Scholastik und Mystik - zwei Pfeiler des christlichen Glaubens

Essay zum Thema Glaube

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Eine interessante Entwicklung des europäischen Hochmittelalters ist das Aufblühen von Scholastik und Mystik innerhalb des Christentums. Kurz gesagt, man versuchte nun auch durch Vernunft und mystisch-spirituelle Erfahrungen die Richtigkeit des Glaubens zu untermauern oder gar zu beweisen.
 
Als Vater der Scholastik gilt Anselm von Canterbury, der die Ansicht vertrat, dass der Glaube erst das vernünftige Denken ermögliche ( „credo, ut intelligam“ ).
  Das war dann auch die Zeit sogenannter Gottesbeweise, interessante Versuche auf dem Weg der Logik und Vernunft die Existenz Gottes beweisen zu wollen.
    Allerdings war das von vorneherein zum Scheitern verurteilt, da es einfach nicht möglich ist! Aber als Argumente für eine mögliche Existenz Gottes durchaus brauchbar, denke ich mal!

Die Mystiker versuchten unmittelbar mit Gott in Kontakt zu treten. Ein nicht ganz unlogischer Weg, aber wer garantiert, dass die gemachten mystischen Erfahrungen wirklich mit dem biblischen Gott gemacht wurden? Zumal solche Erfahrungen auch in anderen Religionen gemacht werden.
  Andererseits gibt es natürlich auch die biblische Verheißung: Wer mich sucht, wird mich finden!

Gedankenimpuls:
1. Man muss auch als Gläubiger nicht seinen Verstand an der Garderobe abgeben. Sondern sollte ihn sogar benutzen, um seinen Glauben zu reflektieren oder nach außen zu vertreten

2. Mystisch-spirituelle Erfahrungen gehören sicher auch zum christlichen Glauben. Aber wie empfahl Paulus: „Prüfet alles, das Gute behaltet!“

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Frühere bzw. ältere Kommentare zu diesem Text


 loslosch (16.08.20)
das sacrificium intellectus wirkt fort:

"Allerdings war das von vorneherein zum Scheitern verurteilt, da es einfach nicht möglich ist! Aber als Argumente für eine mögliche Existenz Gottes durchaus brauchbar, denke ich mal!"

ein zum scheitern verurteiltes argument ist brauchbar. so what!

Kommentar geändert am 16.08.2020 um 13:44 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 16.08.20:
Die Erbringung eines objektiven Beweises ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt

 Bluebird antwortete darauf am 16.08.20:
... in der Auseinandersetzung mit der nichtchristlichen Welt werden Argumente ins Feld geführt, keine Beweise

Antwort geändert am 16.08.2020 um 14:29 Uhr

 Graeculus (16.08.20)
Anscheinend gehst Du davon aus, daß es einen logischen Beweis dafür gibt, daß ein Gottesbeweis unmöglich ist. Diesen Deinen Beweis möchte ich kennenlernen.
Zumal der Mathematiker Kurt Gödel bewiesen hat, daß der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury mathematisch darstellbar ist.

Damit Du nicht Wikipedia bemühen mußt, sondern Dich am Original delektieren kannst:
[...] Also, Herr, der Du die Glaubenseinsicht gibst, verleihe mir, daß ich, soweit Du es nützlich weißt, einsehe, daß Du bist, wie wir glauben, und das bist, was wir glauben. Und zwar glauben wir, daß Du etwas bist, über dem nichts Größeres gedacht werden kann.

Gibt es also ein solches Wesen nicht, weil „der Tor in seinem Herzen gesprochen hat: es ist kein Gott“? Aber sicherlich, wenn dieser Tor eben das hört, was ich sage: „etwas, über dem nichts Größeres gedacht werden kann“, versteht er, was er hört; und was er versteht, ist in seinem Verstande, auch wenn er nicht einsieht, daß dies existiert.

Denn ein anderes ist es, daß ein Ding im Verstande ist, ein anderes, einzusehen, daß das Ding existiert. Denn wenn ein Maler vorausdenkt, was er schaffen wird, hat er zwar im Verstande, erkennt aber noch nicht, daß existiert, was er noch nicht geschaffen hat. Wenn er aber schon geschaffen hat, hat er sowohl im Verstande, als er auch einsieht, daß existiert, was er bereits geschaffen hat.

So wird also auch der Tor überführt, daß wenigstens im Verstande etwas ist, über dem nichts Größeres gedacht werden kann, weil er das versteht, wenn er es hört, und was immer verstanden wird, ist im Verstande.

