Franz von Assisi - ein Retter in der Not?

Essay zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)

Dunkelheit und Finsternis hatte die ganze Erde überlagert, so das man kaum noch wusste, wo ein Ausweg zu finden war. So sehr hatte nämlich abbgrundtiefe Gottvergessenheit und eine träge Nachlässigkeit gegenüber den Geboten Gottes fast alle befallen, dass sie sich kaum noch aus ihren alten eingewurzelten Lastern aufrütteln ließen.
So düster beschreibt 1229  Thomas von Celano in seiner Franziskusbiografie den Zustand der damaligen Christenheit. 
Da erschien Franziskus wie ein glänzender Stern in finsterer Nacht und wie der Morgen, der sich über die Dunkelheit ausbreitet.
Franz von Assisi, Sohn eines reichen italienischen Tuchhändlers, bekehrte sich nach einem Erweckungserlebnis zum christlichen Glauben und führte fortan ein Leben in Armut und Keuschheit, gründete einen Orden und zog zusammen mit seinen Gefährten im ganzen Land umher und verkündigte das Evangelium:
Und da er selbst keinen Tadler zu fürchten brauchte, trug er so beherzt die Wahrheit vor, dass auch die gelehrtesten Männer ... seine Predigten bewunderten und ... von heilsamer Furcht aufgeschreckt wurden.
  Es liefen die Männer, es liefen die Frauen, es eilte der Klerus, es strömten die Ordensleute herzu, um den Heiligen Gottes zu sehen und zu hören.
  Und allen gab er eine Richtschnur für ihr Leben und zeigte in Wahrheit jedem Stand seinen Weg zum Heil. ...
  Viele aus dem Volke, Adlige und Nichtadlige, Geistliche und Laien begannen auf göttliche Eingebung hin sich Franziskus anzuschließen.
Dies alles klingt in der Tat nach einer heftigen Erneuerungs- oder Erweckungsbewegung in Italien zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Und zwar eine, die wirklich Not tat nach dem ganzen machtpolitischen Wirrwarr der zurückliegenden beiden Jahrhunderte mit Investiturstreit und sieben mehr oder weniger blutigen Kreuzzügen.

Gedankenimpuls:
Wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein „Stern“ daher

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (07.08.20)
1309 begann die sog. babylonische Gefangenschaft der Kirche (die erzwungende Übersiedlung der Päpste nach Avignon), damit verbunden das Große Schisma (mit bis zu drei Päpsten gleichzeitig).
Das Jahrhundert der Pest, der Judenpogrome, der Geißler ...

Vor Franziskus: machtpolitischer Wirrwarr der Kirche.
Nach Franziskus: machtpolitischer Wirrwarr der Kirche.

Was genau hat der "Stern" Franziskus verbessert?

 Bluebird meinte dazu am 07.08.20:
Haha .... man sollte dankbar sein für eine gute Zeit .... ein Hoffnungszeichen ... das braucht man manchmal um durchzuhalten!

 Graeculus antwortete darauf am 07.08.20:
Der Wert der Hoffnung wird unterschiedlich beurteilt.

"Selig sind die Hoffnungslosen, denn sie können nicht enttäuscht werden." (Aleister Crowley)

Franziskus hat den Orden der Franziskaner (Minderbrüder, OFM) begründet.

 Bluebird schrieb daraufhin am 07.08.20:
Ja, sein Wirken hat zumindest ordensmäßig bleibende Früchte getragen:   Franziskanerorden

 LotharAtzert äußerte darauf am 07.08.20:
"Selig sind die Hoffnungslosen, denn sie können nicht enttäuscht werden." (Aleister Crowley)
Graeculus, du wirst mir unheimlich.

 DanceWith1Life ergänzte dazu am 07.08.20:
Naja, "selig" ist dann wohl unheimlich übertrieben ironisch zu verstehen.
Wie sagte Bluebird neulich so treffend, warum in die Ferne schweifen, wenn das "einzig wahre" liegt so nah.
Und Crowley war ja auch sehr "speziell", sollte man vielleicht dazu sagen.
Dieser ständige Twist mit den "biblischen Formulierungen und deren fast schon monopolierten Kraftausdrücken" ist also schon einige Jahrhunderte alt, interessant.

 LotharAtzert meinte dazu am 07.08.20:
Von Crowley gibt es ja einen direkten Weg zu L. Ron Hubbart (war sein Lehrer) und den Scientologen, wie zu Steiners Anthroposophen andererseits. Jetzt wird et abba esoterisch.

 DanceWith1Life meinte dazu am 08.08.20:
Ich frage mich gerade, wie dieses relativerende "mehr oder weniger blutig" zu verstehen ist, also aus heutiger Sicht, schlappe 75 Jahre nach Hiroshima. Also von mir aus können wir zuerst die Waffenindustrie überreden, endlich was herzustellen, das die Menschen ernährt und dann weiter diskutieren.

