Antibechdel

Szene zum Thema Literatur

von  Terminator

"Du!" herrschte der maskulin-dominant aussehende Greg den etwas schwuchteligen Ignacio an, "Pass auf, dass sich nie zugleich zwei Frauen in diesem Raum befinden!" Ignacio nickte unterwürfig und verwehrte der dicken Drei Mitte 30 den Zutritt. "So, was haben wir da?" "Ich heiße..." begann die kleine zierliche Zehn, doch wurde von Greg sofort unterbrochen. "Nicht tätowiert, gepierct, entjungfert?" Sie wollte etwas sagen, doch Greg stellte klar: "Ich rede nicht mit dir". Er sah den Doktor an, und dieser nickte väterlich. Ein leidenschaftlicher Fischer, dieser Allgemeinmediziner in seinen goldenen Siebzigern. Mild vom Charakter, doch in den Details sehr genau. "Perfekte kleine Brüste, makellose helle Haut, und Genitalien, vor denen man sich nicht ekeln muss". Greg zündete eine Zigarre an und schaute in den großen Glaskasten mit den vielen Kuschelkissen und anderem Frauenzeug. "Was sagst du?" fragte er seinen Türsteher. "Sie passt gut zu den anderen", beantwortete der muskulöse etwas mafiös aussehende langhaarige Mann die Frage, ein korrekter, herzlicher Mann.

"So", befahl Greg, "schmeißt die Dicke raus!" Alle im Raum versammelten Männer lachten, während der Doktor vervollständigte: "Auch für niedere Frauenarbeiten wollen wir mindestens eine Fünf haben. Und keine Frau über 30 darf jemals diesen Raum betreten". Greg setzte sich in seinen hohen Chefsessel und machte eine Flasche Single Malt auf. Natürlich war es der 25-jährige Lagavulin. Als alle anderen Männer gingen, setzte sich der Doktor Greg gegenüber an den Tisch, nahm ein Whiskyglas und sagte: "Sie passt nicht nur gut zu den anderen, sie ist sogar viel besser als sie alle. Ihre Nase ist einfach perfekt, so eine perfekte Nase habe ich noch nie gesehen. Jeder Attraktivitätsforscher wird angesichts ihrer Gesichtsproportionen jubeln". Greg gähnte: "Kann sie Whisky eingießen?" "Durchaus", lachte der Doktor lebhaft, und ging ins Detail: "...perfektes Handmodel, kleine Hände, lange, sehr schlanke Finger, lange Nagelbetten im perfekten Verhältnis von 1,6 zu 1, wohlgewölbte Krällchen". "Das hört sich luxuriös an. Wenn es was zu präsentieren gibt, sollen die Leute ihre Hände sehen". Der Doktor trank seinen Whisky und schaute sich die wunderschöne junge Frau genüsslich an. Auch Greg penetrierte sie mit eindeutigen Blicken. "Die Schüchterhneit in ihren Augen finde ich süß", wurde er weich, wobei dem Doktor beim ins Lachen übergehenden Lächeln das Zynische an diesem Satz nicht entging.

Als Greg mit ihr allein war, schloss er den großen Glaskasten auf: "Das ist ab jetzt deine Arbeit. Wenn du Kätzchen magst, lasse ich dir Kätzchen bringen. Mach einfach hier drin, wozu du Lust hast. Du bist die Schönste, sozusagen, die Prinzessin. Die anderen Mädchen sind für dich da. Wenn du Wünsche hast, sag es mir, ich bin der Mann, für den nichts unmöglich ist". Sie bedankte sich mit ihrer leisen und zarten Stimme und bereitete sich auf ihren ersten Arbeitsabend vor. Drei Stunden später saß sie mit drei Neunen und einer weiteren Zehn im großen Glaskasten auf den vielen Kuschelkissen, die Miezen spielten mit Schmuck und Kuscheltieren, lachten, kitzelten einander und sahen einfach umwerfend aus. Auf der anderen Seite des Glaskastens begann Greg eine Aktionärsversammlung. "Meine Herren, jeder weiß, was ein Aquarium ist. Tony hat ein großartiges Aquarium, da sind sogar Haie drin. Luke hat ein noch größeres Terrarium mit Anacondas. Meine Freunde, das was diesen Raum von drei Seiten umgibt, ist ein Miezenarium". Es wurde nun über Wichtiges geredet, während die Miezen hinterm Glas beim Händchenhalten & Kuscheln mit großem Interesse und voller Bewunderung über die anwesenden Herren sprachen.




Bechdel

Zwei Frauen tranken Kaffee und sprachen miteinander. Und sie hatten Namen. Und sie sprachen nicht über einen Mann.