Und sicherlich kann „das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann“, nicht im Verstande allein sein. Denn wenn es wenigstens im Verstande allein ist, kann gedacht werden, daß es auch in Wirklichkeit existiere - was größer ist. Wenn also „das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann“, im Verstande allein ist, so ist eben „das, über dem Größeres nicht gedacht werden kann“, [etwas,] über dem Größeres gedacht werden kann. Das aber kann gewiß nicht sein. Es existiert also ohne Zweifel „etwas, über dem Größeres nicht gedacht werden kann“, sowohl im Verstande als auch in Wirklichkeit. [...]

Und das bist Du, Herr, unser Gott. So wirklich also bist Du, Herr, mein Gott, daß Du als nichtexistierend auch nicht gedacht werden kannst. Und mit Recht. Denn wenn ein Geist etwas Besseres als Dich denken könnte, erhöbe sich das Geschöpf über den Schöpfer und säße über den Schöpfer zu Gericht, was ganz widersinnig ist. Und in der Tat läßt sich von allem, was sonst ist, außer Dir allein, denken, daß es nicht existiert. Somit hast Du allein am wahrsten von allem und damit am meisten von allem das Sein, weil alles, was es sonst gibt, nicht so wahr und daher weniger das Sein hat. [...]
(Anselm von Canterbury: Proslogion. Lateinisch-deutsche Ausgabe herausgegeben von P. Franciscus Salesius Schmitt O.S.B.. Stuttgart-Bad Cannstatt 1962, S. 85-87)

Kommentar geändert am 16.08.2020 um 15:11 Uhr

 Bluebird schrieb daraufhin am 16.08.20:
Es existiert also ohne Zweifel „etwas, über dem Größeres nicht gedacht werden kann“, sowohl im Verstande als auch in Wirklichkeit. (Zitat Anselm von Canterbury)

Dieses "Etwas" muss aber nicht zwingend Gott sein! Dieses "Etwas" könnte völlig außerhalb menschlich-gedanklicher Erfass- und Beschreibbarkeit liegen.

Und deshalb kann und wird es nie einen objektiven Gottesbeweis geben., denn man kann nie objektiv gesichert wissen, ob man - in Wirklichkeit oder gedanklich - bei der letzten und allergrößen Wahrheit angelangt ist .... es könnte immer noch etwas Größeres geben, was völlig außerhalb unserer Vorstell- oder Erfassbarkeit liegt

Antwort geändert am 16.08.2020 um 16:02 Uhr

 Graeculus äußerte darauf am 16.08.20:
Das Schöne an Anselms Ansatz ist zunächst, daß er mit einer Definition dessen beginnt, was mit "Gott" gemeint ist. Ich wünsche mir, daß viele andere, die über Gott reden, ihm das nachmachen: erstmal definieren, erstmal klarstellen, wovon wir überhaupt reden.

Gott ist "etwas, über dem nichts Höheres gedacht werden kann". Und davon zeigt Anselm dann, daß jeder, der diese Definition auch nur versteht, zugeben muß, daß ein solches Wesen auch existiert.

Damit ist natürlich nicht die landläufige Vorstellung von Gott gemeint.

Zu Deinem Einwand würd Anselm sicherlich sagen: Indem Du Dir - hypothetisch, spekulativ - ein noch höheres Wesen denkst, tust Du genau das, was ich, Anselm, meine: Du mußt einem solchen Wesen die Existenz zugestehen, denn andernfalls tätest Du nicht das, was Du zu tun behauptest: Dir ein höchstes Wesen vorzustellen.

Die übliche Unterscheidung zwischen Denken und Wirklichkeit, wie sie im Alltag gängig ist, funktioniert bei Gott als dem höchsten denkbaren Wesen nicht. Von dem können wir die Existenz unmöglich abspalten.
Darauf läuft es bei Anselm hinaus.
Die einzige Alternative, die Du dann noch hast, besteht darin, das Denken über Gott überhaupt einzustellen bzw. - wie die sog. negative Theologie - nur noch zu sagen, was er nicht ist.

Doch wie gesagt, das bezieht sich nicht auf den Gott Abrahams und Isaaks.

 Graeculus ergänzte dazu am 16.08.20:
Und nochmals: Kurt Gödel hat gezeigt, daß dieser (ontologische) Gottesbeweis mathematisch formulierbar ist. Was nicht mehr und nicht weniger bedeutet als: er entspricht den Regeln der formalen Logik.
Ob er als Beweis gelungen ist, hängt dann freilich - wie bei allen mathematischen Beweisen - von der Gültigkeit bestimmter Prämissen ab, ohne die kein Beweis auskommt.

