Tiefe Erkenntnisse auf der A 37

Kurzprosa zum Thema Ehe

von  eiskimo

Sie, ein gutbürgerliches Ehepaar um die Fünfzig, hatten gerade eine sehr anregende Frühsommer-Reise an die Loire beendet und waren auf der Rückfahrt nach Deutschland, da konfrontierte seine liebe Beifahrerin ihn mit einer tiefgründigen Einsicht.
Die Strecke führte sie um die Stadt Metz herum; er war genervt von den Überholmanövern der LKWs, die sich minutenlange Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten, und seine Gedanken gingen schon in Richtung Erfrischungsgetränk und einem Sandwich „au fromage“ - rechter Hand sahen sie das riesige blau-gelbe Lager eines schwedischen Möbelhauses, dahinter  konnte er endlich wieder etwas schneller fahren, nun, vielleicht sollten sie die Pause noch etwas rausschieben, denn es lagen noch locker 400 Kilometer vor ihnen -
„Weißt du, Schatz, was ich nach reiflicher Überlegung beschlossen habe?“
Er wusste es natürlich nicht, und da seine Frau schon eine ganze Weile vor sich hin gebrütet hatte – normalerweise plappert sie ziemlich viel; sie behauptet immer, sie müsse damit den Fahrer wach halten, und die Zeit verginge dadurch ja auch viel schneller, und sie fand eigentlich immer etwas zu kommentieren; seinen Fahrstil, die komischen Leute links, die sie nun schon zweimal überholt haben oder warum er schon wieder an den Fingernägeln kaue – jedenfalls blickte er kurz zu ihr hinüber und sagte, vielleicht ein bisschen zu lässig und nicht wirklich neugierig:
„Nein, weiß ich nicht.“
Jetzt ließ sie ihn warten und guckte ganz angestrengt auf ihre rechte Straßenseite. Beleidigt? Oder nur eine Laune, die sie schon einmal hatte, um ihn zappeln zu lassen?
„Ich habe beschlossen, dass ich doch kein Schloss in Frankreich haben will!“
Puhhh. Innerlich atmete er auf. Das war ja noch mal gut gegangen. Manchmal konnte seine Frau nämlich ziemlich dramatisch sein, und dann kamen nach so langem Brüten irgendwelche grundsätzlichen Vorhaltungen, meistens, weil er wieder etwas Wichtiges vergessen oder sie auf andere Weise sehr enttäuscht hatte. Nun also ganz harmlos:
„Rein Château-mäßig passen unsere Möbel nicht, Schatz. Und bei den Antiquitätenhändlern oder im Internet halbwegs altes Mobiliar zusammensuchen, das wäre zu kompliziert.“
Er nickte voller Inbrunst. Ja, er war froh, nicht in der Schusslinie zu stehen. Eigentlich ein amüsanter Gedanke seiner Liebsten. Dann bekam er aber doch noch sein Fett weg:
„Du bist auch handwerklich nicht gut genug, passende Möbel zu bauen.“
Und als er nur betreten nickte:
„Wahrscheinlich hättest du auch gar keine Lust dazu, nur für mich!“

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (11.07.20)
Herrlich!

 eiskimo meinte dazu am 11.07.20:
Danke! So geht halt Eheleben....
lG
Eiskimo
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