Später Start ins Sportler-Glück

Geschichte zum Thema Ruhm

von  eiskimo

Meine sportlichen Lorbeeren fallen mickrig aus. In einer Welt, wo Fußball-Stars Millionen scheffeln, und komplette Fernsehsender nur davon leben, hoch dotierte Sport-Events live zu übertragen, da bin ich eine Null.
Fans, die wie im Rausch meinen Namen skandieren, La-Ola-Wellen starten oder wenigstens frenetisch Beifall klatschen – nee, die hatten mich einfach nicht auf der Liste. Dabei hatte ich als Dreizehnjähriger bei den Bundesjungendspielen tatsächlich einmal mit 101 Punkten eine Ehrenurkunde geschafft, hauchdünn, aber immerhin! Die Anerkennung der Sportwelt hielt sich allerdings sehr in Grenzen. Kein Scout mochte mich entdecken oder gar frühzeitig unter Vertrag nehmen. Kein Sponsor weit und breit, nein, selbst als ich beim Fußball-Klassenspiel der 8c gegen die 8d das entscheidende Tor zum ruhmreichen 2:2 erzielte. Okay, Otmar Britzel, Torwart der  8d (d wie doof!), hatte mich bei seinem missglückten Abstoß angeschossen, und der Ball konnte gar nicht anders, als naja, …. Und dass ich beim Tischtennis-Rundlauf fast immer ins Endspiel kam, war nicht einmal der Schüler-Zeitung damals eine Notiz wert.
Nun, ich wäre wahrscheinlich Applaus-technisch und als potentielles Sportidol total in der Versenkung geblieben, wenn ich nicht vor einigen Jahren zum Radsport gewechselt wäre. Da haben, so ist meine beglückende Erfahrung, auch Senioren noch eine Chance.  Der Radsport hat nämlich das große Plus, dass man da individuell unterwegs ist und eine sehr farbenfrohe Kluft trägt – man wird also wahrgenommen. Und wie!
Ich war gerade im schönen Burgund bei glühender Sommerhitze ein Teilstück der Tour de France nach gefahren - konkret den mörderischen Anstieg von Santenay nach Nolay, 13 Kilometer auf kochendem Asphalt, bis zu zehn Prozent Steigung - da kam ich in diesem Weinort an der Kirche an, wo ich schön im Schatten mein Auto geparkt hatte. Schwitzend begann ich, mir meine schicke Profi-Rennrad-Kleidung vom Leib zu wursteln. Wer einmal diese eng sitzenden Stretch-Bodies am Leib hatte, weiß, was ich meine. Das ist wie verklebt. Als ich gerade mein schwarzes Beinkleid mit dem tollen Schriftzug „Look“ drauf vom Po her nach unten rollte, passierte es.
Eine Hochzeitsgesellschaft bog um die Ecke zur Kirche ein, vorweg das Brautpaar in einem offenen Oldtimer stehend, und dahinter der Korso mit den Gästen. Ich keine fünf Meter weg, den Allerwertesten entblößt, in meiner ganzen sportiven Männlichkeit.
Was sollte ich in dem prompt einsetzenden Gehupe, Gejohle und Geklatsche anderes tun als … endlich einmal dieses Hochgefühl sportlichen Ruhmes auszukosten?  Die ultimative Weihe der Fans! Ich reckte die Fäuste zum Himmel, zog es dann aber doch vor, schnell in mein Auto zu flüchten. Warum? Ein Rest von Schamgefühl? Nein - schließlich sollte die Braut an jenem Tag nur Augen für ihren Kerl haben. Ehrensache unter verdienten Sportlern.

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Kommentare zu diesem Text


 minze (11.07.20)
Ich les immerwieder gerne deine leichten Texte,bissl erinnert es mich als Kolumnen, lockere Notizen, hat hier Spaß gemacht. Aber das Ende finde ich zu gezwungen,würde enden,wenn du ins Auto flüchtest ;)

 eiskimo meinte dazu am 11.07.20:
Danke für Deine aufbauenden Worte - an dem Ende knabbere ich noch, vielleicht kürze ich es tatsächlich.
An Deinen Texten finde ich auch immer sehr viel Lebensnahes, und ich schätze sie sehr!
LG
Eiskimo

 minze antwortete darauf am 12.07.20:
:)

 AZU20 (11.07.20)
Du hättest dem Kerl vermutlich Konkurrenz gemacht. LG

 eiskimo schrieb daraufhin am 11.07.20:
Das ist keine Frage. Als spät berufener Held des Sports ...
Seniorengrüße
von
Eiskimo
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