 Dieter Wal meinte dazu am 08.08.20:
"Selig sind die Hoffnungslosen, denn sie können nicht enttäuscht werden." (Aleister Crowley)"

Hat zwar nix mit Francesco zu tun, den ich mag, doch mein NS-Propagandistengroßvater verehrte erst Hitler abgöttisch, um nach dem 2. WK fantatischer Pietist zu werden. Mein Vater meinte dazu, das sei passend gewesen, denn Jesus sei bereits tot gewesen und könnte seinen Vater daher auch nicht enttäuschen. Tatsächlich setzte sich mein Großvater nie selbstkritisch mit seinen Verbrechen auseinander, sondern verdrängte sie und wechselte einfach sein Idol. Die "Seligpreisung" Crowleys ist ein guter Aphorismus und bietet eine hervorragende Möglichkeit, darüber tiefer in die Seligpreisungen der Bergpredigt einzusteigen.

Franz von Assisi hat eine Menge hervorragender Ansatzpunkte für Auseinandersetzungen. Leider wurde bei dem obigen Text offensichtlich keiner gefunden.

Antwort geändert am 08.08.2020 um 16:51 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 08.08.20:
Ich stelle dem Franziskus mal den Griechen Demonax von Kypros gegenüber, einen griechischen Buddha, der Lothar vielleicht gefallen wird. Bei Bluebird hat er natürlich keine Chance, denn er war ein Heide.
Einen, der ihn fragte, was er für die höchste Glückseligkeit halte, antwortete er: Niemand ist glücklich, als wer frei ist [μόνον εὐδαίμονα, ἔφη, τὸν ἐλεύθερον]. – Es gibt aber viele freie Leute, die darum nicht glücklich sind, versetzte jener. – Ich meine, erwiderte Demonax, wer von Furcht und Hoffnung frei ist [ἀλλ‘ ἐκεῖνον νομίζω τὸν μήτε ἐλπίζοντά τι μήτε δεδιότα]. - Aber, wandte jener ein, wer ist das? Diesen beiden Gebieterinnen dienen wir alle in unserem ganzen Leben. – Und gleichwohl, antwortete unser Philosoph, wenn du die menschlichen Dinge genau betrachtest, wirst du finden, daß sie weder der Furcht noch der Hoffnung wert sind, da beides, das Unangenehme und Angenehme, von so kurzer Dauer ist.
(Lukian: Das Leben des Demonax 20)

 LotharAtzert meinte dazu am 08.08.20:
Ja Graeculus, ohne Furcht und Hoffnung gefällt mir, und mithin die, die das ähnlich sehen, in dem Fall Demonax.

 Graeculus meinte dazu am 08.08.20:
Auch nach Buddhas Diagnose beruhen alle unsere Probleme darauf, daß wir fürchten (Angst) und hoffen (Gier). Wenn man nichts fürchtet und nichts hofft ...

Ich kannte bisher nur die Grabinschrift des neueren griechischen Autors Nikos Kazantzakis:
Δεν ελπίζω τίποτα. Δε φοβούμαι τίποτα. Είμαι λέφτερος.

Ich erhoffe nichts. Ich fürchte nichts. Ich bin frei.
Möglicherweise hat der seinen Demonax gekannt.
Du aber wirst Kris Kristofferson bzw. Janis Joplin kennen:
Freedom's just another word
For nothing left to lose.

 Graeculus meinte dazu am 08.08.20:
Deshalb, teurer Bluebird, halte ich nichts davon, auf Jesus zu hoffen oder Dämonen zu fürchten.

Eine der schönsten Buddha-Darstellungen der indischen Kunst, ein Relief, besteht in einem Sitzplatz mit Meditationskissen in der Mitte, drohenden Dämonen auf der einen und verlockend schöne Frauen auf der anderen Seite; doch der Sitzplatz ist leer, das Kissen noch eingedrückt durch Budhhas Popo. D.h. er ist nicht mehr da für Drohungen und Verlockungen. Er ist frei.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.08.20:
Graeculus: "Ich kannte bisher nur die Grabinschrift des neueren griechischen Autors Nikos Kazantzakis" Es lohnt sich absolut, seine Romane zu lesen. Total religionsphilosophischer transzendenter Atheist und wundervoller Dichter, der vom Religiosum viel mehr verstand als die meisten Theologen.

 Graeculus meinte dazu am 10.08.20:
Leider kenne ich lediglich einen Roman von ihm, wohl sein berühmtester: "Die letzte Versuchung".

 Dieter Wal meinte dazu am 27.08.20:
Das ist sein farbenfrohster. Gut gewählt. Alexis Zorbas ist wie ein "NT für Zeitgenossen". Total geniale Hauptfigur. Er ist weiser als Gibrans Prophet und spricht erfreulicherweise keine Lyrik, sondern glasklare Sätze. Wunderschöne Gegensatzcharaktäre: Der ängstliche, schüchterne, eher lebensuntaugliche Schriftsteller (Tintenkleckser) und der höchstintelligente Arbeiter, Redner, Konzeptionist, Lebenslehrer und Unternehmer als Vorbild.

Antwort geändert am 27.08.2020 um 08:57 Uhr
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