Sein Glaube war ihm wichtiger als die Mutterliebe

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Elf Jahre nach ihrem Weggang kehrte Rabis Mutter überraschend nach Trinidad zurück. Aber die Dinge lagen nicht mehr wie zuvor. Ein Großteil von Rabis Familie hatte sich zum Glauben bekehrt:
Mir tat meine Mutter leid. Sie war gewiss durch das ganze Haus gegangen. Der Andachtsraum war leer. Die Götzen und Bilder der Gottheiten an den Wänden waren weg. Das muss hart für sie gewesen sein. …
    Wir waren alle Christen und sie eine überzeugte Hindu. Wir müssen ihr wie Fremde vorgekommen sein. … Trotz meiner Liebe zu ihr trennte uns eine Kluft.
  Da war es endlich, das Wiedersehen, an das ich schon lange nicht mehr geglaubt hatte. So viel wollten wir einander erzählen, aber die Schranke zwischen ihr und uns konnte nicht übersehen werden.
  Sie war voller Lob für Baba Muktananda, den Guru, in dessen Tempel sie die ganzen Jahre gelebt hatte. Als inzwischen ausgebildete Yogalehrerin wollte sie uns die Vorzüge der Körperkontrolle durch Meditation anpreisen – wodurch man sich der Herrschaft böser Geister öffnete, wie wir erkannt hatten; aber wie hätten wir ihr das beibringen können?
    Sie hätte mich gerne noch mehr über den Hinduismus gelehrt – aber ihr wurde klar, dass ich ihre Auffassungen nicht mehr teilte. So gingen wir beide einem Streitgespräch aus dem Wege.

Diese Kluft kenne ich übrigens auch. Nach meiner Bekehrung zum christlichen Glauben im Jahre 1985 entstand sie auch zwischen mir und meiner mütterlichen Verwandtschaft. Sie verstanden mich einfach nicht und meinten, dass ich in einer Sekte gelandet wäre.
    Aber da muss man dann durch, denn man möchte ja nicht seine wichtigste  Überzeugung einem halbgaren Familienfrieden opfern. Jedenfalls für mich kam das nicht in Frage!

Nach drei Tagen fuhr sie nach Port of Spain, um dort die höchste Stellung im größten Tempel Trinidads zu bekleiden. Es tat uns allen weh, dass sie uns schon so bald wieder verließ, aber die Schranke zwischen uns war nicht wegzuleugnen.
  »Komm doch auch mit in den Tempel«, versuchte sie mich zu überreden, bevor sie abreiste. »Sobald du wieder zur Schule gehst, musst du mich wenigstens besuchen! Da sind schöne Zimmer, die uns zur Verfügung stehen, und es ist nicht weit zum Queen’s Royal College.«

Doch nichts konnte mich dazu bewegen, an einem solchen Ort zu wohnen; nicht einmal die Nähe meiner Mutter. Wenn sie es nur verstehen würde! Selbst ein Besuch war mir zuwider. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel, dass sich hinter jenen Götzen dämonische Mächte verbergen, welche die Anbetenden in Ketten der Finsternis gefangen halten.
  Natürlich hoffte die Mutter ihn zum Hinduismus rückbekehren zu können, wenn er erst einmal wieder unter ihrem und dem Tempeleinfluss stünde. Und es war sicherlich weise von Rabi, sich einem solch starken Einfluss nicht auszusetzen.
  Manche Dinge gehen einfach nicht, wenn man sich für einen bestimmten Weg entschieden hat.

Aber zumindest besuchte er sie ab und zu im Tempel:

Bei jedem Besuch versuchte sie mich von Neuem zu überreden, aber ich gab ihr nur ausweichende Antworten, weil es mir zu grausam schien, ihr Angebot rundweg abzuschlagen.
    Es muss bitter für sie gewesen sein. Sie hatte so viel von mir erwartet und jetzt war ich ihr sogar zum Anstoß geworden. Jeder Hindu auf der Insel achtete sie und auf ihren vielen Vortragsreisen fragte man sie natürlich nach mir.
    Meine Besorgnis um sie ging aber viel tiefer: Ich fürchtete um ihr ewiges Schicksal. Sie war den Göttern völlig ergeben. Gott hatte sich in seiner Güte zu mir geneigt. Gewiss konnte er sich auch meiner Mutter offenbaren. Täglich betete ich um ihr Heil.
Besser als mit seiner Mutter über Jesus zu reden erschien es ihm, mit Jesus über seine Mutter zu sprechen. Eine - aus meiner Sicht - durchaus weise Entscheidung!

Gedankenimpuls:
Die Nachfolge Jesu ist eine radikale Lebensentscheidung, die auch Opfer fordern kann: „Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert!“ (Matthäus 10,37)


Anmerkung von Bluebird:

Folge 20 des  nacherzählten Lebensweges von Rabi Maharaj. Die Zitate entstammen aus seiner Autobiografie: Der Tod eines Guru

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