Kind – manchmal

Innerer Monolog zum Thema Selbsterkenntnis

von  IngeWrobel

~

Es passiert, dass ich eine Ziffer in ein Kästchen setze oder einen Buchstaben auf eine Linie schreibe und mich ein plötzliches Glücksgefühl überkommt: Ich bin stolz, dass ich Zahl und Wort so formvollendet hinbekommen habe.
Für Sekunden bin ich Kind, Lernende, mit demselben Eifer, mit dem Kinder Neues ausprobieren, das ihnen Spaß macht.
Und ich bin für Sekunden glücklich und dankbar, weil ich schreiben kann.
Manches wird uns selbstverständlich – das meiste im Leben wird uns selbstverständlich.

Es passiert, dass ich einen Menschen kennenlerne, der in Sekunden ein wohliges Gefühl in mir weckt. Und ich erinnere mich, dass ich das schon als Kind kannte. Damals ergab sich wie von selbst ein Gespräch, ein näheres Kennenlernen.

Inzwischen ist alles komplizierter geworden. Statt Dankbarkeit für die Chance überrollt uns meistens die Selbstverständlichkeit. Die Chance wird nicht ergriffen: nicht jetzt ... vielleicht später ... bleibt letztlich ungenutzt. 

Manchmal wünsche ich mir, wieder Kind zu sein. 

~

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (25.06.20)
Hallo Inge,
zum frühen Morgen schon eine Frage, die darauf hinausläuft, wann beginnt das Alter?
Wenn alles "selbstverständlich" ist und "Ich will meine Ruhe haben" zur Antwort wird, ist es schon vor dem Frühstück sehr spät geworden!
Liebe Grüße
TT

 IngeWrobel meinte dazu am 27.06.20:
Lieber TT,
so lange wir uns überhaupt noch diese Deine Frage stellen, ist es nicht zu spät.
Mit der "Altersweisheit", die zum Teil schmerzhaft erworben wurde, und der Fähigkeit, manchmal wieder Kind zu sein, haben wir eine gute Basis für eine entspannte und frohe Lebensphase.
Frühstück ist ja vorbei ... also sage ich "Prost!" mit dem heutigen Absacker! (Kräutertee mit Honig)
Herzliche Grüße
Inge

 susidie (25.06.20)
Liebe Inge, in sich das Kind zu bewahren ist eine Lebensaufgabe. Glücksmomente tief empfinden zu können benötigt als Grundlage die Dankbarkeit, die leider oft vergessen wird bei aller Selbstverständlichkeit. Und je später es im Leben wird, desto weniger sollte man "vielleicht später" leben. Die Lebenszeit wird immer kürzer. Ein schöner Text zur Selbsterkenntnis. Dankbar grüßt dich, Su :)

 IngeWrobel antwortete darauf am 27.06.20:
Liebe Su,
Du hast mit allem, was Du sagst, Recht – ich mag dem nichts mehr hinzufügen.
Sei sehr lieb gegrüßt
von der Inge

 DanceWith1Life (25.06.20)
Dein Text weckte eine ganze Reihe von Gedankengängen, und da bin ich ja nicht der einzige. Und wie ich so überlege, welchen davon ich jetzt aufgreife und dir hier lasse, fällt mein Blick nochmal auf das Wort "kompliziert", das gibt es ja inzwischen sogar als Beziehungsstatus, ich glaube, damit ist eigentlich alles gesagt.
Das heisst, es gibt sogar noch diesen Spruch, warum einfach,wenn....

 IngeWrobel schrieb daraufhin am 27.06.20:
Lieber DW1L,
ich freue mich über Deine Beschäftigung mit dem Text.
Tatsächlich ist "kompliziert" eines der beiden Schlüsselwörter (neben "selbstverständlich").
Und dieser Spruch: "Warum einfach, wenn's auch kompliziert geht?" zeigt sehr deutlich, wohin uns das Erwachsensein führen kann.
Ich ernenne "einfach" zum "Gegenschlüsselwort".
Liebe Grüße
Inge : )
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram