Der verzweifelte Schrei

Anekdote zum Thema Alles und Nichts...

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Es geschah aber, als er in die Nähe von Jericho kam, da saß ein Blinder am Wege und bettelte. Als er aber die Menge hörte, die vorbeiging, forschte er, was das wäre. Da verkündeten sie ihm, Jesus von Nazareth gehe vorüber.
Und er rief: Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!  Die aber vornean gingen, fuhren ihn an, er sollte schweigen. Er aber schrie noch viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner!

Jesus aber blieb stehen und befahl, ihn zu sich zu führen. Als er aber näher kam, fragte er ihn: Was willst du, dass ich für dich tun soll? Er sprach: Herr, dass ich sehen kann. Und Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.
  Und sogleich wurde er sehend und folgte ihm nach und pries Gott. Und alles Volk, das es sah, lobte Gott. (Lukas 18. 35-43)
Es war während einer CVJM-Ferienfreizeit in Wagrain (Österreich), dass am Abschlussabend unter Anderem diese  Bibelszene von unserer kleinen, morgendlichen Andachtsgruppe aufgeführt wurde. Mir war die Rolle des blinden Bettlers zugefallen.
  Nun saßen also alle Jungens und Leiter draußen locker verteilt auf der Wiese vor dem Haus, als Jesus (unser Andachtsleiter) mit  ein paar  Jüngern den Weg heraufkam. Er möchte vielleicht 15-20 Meter entfernt gewesen sein, als ich mein „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ rief. Doch, vielleicht etwas eingeschüchtert von der großen Kulisse, eher kläglich - zaghaft.
  Sicher hatte Jesus es vernommen, aber er tat so, als hätte er nichts gehört und ging einfach weiter. Ich rief noch einmal ein wenig lauter, mit dem gleichen Erfolg. Jesus ging einfach weiter. Im Publikum entstand eine  leichte Unruhe und aufkeimendes Gelächter. Einer der größeren Jungs rief mir zu: „Na, wenn das noch was geben soll, musst du dir schon ein wenig mehr Mühe geben!“ Allgemeines Gelächter.
Und dann schrie ich mit der ganzen Kraft ehrlicher Verzweiflung mein „Jesus, du Sohn Davids, erbarme dich meiner!“ , dass es jedem durch Mark und Bein gegangen sein dürfte. Erschüttert und stumm saßen sie da, während Jesus sich umdrehte und auf mich zukam.

Eine nette Ferienanekdote, möchte man meinen. Aber im Rückblick von nun etwa 50 Jahren ( ich bin 62 Jahre alt) würde ich dem Ganzen einen etwas tieferen Sinn geben wollen.
  Denn bis zu diesem Zeitpunkt war ich ein brav-gläubiger Junge gewesen, durchaus wohlbehütet aufgewachsen. Aber von dem Zeitpunkt geriet ich wie von unsichtbarer Hand gelenkt in einen Strudel pubertärer Ereignisse, die meinen Glauben im Schnellverfahren aufrieben. Als ich Anfang 20 dann endlich wieder festen Boden unter die Füße bekam, war von meinem Glauben nur noch eine vage Erinnerung zurückgeblieben.
  Es bedurfte dann noch weiterer sieben Jahre, bis ich in tiefer Not mein: Jesus, erbarme dich meiner! - dieses Mal lebensernst gemeint - rief!1


Anmerkung von Bluebird:

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