In der Reihenhaussiedlung in der Emanuel-Schreiber-Gasse lief ein Kater herum, der eigentlich den Bauers gehörte, aber nachdem der Sohn dem Tier ein Auge mit einem Dartpfeil ausschoss, kümmerten sie sich nicht mehr um das Tier, das taten dann die Nachbarn und der Kater, er hieß Sascha, war der Liebling aller, jeder fütterte ihn, bis man sich ausmachen musste, wer ihn wann füttern sollte, denn er wurde schon ziemlich dick und das tat jedem in der Seele weh. So überließen wir die Abendfütterung der Frau Reiser von gegenüber aus dem Sozialbau, die liebte das Tier ganz besonders, das war die alte Mama von dem Franzi, dem Sohn mit der Trisomie 21, der immer mit Bogarthut am Spielplatz war und sicher schon um die 40 war, aber trotzdem jünger aussah und mit uns spielte, und in der Früh fütterten die Krummböcks und wenn die auf Urlaub waren, dann meine Oma. Mit den Bauers redete man kein Wort mehr, die waren "unten durch", das sagte die Oma, "so ein Gsindl!" Aber, obwohl die Oma fand, dass das ein Gsindl war, sozusagen schlechte Menschen, schickte sie mich immer einmal die Woche zu ihnen, um Knochen für die Cora, den Schäferhund, zu bringen. Cora war ein Wachhund und knurrte ständig, wenn man vorbeiging, aber mich knurrte die Cora dann nicht mehr an, weil ich die Knochen brachte und dann redete ich mit ihr und sie stupste mich immer an, weil sie das Sackerl (Tüte) mit den Knochen schon haben wollte, das waren zumeist Rindsknochen, das liebte sie ganz besonders oder Hendlknochen, also vom Huhn, aber nur die schönen, weil sie sollte nicht daran ersticken, kleine Knochen bekam sie nicht. Daneben wohnten die Beisteiners und ich war die beste Freundin von der Karin, der Tochter, und dann gab es noch den Thomas und den Jürgen, die Zwillinge und ich war in den Thomas verliebt, da war ich fünf und wenn der nicht da war, dann eben in den Jürgen, die sahen gleich aus, obwohl nicht ganz und das war eine praktische Sache, so konnte man eigentlich immer verliebt sein und dann saßen wir alle vier in dem Schwimmbecken, das die Oma für uns gekauft hatte, ich vergaß zu erwähnen, dass hinter unserem Haus noch ein Garten war, ein kleiner, so groß wie meiner jetzt, aber das kann der Leser nicht wissen, wie groß das ist, nun, zirka 30 Quadratmeter, und hatten unseren Spaß, bis die Zwillinge in die Schule kamen, dann waren sie sich zu gut mit uns jüngeren Mädchen zu spielen und ich war dann nicht mehr verliebt, weil das fand ich gemein. Die Beisteiners waren auch nicht beliebt, also der Vater, der war alleinerziehend, weil ihm die Frau weggelaufen ist und mit den drei kleinen Kindern alleine gelassen hat, er war erst 25, sie war 22, war mit 16 das erste Mal schwanger, gleich mit den Zwillingen, ein Jahr später kam die Karin auf die Welt und beliebt war er nicht, weil er "die Weiber wechselte wie die Unterhosen", sagte die Oma, bei sowas waren die Leute gnadenlos konservativ. Auf acht wohnten die Hafners, die waren vorerst so nett, brauchten so lange bis sie endlich ein Kind bekommen haben und dann lief der Frau Hafner der Mann davon, weil er eine Jüngere schöner fand. Er trank auch viel und schlug die Frau Hafner. Die Oma sagte: "Der Depperte!" Das war er aber wirklich. Auf 10 wohnten die Reifböcks und der Herr Reifböck hatte eine 20 Jahre jüngere Frau, die voll lieb war und einen Wohnwagen, den er immer vor Omas Garten stellte und darunter wohnten total viele Nacktschnecken, da grauste uns Kindern immer und überhaupt, eines Sommers kamen so viele Nacktschnecken, dass die Oma "Jössas, Maria und Josef!" schrie, weil die ganze große Wiese voll von Nacktschnecken war, alles war rot und klebrig, keiner konnte mehr gehen ohne Ekel und wir Kinder verzichteten auf das spielen dort. Alles war voll, sogar auf dem Wohnwagen klebten die Schnecken und die Oma rief: "Der depperte Wohnwagen, der