Superbechdel

Liliane und Jessica betrachteten einander kampfbereit, beide aus einer Position der Stärke. Frauenfeind, wer glaubt, das wäre ein dummer Zickenkrieg. Liliane war 17 und Jessica erst 14, und doch waren beide sehr reflektiert und wussten über sich selbst mehr als der Leser jemals erfahren wird. Sie wussten auch, dass sie sich in einer Geschichte befanden. "Und doch ist die Welt keine Simulation, denn wir haben eine Identität", stellte Liliane fest. "Das macht unseren Kampf umso bedeutungsvoller", schwängerte Jessica die dicke Luft mit Bedeutung. "Ich wurde am 11.2.2001 erfunden, ich bin deutlich älter als du", belächelte Liliane ihre jüngere Rivalin. "Ich aber dominiere die Narrative von 2007 und 2008 und bewohne mehr Mädchiversen als du dir vorstellen kannst!" "Doch kein einziges Lesbiversum führst du als Hauptperson an. Außerdem ist Lea schöner als du und meine Maus". "Doch die schönste der vielen Leen, die Icy-15, gehört nicht in dein Narrativ". Und so stritten sie ernsthaft und entschlossen mit logischen Argumenten, ohne emotional oder hysterisch zu werden. Charakterlich starke Frauen kennt die Welt der Erzählungen durchaus, doch hier waren zwei charakterlich starke Mädchen ernsthaft miteinander am Kämpfen, die nicht in das diskriminierende Klischee von weiblichen Teenagern passten.




Beyond Bechdel

Nach der Verteidigung ihrer Masterarbeit, in der die 16-jährige Anika den Satz des zu vermeidenden Widerspruchs widerlegt hatte, wartete sie bis zur Freitagnacht ab und ging erst in der Dunkelheit aus, und zwar allein. Sie dachte über die falsche Absolutheitstheorie von Alberta Zweistein nach, nach der der Wert der Lichtgeschwindigkeit eine absolute Größe war. Dabei wusste Anika schon als Kindin, wie relativ alles ist. Ihre Professorinnen hatten ihr schon mehrmals indirekt angedeutet, dass es vielleicht vorstellbar wäre, dass Anika ihre Doktorarbeit in Astrophysik schreiben könnte, vielleicht aber auch nicht. Die weiß-silbern glänzenden Schuhe mit 7 Periode 3 Zentimeter hohen Absätzen drückten etwas, vielleicht war es aber auch nicht so, nicht im Sinne von eingebildet, sondern in dem Sinne, dass Anika vor dem Date nervös war.

Anika Sophie Elle spielte mit ihrem langen blonden Haar und den Armbändern, während die starke, selbstbewusste und unabhängige Clarice Ellis Lieth sie vom gegenüberliegenden Sitz buchlesend beobachtete, was mitnichten heißt, dass die kluge und sehr gut aussehende Frau Ende 20 das Buch von Rogeria Penrose nicht auch las. Sie hatte ein Dominanz ausstrahlendes Kleid an und ließ mit sich flirten. Anika flirtete zwar nicht, und nun auf einmal doch, sodass das Date, zu dem sie aufgebrochen war, ebennun ein Date mit Clarice war. Und schon gingen sie Händchen in Hand durch das nächliche Berwien, was nicht heißt, dass Clarice nicht auch schlanke und schöne Hände hatte, nur waren sie halt miezenhaft und nicht mädchenhaft schön, wobei Anikas Hände einerseits dezent miezenhafte Mädchenität und andererseits kindliche Miezifizienz ausstrahlten. "Du wärest das Paradebeispiel für ein sogenanntes Weißhändchen", übersetzte Clarice ein Wort aus einer der neun Sprachen, die sie fließend sprach.

Zwanglos und nicht an maschinenhafte Frage-Antwort-Logik gebunden, kam das Gespräch nach eineinhalb Stunden auf das Thema Weißhändchen zurück, als Anika nebenbei bemerkte, dass ihre wunderschönen Krällchen noch nie im verführerischen Rot erstrahlt hatten. "Dann ist heute der Tag", lächelte Clarice, es sagend, und brach mit einem eleganten Trick in ein luxuriöses Nagelstudio ein, das zur Mitternacht geschlossen hatte. "Dunkles Kirschrot würde super passen", wählte Clarice einen Nagellack aus. "Helles Kirschrot", lächelte Anika verspielt. "Mitteldunkles", wies Clarice nonverbal auf die zur Länge der Krällchen passende Farbe hin. "Oder willst du wie 12 aussehen?" versicherte Clarice sich rück. Als der Nagellack aufgetragen war, flüsterte Clarice bedrohlich: "So zarte Hände, so dünne und lange Fingerchen", vielleicht aus Eifersucht oder Nied, vielleicht weil sich darin der Umstand spiegelte, dass man das Alter an den Händen ablesen kann, während manch eine hübsche und schlanke 29-Jährige, gelingend geschminkt, in einer frühseptemberlichen Freitagnacht für eine 19-Jährige durchgehen könnte.

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