einen Text schreiben. Für den Text gibt er uns einige Fragen mit. Aber wir sind keine Familie, die gerne diese grässliche, moderne Musik hört. Wenn wir welche hören, was wir selten tun, meistens aber mein Vater nur, dann klassische. Deswegen wird mir mein Vater ein Lied raussuchen, damit beschäftigt er sich auch jetzt.

Ich hingegen habe ja gestern den Betriebshof der Lego-Eisenbahn gebaut, und dessen Schienen werde ich jetzt numerieren, wie ich es mit allen anderen auch tue. Ich schreibe für jede Schiene eine Nummer auf die Unterseite, damit ich genau weiß, wo welche Schiene hingehört. Warum ich dieses Wissen brauche? Keine Ahnung. Warum ein Staat Militär braucht, wenn die Flüchtlingshilfe verstärkt werden soll, weil dessen Situation so schlecht ist? Keine Ahnung.

Als es draußen aufhört zu regnen, schlägt meine Mutter vor, rauszugehen, und ich schlage vor, wieder einen Spaziergang durch die Stadt zu machen, weil im Park jetzt alles voll Schlamm sein wird. Mein Vater sagt, wir können zu einem spanischen Restaurant gehen, wo Essen “to go” verkauft wird. Also los!

Wir sind auf halbem Wege, da geht es meiner Mutter immer schlechter. Wahrscheinlich Migräne, denkt sie, und nimmt deswegen eine Tablette, die sie immer als Notration dabei hat. Wir gehen weiter. Aber die Tablette hilft nicht und es wird schlimmer und schlimmer. Meiner Mutter geht es nun schlecht, und wir sind noch nicht angekommen. Aber wir sind gleich da, weswegen wir nicht umdrehen. Zwar nicht ganz so gleich, aber immerhin bald, kommen wir an. Aber das Lokal ist zu, wahrscheinlich wegen Feiertag.

Also wieder den ganzen Weg zurück. Meiner Mutter geht es immer schlechter. Sie würde gerne mit der U-Bahn zurückfahren, aber wir haben keine Masken dabei. Wir müssen laufen. Es dauert. Es dauert lange. Meine Mutter geht sehr langsam, weil ihr langsam auch übel wird. Es fängt an zu regnen, erst nieselt es nur, dann fallen immer mehr Regentropfen vom Himmel.

Wir kommen an. Meine Mutter legt sich ins Bett, heute kocht mein Vater mit Hilfe von meiner Schwester und mir. Kurz nach dem Mittagessen kotzt meine Muter. Hoffentlich geht es ihr morgen wieder besser, und hoffentlich war das keine Migräne (und auch nicht Covid-19, natürlich), denn dann hätte die Tablette nicht geholfen. Wir spielen ein Tischspiel, dann gehen wir auf einen Parkplatz skaten, dann habe ich Englisch über Skype. Der Lehrerin sind die Feiertage egal, aber sie hat Angst um ihren Gehalt.

Zuletzt spiele ich ein bisschen OMSI, wobei ich erst eine Stunde zum Laden brauche, bevor ich eine weitere die Strecke abfahre. Hoffentlich wird morgen alles wieder normal, besser.

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