Psychopolitische Phasen der Neuzeit

Drabble zum Thema Entwicklung(en)

von  Terminator

Renaissance 1340-1525 Positive Gründungsphase der humanistischen Hochkultur

Reformation 1485-1648 Erste negative Phase: religiöser Fundamentalismus als lebensverneinende psychopolitische Bewegung

Barock 1580-1750 Cartesianische Rückbesinnung auf das Subjekt, individualistischer Liberalismus, Empirismus/Rationalismus

Aufklärung 1690-1850 Szientistischer Materialismus; lebensverneindene Weltdekonstruktion durch Naturwissenschaft

Bürgerliches Zeitalter 1815-1968 Hedonistische Moderne: Ernte der Frucht des wissenschaftlichen Fortschritts

Antihumanismus seit 1914 Dritte und letzte Negationsphase; totale Lebensverneinung im Willen zum Nichts



Phase I Kindlich, unmittelbare Affirmation/Negation

Phase II Logisch vermittelt, "wissenschaftlich"

Phase III Nihilistisch-postlogisch, fatalistisch


Anmerkung von Terminator:

Phasendominanz in der abendländischen Hochkultur


Gründungsphase (14.-15. Jh.): italienische Stadtstaaten

Machtexplosion (frühes 16. Jh.): Spanien

Kulturelle Hochphase (spätes 17. Jh. bis ca. 1750): Frankreich

Spätkultur (1750-1830): Deutschland

Zivilisation (19. Jh.): Großbritannien

Impressionistische Dekadenz/romantisch (spätes 19. Jh.): verteilt (Westeuropa)

Expressionistische Dekadenz/titanisch (frühes 20. Jh.): USA/Deutschland

Ultradekadenz/kybelisch-chthonisch (spätes 20. Jh.): Anglowelt

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (18.09.20)
Der Wille zum Nichts beginnt ja in der Neuzeit eigentlich mit Schopenhauer, der ab 1850 zum bürgerlichen Modephilosophen wurde (ich erwähne Richard Wagner).
Auch Georg Büchner müßte man da nennen und Edgar Allan Poe ("The Raven"). Oder Lord Byron ("Euthanasia"):
Count o’er the joys thine hours have seen,
Count o’er thy days from anguish free,
And know, whatever thou hast been,
‘Tis something better not to be.

Und er hat - ich weiß, das ist nicht die von Dir hier behandelte Ära - einen Vorläufer im sog. griechischen Pessimismus, z.B. dem berühmten Chorlied aus dem "Ödipus auf Kolonos" des Sophokles, der damit ein damals weit verbreitetes Sprichwort variiert hat.
Aufmerksam machen möchte ich Dich auf den Philosophen Ἡγησίας ὁ πεισιθάνατος (Hegesias der zum Tode überredet).
Nicht geboren zu sein ist Erdenbewohnern das Beste,
Nimmer mit Augen des Tags strahlende Leuchte zu sehn,
Oder geboren, sogleich zu des Hades Toren zu wandeln,
Hoch von Erde bedeckt, liegend im hüllenden Staub.
(Theognis von Megara)

Und mehr als 1000 Jahre vorher:
- "Das Gespräch eines Mannes mit seinem Ba" (Ägypten) [große Literatur, übrigens]
- "Der Dialog zwischen Herr und Diener" (Mesopotamien):
„Deinen und meinen Hals brechen, uns in den Fluß werfen, das ist gut.“

 Terminator meinte dazu am 18.09.20:
Schopenhauer ist gewiss ein Vordenker des genuin neuzeitlichen Willen zum Nichts, welcher aber nichts mit der altgriechischen oder altägyptischen (oder althinduistischen) Weltverneinung zu tun hat: dort äußert sich eine universale Konstante der conditio humana, die Möglichkeit der Negation. Spezifisch neuzeitlich-europäisch ist die Negation mit dem Ich als Mittelpunkt des Universums. Der platonische oder hochmittelalterliche Universalist hätte kein persönliches Problem mit der Möglichkeit, als Person nicht zu sein, ebenso der Hindu oder der Buddhist. Aber wenn das Ich Substanz ist, und nicht bloß akzidentell, dann hat Lebens- oder Weltverneinung eine andere Dimension: DAS Leben ist nicht größer, sondern kleiner oder gleich MEIN Leben. Nichts ist nicht einfach nichts, sondern Nicht-Ich ohne Ich, Leerheit ist Leerheit ohne MICH. Wir sind Ichlinge durch und durch. Die Kultur des Ich hat die Atombombe als Mittel zum erweiterten Suizid erfunden.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram