Corona-Bombe

Kurzprosa zum Thema Leben/Tod

von  JoePiet

Wie geht es Ihnen heute? Was meinen Sie? Wie fühlen Sie sich? Ich bin gerade völlig überfordert mit allem.  Ich versuche gerade alles Mögliche auf die Reihe zu bringen und bekomme nichts hin. Ich quäle mich selber. Womit quälen Sie sich? Ich suche eine Form, um abzunehmen. Ich schmecke nichts und ärgere mich schon während ich esse. Es juckt am gesamten Körper, und ich reiße mir die gesamte Haut auf.
Ich habe Blut im Stuhl gehabt am Freitag. Das hat mir völlig die Füße weggezogen. Die Hausärztin meinte, es sei eine kleine Hämorrhoide.
Krankenschwestern sind die schlimmsten Patienten. Ich dachte, ich habe Krebs, und dass es das jetzt war. In der Koloskopie - dieses Jahr - ist nichts gewesen.
Im Hinterkopf ist die Angst noch da. Nachts grüble ich dann herum und träume anstrengende Szenen aus der Pflege. Ich fange immer neu an. Neues Haus, neue Station, neue Leute. Ich verstecke mich und schließe mich ein, weil ich keinen Patientenkontakt möchte. Ich habe Angst, dass ich irgendetwas mit nach Hause nehme. Und ich habe fürchterliche Angst vor Notfällen: Nicht zu wissen, was ich dann machen muss.
Mein behinderter Sohn spricht nicht. Im Traum wird er deshalb an einen Pfosten gebunden. Man droht ihm, ihn anzuzünden, wenn er nicht spricht. Dann hat man ihn angezündet. Schließlich kann er nicht sprechen. Ich fühle mich hilflos.
Die Familie meines Bruders hat jetzt alle Geburtstage abgesagt, ist dafür aber nach Bayern in den  Urlaub gefahren. Jetzt ist sie wieder zurück. Ihre Infektkapazität ist mir unbekannt.
Im Krankenhaus müssen wir auf Station mit vielen Menschen Kontakt aufnehmen. Wir überprüfen die richtige Kodierung der gestellten Diagnosen: Zu siebt im kleinen Stationszimmer. Während der Visite haben die Patienten keinen Mundschutz auf. Ich kodiere angeblich zu wenige Fälle. Meine Vorgesetzte behauptet, ich arbeite zu genau und benötige zu viel Zeit.
Mein behinderter Sohn hat Kreislaufprobleme, er schwitzt massiv - schon nach kurzer Anstrengung. Er soll in der kommenden Woche kardiologisch untersucht werden. Aktuell fürchte ich um seine Gesundheit wegen der Corona-Krise. Seine Gesundheit ist schon ohne Viren unberechenbar. Jetzt wird er täglich in die Behindertenwerkstatt transportiert. Was dann in der kommenden Woche sein wird, ist ungewiss.
Meine 21jährige Tochter weinte neulich am Telefon. Ihr fehlen die Kontakte. Sie war vor einigen Monaten in eine Messerstecherei involviert. Sie hatte einem Messerstecheropfer Erste Hilfe geleistet. Blutdurchtränkt hat sie dem Opfer beigestanden. Das Opfer hat überlebt. Jetzt ist sie sensibilisiert und das Virus hat leichtes Spiel.
Nächste Woche habe ich sieben Tage Urlaub, dann wird es vielleicht wieder besser...
Ich fühle mich wie auf einer tickenden Zeitbombe.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (30.10.20)
Flüssig geschrieben, aber ich verstehe nicht, um was es gehen soll.

 JoePiet meinte dazu am 30.10.20:
Ich habe nur mitgeschrieben und gleichsam dokumentiert. Es ist der reale emotionale Ausdruck einer Person in Corna-Zeiten. So an diesem Tage erlebt. Möge sich jeder herausziehen, was er möchte oder es einfach übersehen :)
Es gibt eben Dinge, die geschehen - nur so - und am Ende geht es um alles (das Leben).

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 30.10.20:
Das ist ein zu weiter Spagat zwischen Protokollieren (= "nur mitgeschrieben") und emotionalen Erleben des Erzählers.
Das funktioniert m.E. nicht.

 JoePiet schrieb daraufhin am 30.10.20:
ich dokumentiere das Erleben der Person, nicht das meinige :)

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 03.11.20:
Ja, das hatte ich vorausgesetzt. Dennoch erfährt man nicht, um was es geht.
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