Die Frau Boresch, die Frau, die so gebrunzelt hat, also nach Urin gestunken hat, machte sich seit ich ohnmächtig in ihren Busen sank, Sorgen um mich und klopfte unentwegt an unsere Türe, fragte meine Mutter, ob ich denn da sei und ob es mir gut gehe, das war doch wirklich lieb, aber, das Problem war nur, dass, selbst, wenn sie nur an der Türschwelle stand, ihr Geruch in die Wohnung zog, was besonders im Hochsommer ein Problem darstellte, da man nicht wirklich durchlüften konnte und zumeist brachte sie mir Schokolade, die ranzig schmeckte, grau war und einfach schon abgelegen und alt war. Auch alte Schnitten, die nach Gummi schmeckten waren dabei. Es war furchtbar und kaum auszuhalten.
Viel Schlimmer aber, das muss man sagen, war der Verfall der Frau Jagitsch nebenan, die irgendwann komplett ihren Verstand verlor, ich weiß es nicht, vielleicht Alzheimer, auf jeden Fall, irgendwann stand vor der Tür ein Lilienporzellanhäferl in altrosa, mit einem halb ausgetrunkenen Kaffee auf einem Tablett und einem angebissenen Linzerauge. Das irritierte schon, weil ich nicht wusste, von wem das kam. Aber, kurze Zeit später klopfte die Frau Jagitsch an und meinte, dass mein Vater angerufen hätte, er kommt heute später und die Russen kommen nach Schwechat (Flughafen), wir müssen uns alle Funkgeräte kaufen, denn sie hören unsere Telefone ab. Ich nickte und in dem Moment war mir klar, von wem das Geschirr mit Inhalt darauf und darin war. Meine Eltern waren zu der Zeit schon drei Jahre geschieden, gut, das nur nebenbei.
Frau Jagitsch ging auf Krücken in die Lokale in der Umgebung und gab Lokalrunden aus, sie war definitiv die Älterste dort und dann ging sie einfach ohne zu zahlen. Ihr Sohn wohnte bei ihr in einer Einzimmerwohnung, das war heftig, der ließ sie dann einweisen in eine Psychiatrie.
Aber, da waren schon einige Menschen, die dort sein hätten sollen, so wie der Harry, den habe ich in der letzten Geschichte über Hermann vergessen, der stand nämlich auch oft neben Günther und Hansi sowie Hermann und rauchte, hatte immer ein Bier in der Hand, immer, egal wann, das war der Vater vom Daniel, meinem Spielkameraden, wir waren gleich alt und der fällt mir ein, weil der Daniel heute Geburtstag hat, das weiß ich noch, obwohl wir uns schon 24 Jahre nicht mehr gesehen haben, aber wie auch immer, der Vater, der Harry war immer betrunken und dann schlug er die Dagmar, seine Frau, und seinen Sohn blau und grün, legte sich schlafen und in der Früh trank er weiter. Die Frau blieb bei ihm bis zu seinem Tod und als er starb, das war vor ein paar Jahren, rief die Dagmar meinen Vater an, mit dem sie aufgewachsen ist und sagte, dass sie jetzt endlich leben darf, das war kurz vor ihrem 70.Geburtstag. So teilte sie meinem Vater mit, dass der Harry gestorben ist. Der saß immer im Eck in der Dachgeschosswohnung und bastelte an Schiffen, kleinen Modellschiffen, die waren schön und wenn wir Kinder nur in die Nähe gingen, hob er schon die Hand und dann erzählte ich das meiner Mama und die nahm das Nudelholz und ging wütend in die 2. Stiege, fuhr in den 7.Stock, ging noch einen Stock hinauf und läutete wütend an der Dachgeschosswohnung, der Harry machte auf und sie hob das Holz und sagte: "Wenn du noch einmal, nur einmal (!), bei meinem Kind die Hand erhebst, dann donnere ich dir dieses Nudelholz über den Kopf!" Hie und da war sie doch eine Mama, selten.
Auch, als mir der Günther den Kübel mit Wasser über den Kopf geschüttet hat, hat sie ihm die Faust gezeigt, nun ja, das war Lektion genug, besonders die Ohrfeige von Hermann, aber auf jeden Fall, die Mama schlug mich wieder oft, sie nahm sich das Recht heraus, mich schlagen zu dürfen, sonst niemand und manchmal nahm sie auch die Hundeleine und der Karabiner der Leine traf mich mitten ins Gesicht. Das ist eine andere Geschichte und möchte nicht mehr erzählt werden, aber auf jeden Fall, der Harry schlug den Daniel weiter und zu mir war er extra lieb und meinte, er mag keine Buben, Mädchen sind ihm lieber, das sagte er vor seinem Sohn und dann machte die Dagmar Eis selbst aus Joghurt und der Harry nahm das Eis dem Daniel weg und meinte, er hätte es nicht verdient, dann gab ich mein Eis dem Daniel und sagte, ich will sowieso keines, so war das oft und dann bauten wir uns aus Decken eine Wohnung in seinem Zimmer und wenn wir drinnen saßen, dann meinte der Daniel: "Hier bin ich sicher, hier findet er mich nicht."
Das war furchtbar und dann, irgendwann, schenkte ich dem Harry die ranzige Schokolade von der Frau Boresch und sagte: "Die hast du dir verdient."