Politik , oder ein Dorf wird belebt

Anekdote zum Thema Gegensätze

von  eiskimo

Frage an unser Feingefühl als Bürger: Darf man ein Seniorenheim direkt neben dem Friedhof errichten?
Im Dorf Bonnard lautet die Antwort Ja! Wobei Bonnard in Frankreich liegt, und wer französische Friedhöfe kennt, weiß: Es sind graue Steinwüsten, kein Grün, vielleicht ein paar verblichene  Plastikblumen.
Wie auch immer: Bürgermeister Chabert ist mächtig stolz auf diese wertvolle Belebung des Dorfes. Bisher hatte man immer versucht, junge Familien in diese strukturschwache Gegend zu locken, Familien mit Kindern. Denn die kleine Schule ist nach wie vor von der Schließung bedroht.
Aber bei dem Seniorenheim-Projekt habe ein privater Investor ein so gutes Angebot gemacht, das die Gemeinde einfach nicht  – so Chabert –  hätte ablehnen können. Es würden 16 Appartements errichtet und zwei Voll-Arbeitsplätze garantiert – alles in der Regie dieses Investors. Die Gemeinde brauchte nur ein Grundstück zur Verfügung stellen – bitte keine Hanglage, gut zugänglich, mit genügend Parkplätzen.
Die Parzelle neben der Schule, an einen Park angrenzend, problemlos an das kleine Heizkraftwerk Bonnards anzuschließen, fiel leider sofort bei der Vorentscheidung heraus. Grund: Da wohnten die Stellervertreterin des Bürgermeisters und Didier Dargaud, der literarische Star des Dorfes – er hatte schon sieben Romane veröffentlicht! - denen konnte man so viel Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität unmöglich zumuten. Natürlich war die offizielle Begründung eine andere.
Blieb also nur die Wiese neben dem Friedhof. Um einen Zugang zu schaffen hin zum „Todesacker“ , wird jetzt die Einfahrt des angrenzenden Wohnhauses umfunktioniert zu einer kleinen Straße. Für die Straße müssen leider zwei Gärten geopfert werden. Es sind die Gärten der beiden jungen Familien, die sich das Wohnhaus teilen. Das ist Pech. Aber sie wohnen da ja auch nur zur Miete. Vermieter: die Gemeinde.
Der Investor firmiert übrigens unter dem Slogan „In Würde altern“. Er sieht den Faktor „Friedhof“ auch als „absolut sekundär“ an. Denn da ließen sich ganz einfach Sichtblenden anbringen oder schnell wachsende Hecken pflanzen. Und die Alten würden schon damit leben,  heißt es.
Kurzum: Bonnard wird wieder einmal aufhorchen lassen. Da tu sich etwas. Chabert ist sich seiner Wiederwahl als Bürgermeister sicher.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (29.08.20)
Ein Friedhof ist auch ein Park. Ich verstehe die Empörung des Erzählers nicht, eiskimo.

 eiskimo meinte dazu am 29.08.20:
Ich verstehe sie schon, weiß aber auch, dass viele Leute Friedhöfe absolut schätzen als Oase der Ruhe oder auch Park. Für ausgesuchte Momente ist das sicher auch schön - immer dadrauf gucken müssen, zumal auf einen französischen Dorffriedhof (nichts Grünes, nur Betongruften und Plastikblumen...) , das baut nicht unbedingt auf.
Die Alten werden müde sagen: C´est la vie

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 30.08.20:
Achso, diese graue Steinwüsten.
Deren (kurze) Beschreibung würde ich im Text unterbringen, dann würde sich der Widerspruch auflösen.

 eiskimo schrieb daraufhin am 30.08.20:
Ergänzung ist erfolgt - so wird das Anliegen sicher verständlicher.
Danke!
Eiskimo

 EkkehartMittelberg (29.08.20)
hallo eiskimo. ich habe schon als junger Mensch Friedhöfe als so schön empfunden, dass ich als Schüler dort oft meine Hausaufgaben gemacht habe, Ich kenne mehrer alte Menschen, die Friedhöfe als Stätten der Besinnung schätzen. Wo soll das Problem liegen?

 eiskimo äußerte darauf am 29.08.20:
Wäre ich jetzt auf dem Wiener Zentralfriedhof oder Köln-Melaten., gäbe ich Dir Recht. Aber die desolate graue Steinplatten-Wand von Bonnard hat schon etwas Deprimierendes...
Insofern sehe ich da schon ein Problem.
lG
Eiskimo

 Regina (29.08.20)
Auf dem Friedhof halten sich oft Alte auf, um die Gräber vorausgegangener Angehöriger zu pflegen und handzahme Eichhörnchen zu füttern. So haben sie kurze Wege, der Totengräber auch.

 BeBa (30.08.20)
Ich sehe hier zwei Probleme, mit denen dieser Text zu kämpfen hat.

Wie der Friedhof von Bonnard aussieht, das wissen wir nicht und nehemen einfach an, er wäre parkmäßig angelegt wie ein gewöhnlicher Friedhof hier bei uns. Laut eiskimos Info ist dem wohl nicht so. Vielleicht hättest du, eiskimo, das in deinem Text deutlicher machen sollen.

Die meisten hier sind in einem Alter, in dem sie sich über das Ende noch gar keine Gedanken machen. Sie leben noch in der Illusion und Träumerei, dass alles immer so weitergeht.
Bewohner in einem Seniorenheim haben diese Illusion in der Regel nicht mehr. Sie sehen einen Freidhof als Friedhof und nicht mehr als Park, denke ich mir.

Ich finde eiskimos Text sehr interessant und wahrhaftig nicht fern der Wirklichkeit.

LG
BeBa

 eiskimo ergänzte dazu am 30.08.20:
Guter Einwand - ich ergänze die fehlende Beschreibung dieser Anlage. Das muss man in der Tat vor Augen haben!
Danke
Eiskimo

 Owald (30.08.20)
Das passiert mir in 15 Jahren kV auch das erste Mal, daß ich meinen letzten Kommentar, den ich zu einem anderen Text schrieb, hier wörtlich wiederholen kann.

Voilà:

"In Dortmund-Kirchlinde gibt es seit ein paar Jahren einen "Senioren-Wohnpark". Der besteht aus einem kantigen Haus ohne Garten, das an einen Friedhof grenzt.

Nur so.

Liebe Grüße"

Liebe Grüße.

 eiskimo meinte dazu am 30.08.20:
"Nur so" ist gut ausgedrückt, um einen unschönen Zustand zu entlarven!
vG
Eiskimo
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram