Humanismus 3: Faschismus

Text zum Thema Fremdenfeindlichkeit

von  Terminator

Du bist 18 und vital, willst dich verwirklichen, entfalten. Bindungen aller Art empfindest du als belastend. Du willst weder durch horizontale noch vertikale Beziehungen deine Selbstbestimmung einbüßen; weder Gleichmacherei noch Unterordnung deiner Interessen unter ein gemeinsames Ziel willst du akzeptieren. Die freiheitliche Gesellschaft des Liberalismus ist für dich optimal.

Zwanzig Jahre später bist du Familienvater geworden. Deine berufliche und freizeitliche Wahlfreiheit hast du verwirklicht, auch sozial hast du deine Wahl getroffen: du willst nicht allein, sondern in einer Familie leben. Freiheit brauchst du eigentlich nicht mehr, denn du hast dich schon frei entschieden. Und jetzt hast du andere Sorgen. Das Schlechteste, was dir als Vater passieren kann, ist, dass deinem Kind etwas passiert. Jetzt siehst du die Polizei nicht mehr als Unterdrücker deines anarchisch-freiheitlichen Austobungstriebes, jetzt würdest du gern mehr Polizisten sehen, am besten an jeder Ecke, an der deine Tochter im Laufe des Tages vorbei muss. Du regst dich auf über all den kriminellen Dealerabschaum und forderst, dass der Staat endlich schärfere Gesetze gegen Kinderpornographie erlässt. Du misstraust Fremden und würdest dich in einer ethnisch und kulturell homogenen Gesellschaft viel wohler fühlen. Glückwunsch, du bist jetzt Faschist.

Von sozialdarwinistischen Ursprüngen des Faschismus wollen wir uns vom höchsten Wert des faschistischen Humanismus nicht ablenken lassen: der Sicherheit. Letztlich ist das Überleben, die Sicherheit der Nachkommen, auch darwinistisch gesehen, das höchste Ziel. Die faschistische Gesellschaft ist kriegerisch nach außen, aber homogen und friedlich im Inneren. Der Sozialdarwinismus der Faschisten ist rassistisch und richtet sich gegen andere Gesellschaften oder fremde Gruppen, er ist keineswegs als neoliberaler Sozialdarwinismus nach Adorno-Horkheimerschem Gesetz des Dschungels zu verstehen.

Der faschistische Vater Staat scheitert wie die sozialistische Mutter Staat an der menschlichen Natur. Entweder wird man vom äußeren Feind besiegt oder man ermüdet in der Diktatur der Sicherheit und kehrt allmählich zum entropisch verträglicheren Liberalismus zurück. Nicht zu vernachlässigen ist, dass der Welthegemon des 20. Jahrhunderts das liberale angloamerikanische Imperium ist. Faschistische Staaten werden gegen den sozialistischen Machtblock ausgespielt, benutzt und wieder fallengelassen. Eine faschistische Weltunion ist ein Ding der Unmöglichkeit, weil die ideologische Grundlage des Faschismus eine internationale und multikulturelle Gesellschaft ausschließt. Deutschland und Japan wären nach einem gemeinsam gewonnenen Weltkrieg mit großer Wahrscheinlichkeit wie in der Dystopie von Philip K. Dick sofort Feinde geworden.

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Kommentare zu diesem Text


 Regina (24.07.20)
"homogen und friedlich im Inneren" war der Hitlerstaat nicht. Da gab es die Gauleiter, die Denunzianten und die Andersdenkenden. Die Juden waren nicht außen, sondern seit Römerzeiten Teil der Gesellschaft. L G Gina

 Terminator meinte dazu am 24.07.20:
Die Beschreibung beschreibt das Ideal der Sicherheit (welches wie das Ideal der Freiheit bzw. Gleichheit natürlich nicht erreicht wird). Die real existierenden faschistischen Staaten haben das Ideal genausowenig verwirklicht wie die Liberalen und Sozialisten ihr Ideal.

 Willibald (24.07.20)
Ok,
Und du meinst, der Idealtypus einer Gesellschaftsform ist in seiner Wertigkeit und praktischen Relevanz nicht entwertet, wenn der Realtypus eklatante Schwächen aufweist. Und diese Schwächen mit dem Hinweis darauf entschuldigt werden, dass das Erreichen des Idealtypus bestimmte Einbußen legitimiert?

 Terminator antwortete darauf am 24.07.20:
Ich übe hier grundsätzlichere Kritik, indem ich zeige, wie alle drei Ideologien des Humanismus sich selbst widerlegen, weil die jeweiligen Gesellschaften nicht funktionieren können.

Besonders Sozialisten sagen ja immer wieder, die Idee sei gut gewesen, aber falsch verwirklicht worden. Deshalb muss man die Idee selbst kritisieren.
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