 Bluebird meinte dazu am 16.08.20:
"Gott ist "etwas, über dem nichts Höheres gedacht werden kann". Und davon zeigt Anselm dann, daß jeder, der diese Definition auch nur versteht, zugeben muß, daß ein solches Wesen auch existiert.
Das es eine letztgültige Wirklichkeit/ Wahrheit geben muss, ist doch eine Binsenweisheit ... das es ein "Wesen" sein muss, nur weil es vorstellbar ist, kommt über den Status einer Vermutung oder Behauptung allerdings nicht hinaus ... die letzte Wirklichkeit kann alles Mögliche sein, unter Umständen jegliche menschliche Vorstellungskraft komplett sprengend ...

Ein mathematischer Beweis funktioniert doch nur innerhalb einer bestimmten Denkbox/eines bestimmten Denkrahmens ... und das Verhältnis von menschlicher Denkboxund tatsächlicher Wirklichkeit ist nicht objektiv definierbar

Antwort geändert am 16.08.2020 um 17:24 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 16.08.20:
Lieber Graeculus,

Deine Kommentare machen aus stilistisch indiskutablen Texten philosophische Vergnügen. Danke. Dass sich Amselm von Canterburys Gottesbeweis nicht auf den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bezöge, urteilt vorschnell. Es mag sein, dass die von ihm definierte Vorstellung über Gott nicht Deiner entspricht. Doch das wäre etwas völlig anderes. Schiller definierte in "Die Worte des Glaubens":

Und ein Gott ist, ein heiliger Wille lebt,
Wie auch der menschliche wanke,
Hoch über der Zeit und dem Raume webt
Lebendig der höchste Gedanke,
Und ob alles in ewigem Wechsel kreist,
Es beharret im Wechsel ein ruhiger Geist.

Das könnte man als deistisch interpretieren, doch ebenso auf Amselm von Canterbury zurückführen.

Herzlich
Dieter

Antwort geändert am 16.08.2020 um 17:31 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 16.08.20:
Ich bezweifle, ob Zorn und Eifersucht, wie sie zumindest im AT dem Jahwe attestiert werden, zu Anselms "höchstem denkbaren Wesen" (ens perfectissimum) passen.
Mir ist allerdings bei Anselm nicht klar, ob er den Inbegriff aller Eigenschaften im Sinn hat oder 'nur' den Inbegriff aller guten Eigenschaften.
Wenn Gott alle Eigenschaften in höchster Vollkommenheit besitzt, ist er dann auch höchst zornig, hat er eine extreme Bronchitis ... oder sind das alles nur defizitäre Formen eines an sich Vollkommenen. Ist das Böse nur ein Mangel an Güte, Bronchtitis nur ein Mangel an Gesundheit?

Hegel, der uns ja eine extended version des ontologischen Gottesbeweises vorstellt, meinte sicherlich das Erstgenannte (alle Eigenschaften), d.h. Gott resp. das Absolute umfaßt auch die endlichen, partikulären Eigenschaften, also auch das Böse - nur daß er sie 'aufhebt' in seiner Absolutheit, während der 'eigentlich' Böse auf seiner Partikularität (Egoismus) beharrt.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.08.20:
"Zorn und Eifersucht" Gerade das gefällt mir an Theologia Negativa so gut. Durch dieses an sich scholastische Verfahren verdampfen ähnlich Shaws Verlauf der Erzählung von "Die Abenteuer des schwarzen Mädchens auf der Suche nach Gott" sämtliche Personifikationen und damit verbunden die ihm fälschlich zugeschriebenen "Eigenschaften" Gottes auf ein Nichts.

Methodik: Was kann alles über Gott nicht gesagt werden?

Dadurch erhält man einen Blick für das Namenlose Geheimnis, dem keine Vorstellungen gerecht werden. Nur dass es ist, bleibt bestehen. Das spricht mich gerade deshalb an, weil meine Erfahrung sich damit im Einklang befindet. Selbst die Frage, ob Gott existiert oder nicht, stellte sich danach nicht mehr und wurde irrelevant. Identisch die Fragen, wie und was Gott sein könnte. Einzig dass, war mehr als überdeutlich geworden. Und das genügt komplett.

