03 - Pascha

Erzählung zum Thema Aufwachen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Ferne Lichter so nah.
Am späten Nachmittag des dritten Tages tauchten plötzlich Uniformierte mit gepanzerten Wagen vor dem "Four Seasons" auf, Sprachfetzen flogen hin und her. Erleichtert stellten die im Keller Ausharrenden fest, dass es sich um Militärs der regulären Truppen handelte. Die Soldaten winkten aufgeregt, liefen hektisch herum und gaben ihnen zu verstehen sich umgehend in die Fahrzeuge zu begeben, an deren Rückseiten sich die Türen öffneten. Die Eigeschlossenen drängten aus dem Keller, stolperten die Treppe hinauf, um im Freien in geduckter Haltung, eine Hand vor Augen zum Schutz vor der ungewohnten Helle und nach Deckung Ausschau haltend, zu den Wagen zu hetzen. Um sie herum pfiffen die Kugeln, klatschten die Geschosse in die nur wenige Schritte entfernten Hausfassaden, sirrten die Querschlägen wie todbringende Rieseninsekten gefährlich nah vorbei.
Auf halbem Wege, eng an der Hauswand entlang, vernahm Robert trotz allen Getöses ein jämmerliches Fiepen, das nur aus einem vor ihm liegenden Schutthaufen kommen konnte. Die anderen hasteten an ihm vorbei, weiter, nur weiter. Später konnte er nicht sagen, was ihn dazu bewogen hatte stehen zu bleiben, sich in den Straßendreck zu knien, so tief in die Lücke im Steinhaufen hinein zu tasten, bis er etwas Weiches erfühlt, das er behutsam heraus zog, so als hätte er alle Zeit der Welt, während es um ihn herum nur darum ging das eigene Leben eilends in Sicherheit der gepanzerten Fahrzeuge zu bringen. In der Hand hielt er ein kleines staubiges Kätzchen.
Die Uniformierten schrien unverständliche Befehle, gestikulierten wild, verschossen ihre Magazine in die Luft. Fast alle aus dem Keller hatten schon in atemlosen Zick-Zack-Lauf die Wagen erreicht und waren darin verschwunden. Die Motoren heulten auf, die ersten Wagen rollten an. Robert schob das zappelnde Stückchen Fell mit Augen in die Brusttasche, sprang auf, hetzte alle Vorsicht außer Acht lassend quer über die Straße, erreichte noch so eben die aus der Tür das letzten Fahrzeugs heraus gestreckten Hände, wurde gepackt und schonungslos hinein gezerrt, blieb atemlos keuchend auf dem Boden liegen, die Arme vor der Brust gekreuzt, um seinen Tascheninhalt zu schützen.

Der Konvoi beschleunigte mit durchdrehenden Reifen, raste in halsbrecherischer Fahrt durch Schlaglöcher, über Bordsteine und Trümmerreste, kreischte mit unvermindertem Tempo um Abbiegungen. In der Enge das Gefährtes wurden sie erbarmungslos gegeneinander und hin und her geschleudert. Endlich nach unzähligen Richtungsänderungen verlor das Gerüttel an Heftigkeit, hatte die Kolonne die Ausfallstraße zum Flughafen erreicht. Durch die Sehschlitze blickten sie aufatmend zurück auf die brennende Stadt, in deren Himmel die Rauchsäulen wuchsen.
Erst als sich die Maschine nach dröhnend steilem Startflug der Reisehöhe näherte, als sie im weiten Bogen vom Land weg auf das Mittelmeer hinaus drehte und man tief  unten im Licht der untergehenden Sonne die Küstenlinie erkannte, das Festland langsam in den Hintergrund wanderte und die Stadt sich zum dunklen Punkt verkleinerte um endlich ganz zu verschwinden, bemerkte er das Kratzen und leise Jaulen unter seinem Jackett.
Er griff in die Brusttasche und zog vorsichtig das ängstliche, alle vier Pfoten von sich streckendes Kätzchen hervor, zwei große Augen, zwei spitze Ohren, ein stupsiges Näschen, ein weit aufgerissenes kleines Maul, mit zwei Reihen winziger Zähne. Er sah das halb volle Glas Gin-Tonik vor sich auf dem Klapptischchen, stürzte es herunter, drückte den Rufknopf und gab bei der verdutzt schauenden Stewardess eine neue Bestellung auf, noch einen doppelten Gin -Tonik und ein Schälchen Milch.

Sie waren dem Inferno entronnen, er und der Perserkater, dem er später den Namen Pascha gab und er hätte sein altes Grammphon darauf verwettet, dieser Anfang würde für eine lebenslange Freundschaft reichen.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (01.09.20)
Hallo mein Freund, deine fesselnde Erzählung hat nur einen Nachteil: das Thema "Aufwachen". Wie kannst du nur meinen, dass man dabei einschläft? :)

 TassoTuwas meinte dazu am 01.09.20:
Hallo Ekki,
da triffst du einen wunden Punkt, denn trotz der großen Auswahl, so richtig glücklich bin ich damit nicht.
Sollte noch was Treffenderes finden, ändere ich es.
Herzliche Grüße
TT

 TassoTuwas antwortete darauf am 01.09.20:
:-)

Antwort geändert am 01.09.2020 um 17:27 Uhr

 AchterZwerg (01.09.20)
Very schön, Tasso,

und fulminant beendet. Erinnert mich stark an gelungene Shortstories amerikanischer Machart.