vertrottelte!" - Was das allerdings mit den Schnecken zu tun hatte, das weiß ich bis heute nicht, aber der Unmut über die Schnecken schlug sich auch auf den Wohnwagen über und wenn sie den Herrn Reifböck sah, war die Oma ganz freundlich und er half ihr auch viel, aber so wirklich mögen haben sie sich nicht, nur, als die Oma ihren Schlaganfall bekam, rief er die Rettung an und führte den Opa ins Spital zu Oma, damit er ihr beim sterben zusehen konnte, da schlief er drei Tage und Nächte bei ihr, bis sie starb und da sagte er, er hat die ganze Zeit ihre Hand gehalten, dem Reserl und das war ihm wichtig, aber der Herr Reifböck war da wirklich lieb, das muss man sagen und sonst irgendwie nicht so ganz, nicht so sehr zu uns Kindern und er musste auch immer irgendetwas basteln, es roch stets nach Lack, aber ich glaube mich zu erinnern, dass er Modellflugzeuge bastelte, irgendwie so habe ich das in Erinnerung, die ja auch nicht mehr so exakt ist wie man sich das wünschen würde. Nun, auf jeden Fall auf 12 wohnten wir, da stand Medizinalrat Dr. auf dem Türschild, die Oma war da nicht erwähnt, aber das war egal, wichtig war, dass die Oma auch eine Frau Doktor war und auf 14 die Familie Prohaska mit dem Walter und dem Erich, zwei großgewachsenen Buben, die waren schon älter, das ist die Nachbarin, wo die Oma immer sagte, das ist so ein altes Weib, obwohl sie jünger war und die drehte der Oma auch immer die Haare ein, hatte eine Brille aus den 50igern und war ganz grau im Gesicht und die Kleidung war braun und orange. Sie stritt total viel mit dem Herrn Prohaska, zu denen kam der Sascha nie, die mochten keine Tiere, die Frau Prohaska verscheuchte alle Katzen mit dem Besen. Und dann waren noch zwei Parteien und ich habe keine Ahnung mehr wie die geheißen haben, weil die so unscheinbar waren, aber eine alte Dame wohnte ganz am Ende und da ging der Opa oft zu ihr hin und da sah ich die Oma das erste Mal eifersüchtig, da sagte sie: "Der verliebte Trottel!" Vermutlich war es auch so, aber der Opa hätte die Oma niemals betrogen. Ich weiß nicht mehr wie die geheißen hat, das ist jetzt fast schade.
Auf jeden Fall, mir ist das mit dem Sascha so eingefallen, weil in meinem Garten wohnt auch ein Streuner, ein ungepflegter Kater und den füttere ich immer und momentan sitzt er neben mir. Der ist auch schon ganz alt, den gibt es schon lange, aber an mir hat er einen Narren gefressen. Sein Lieblingsplatz ist neben den Himbeeren und da fällt mir ein wie die Dame geheißen hat, das war die Frau Holzer, aber die andere Familie weiß ich wirklich nicht mehr. Also, der Opa war mutmaßlich in die Frau Holzer verliebt und das war vermutlich nicht so, aber die Oma meinte es: "Trottel, der! Macht sich nur lächerlich!" So eifersüchtig habe ich sie nie gesehen.
Der Herr Reifböck hat sie mal gehört und über den Zaun gesagt, dass "es ihn eh nicht wundert, weil sie eine Beißzange ist, die Frau Doktor!", da meinte die Oma: "Da red' grad der Richtige! Glauben`s ich hör nicht wie sie mit ihrer werten Gattin sprechen?" Da war es dann still. Die Oma war cool, die konnte immer kontern, überhaupt, wenn sie die Leintücher (Laken) aufhängte, dann war sie das Waschweib und schimpfte immer vor sich hin.
Der Sascha überlebte die Oma um einen Monat, irgendwann war er schon so alt, dass er nicht mehr schnell genug über die Straße ging und ein Motorradfahrer konnte nicht mehr bremsen. Drei Monate später starb auch die Mutter vom Franzi dem Trisomie 21 -Jungen und ich hörte, dass der Franzi dann in ein Heim kam und dort starb er wenig später auch. Traurig, das ging Schlag auf Schlag. Und, der Hans-Peter, der Sohn von den Krummböcks kam bei einem großen Feuer ums Leben, der war so alt wie ich, er war bei der Freiwilligen Feuerwehr. Es folgten weitere traurige Schicksale, aber da war unser Haus längst verkauft.