Antwort geändert am 16.08.2020 um 18:35 Uhr

 Bluebird meinte dazu am 16.08.20:
@Graeculus

Aber das dies alles lediglich spekulatives Gedankentum sein kann, ist dir schon klar, oder?
Ich habe persönlich auch überhaupt nichts gegen philosophische Spekulationen , aber wie ich schon im Text schrieb: Ein objektiver Gottesbeweis ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt ( wegen fehlender gesicherter Erfassbarkeit der Gesamtwirklichkeit)

Antwort geändert am 16.08.2020 um 18:37 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 16.08.20:
Kann man von etwas, ohne zu sagen, was es ist, sagen, daß es ist?
Was bedeutet dann "es"?
Wittgenstein, in gewissem Sinne auch er ein Mystiker: Es besagt, daß es eine Grenze unseres Wissens und Sagens gibt. Nicht mehr.

Gut.
Damit kommt Bluebird freilich nicht in den Himmel.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.08.20:
"Ein objektiver Gottesbeweis ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt"


Bluebird, bitte versuche es doch einmal mit Lesen und Verstehen. Streng Dich an. Dann klappt es auch. Graculus wollte Dir begründet mitteilen, dass Amselm von Canterbury einen logischen Gottesbeweis lieferte und ihn Gödel mathematisch formulierte.

 Graeculus meinte dazu am 16.08.20:
Die "quinque viae" (die fünf Wege, die Existenz Gottes zu beweisen) des Hl. Thomas von Aquin, des offiziellen katholischen Kirchenlehrers, haben wir damit noch gar nicht berührt.

Es ist schon erstaunlich, über Scholastik zu schreiben, ohne Thomas von Aquin auch nur zu erwähnen.

An Dieter:
Anselm, nicht Amselm.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.08.20:
Quack: Amseln! ;)

 Bluebird meinte dazu am 16.08.20:
Wenn Anselm behauptet hätte: "Es muss eine letzte Wirklichkeit geben!" , wäre alles ok gewesen ... alle hätten genickt und gsagt: "Schön, dass du es auch gemerkt hast!" ...

Was aber diese letzte Wirklichkeit, der Urgund allen Seins, ist, das ist doch das große Rätsel. Und da hilft der Anselmische Gottesbeweis sicher in einem objektiven Sinne nicht viel weiter, es ist lediglich ein lobpreisendes Glaubensbekenntnis: "Und das bist Du, Herr, unser Gott. So wirklich also bist Du, Herr, mein Gott, daß Du als nichtexistierend auch nicht gedacht werden kannst."

 Graeculus meinte dazu am 16.08.20:
Jeder Beweis, selbt jede Argumentation, geht von bestimmten Voraussetzungen aus. Ich habe den Eindruck, daß Deine (unbewiesene) Voraussetzung in der Annahme besteht, daß die 'letzte Wirklichkeit' unabhängig vom Denken existiert.

Dieser Annahme widersprechen nicht nur einige religiös orientierte Philosophen (Berkeley, Fichte, Hegel), sondern auch Lothar Atzert und mit ihm der Buddhismus.

Falls sie nicht unabhängig vom Denken existiert (falls sich z.B. Gott in uns selber denkt), kollabieren Dein Standpunkt und Deine Argumentation.

 Bluebird meinte dazu am 17.08.20:
Nein, meine Behauptung ist: "Es besteht die Möglichkeit. dass es eine letzte Wirklichkeit geben könnte, die sich unserem Denken entzieht! Von daher kann es keinen objektiv gesicherten Gottesbeweis geben!"

Man kann sich nie sicher sein, ob sich hinter der im Denken ( oder auch im Schauen) erkannten ( vermeintlich) letzten Wirklichkeit sich nicht noch eine unerkannte, tiefere Wirklichkeit verbirgt.

Ich denke, dieses Argument ist so logisch, dass dem eigentlich jeder zustimmen müsste (auch wenn es ihm nicht gefällt)

Antwort geändert am 17.08.2020 um 08:26 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 17.08.20:
Bluebird: "Es besteht die Möglichkeit. dass es eine letzte Wirklichkeit geben könnte, die sich unserem Denken entzieht!"

Vollständig. Wer davon ausgeht, kann kein schlechter Theologe werden.

 Dieter Wal meinte dazu am 17.08.20:
Graeculus: "Mir ist allerdings bei Anselm nicht klar, ob er den Inbegriff aller Eigenschaften im Sinn hat oder 'nur' den Inbegriff aller guten Eigenschaften."



 " Gott ist nämlich das, über das hinaus Größeres nicht gedacht werden kann." Anselm v. C.

Größe umfasst sämtliche Eigenschaften, die wir als in gute oder schlechte zu unterteilen gewohnt sind.

Netter Artikel: https://de.wikipedia.org/wiki/Proslogion

Antwort geändert am 17.08.2020 um 10:38 Uhr
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