Daumen hoch und viele Grüße
der8.

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 01.09.20:
Dear Achter,

thank you very knatter. Ei feel mich matsch geehrt
And hope es geht so on.

Liebe Grüße
TT

 AchterZwerg äußerte darauf am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 AchterZwerg ergänzte dazu am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 AchterZwerg meinte dazu am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 AchterZwerg meinte dazu am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 AchterZwerg meinte dazu am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 AchterZwerg meinte dazu am 02.09.20:
Ich saachmaso: Es geht täglich on und onner. :)

 TassoTuwas meinte dazu am 02.09.20:
Muss ich mir jetzt Sorgen machen?!?!
Al-Badri_Sigrun (61)
(01.09.20)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 TassoTuwas meinte dazu am 01.09.20:
Hallo Sigrun,
freu mich, du bist voll im Geschehen!
So viele Fragen lassen sich leider nicht in einem Kapitel beantworten aber in vieeeelen weiteren.

Liebe Grüße
TT

 TrekanBelluvitsh (01.09.20)
Es ist ein gut dokumentiertes Phänomen, dass Menschen - insbesondere auch Soldaten - im Chaos des Krieges besonderes Mitleid für Tiere entwickeln können. Und das hast du hier gut und passend beschrieben.

 TassoTuwas meinte dazu am 02.09.20:
Meine einfache Erklärung geht so.
Menschen töten aus Hass, weil sie sich im Krieg als Feinde sehen.
Tiere hassen nicht, sind immer Opfer!
TT

 LottaManguetti (01.09.20)
Schön bildlich- ganz mein Geschmack, mein Lieber.
❤️

 TassoTuwas meinte dazu am 02.09.20:
Ja, manche Suppe schmeckt auch beim zweiten Ma(h)l.


 ViktorVanHynthersin (04.09.20)
Eigentlich wollte ich warten bis die Geschichte verfilmt wird, jetzt habe ich sie doch gelesen. Und, sie gefällt mir! Mehr davon.
Herzlichst
Viktor

 TassoTuwas meinte dazu am 06.09.20:
Viktor, du musst noch etwas warten.

Es gibt mehrere Angebote.
Emmerich will ein Weltuntergangsdrama daraus machen und Tarantino einen Western!

Hoffnungsvoll grüßt
TT

 AvaLiam (17.10.20)
Nicht jeder kann von sich behaupten, dass er froh ist, einen Kater zu haben.

In einer zerstörten Welt - zwischen Schutt und Asche, Staub und sterbender Hoffnung auf eine bessere Welt - ein kleines Wesen zu finden, dass daran erinnert, dass es immer Hoffnung gibt, dass die Welt, in der die Szenerie gerade spielt, nicht nur kaputt ist, nicht nur voller Hass und Clan-Kriminalität, sondern auch hier noch Wärme, Herzlichkeit und Leben neben der Hoffnung existieren und man nur nach ihr greifen muss - auch auf die Gefahr hin, dass den eigenen Kopf und Kragen kostet.

Gern les ich weiter.
Herzlich - Ava

 TassoTuwas meinte dazu am 18.10.20:
Das sind die Situationen, zu denen man später keine Erklärung findet.
Ich denke, dass sind Entscheidungen, bei denen der Verstand ausgeblendet wird und der Mensch in einer Ausnahmesituation aus einem unbewussten Automatismus heraus das Richtige tut.
So werden manche zu Helden!
Liebe Grüße
TT

 Enni (18.11.20)
Hallo Tasso,
erst einmal: spannend, richtig spannend.
Und dann die Geschichte in der Geschichte, die schon sehr berührend ist.
Vielleicht ist in so einer Situation, in der man unmittelbarer Gefahr ausgesetzt ist, das auf den ersten Blick fast nicht zu verstehende Handeln der Griff nach dem "Vielleicht", nach der Hoffnung, nach einem "ich will unbedingt weitermachen."
Wenn sich alles aufzulösen scheint, ist das Retten eines Lebens fast wie dem Tod trotzen.

Und jetzt? Pascha ist weg samt Doro.
Nachvollziehbar, welche Gefühle das bei Rober auslösen muss.

Bin gespannt auf den nächsten Teil
Lieben Gruß
Enya

 TassoTuwas meinte dazu am 18.11.20:
Hallo Enya,
tatsächlich kommt es vor, dass Menschen in Ausnahmesituation Handlungen begehen, die Außenstehende als völlig unrealistisch empfinden, und für die die Handelnden später auch keine Erklärung haben.
Schön, wenn es gut geht!
So jedenfalls begann eine Männerfreundschaft und nun?
Herzliche Grüße
TT

 TassoTuwas meinte dazu am 18.11.20:
Hallo Enya,
tatsächlich kommt es vor, dass Menschen in Ausnahmesituation Handlungen begehen, die Außenstehende als völlig unrealistisch empfinden, und für die die Handelnden später auch keine Erklärung haben.
Schön, wenn es gut geht!
So jedenfalls begann eine Männerfreundschaft und nun?
Herzliche Grüße
TT

 harzgebirgler (26.11.20)
ein mensch mit einem herzen für ein kätzchen
findet in andern herzen auch ein plätzchen.

lg
harzgebirgler

 TassoTuwas meinte dazu am 27.11.20:
Stimmt, denn bald ist Plätzchen-Zeit
Ich geb schon mal der Katz Bescheid

LG TT
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