Die Kunst in 30 Tagen ein origineller Internetliteraturforenautor zu werden oder Born Originals how come that we all die Copies?

Erzählung zum Thema Du und Ich

von  toltec-head

An 30 Tagen einfach als wäre es ein Ritus immer zu in etwa der gleichen Uhrzeit on gehen und ohne Falsch und Heuchelei einfach in die Tasten hauen, was euch gerade so durch den Kopf geht. Tut so, als wären eure Gedanken syrische Flüchtlinge und euer Geist Angela Merkel: Lasst alle rein! Macht keinen Unterschied! Diskriminiert nicht nach wertvoll und weniger wertvoll, kriminell, sexuell, kleinschwänzig oder behindert! Und in genau der Reihenfolge, in der sie kommen, schreibt sie auf und postet sie: eure Syrer, eure Gedanken...

Schreibt, was ihr denkt von euch selbst, von euren sogenannten "Liebsten" (seit wann genau sagt man in D-Land so? in meiner Kindheit definitiv noch nicht, schätze mal, zeitgleich mit den Hartz4-Reformen lol), von dem Türkenkrieg - pardon! den im Tagesrhythmus stattfindenden Enthauptungen in unserem Nachbarland :):):) - von Corona, euren Vorgesetzten oder einfach nur von den in der Hackordnung etwas höher als ihr stehenden Mitaffen, dem Buch eines echten Schriftstellers oder einer echten Schriftstellerin, das ihr gerade lest, was ihr gerade auf Netflix schaut, der Hintergrundmusik der Klimakatastrophe, dem Geräusch eurer langsam grauer werdenden Haare, dem Ploppen von Krebsgeschwüren oder anderen säkularen Formen des Jüngsten Gerichts.

Wir sind längst alle Kopien, aber Internetliteraturforen können uns helfen Originale zu werden.

Wie kommt es dann aber, dass man auf Internetliteraturforen praktisch nur Müll liest? Antwort: 99,99% aller User halten sich schon bevor sie mit dem Posten von Texten anfangen für Originale.  Und belästigen uns dementsprechend statt mit dem, was ihnen gerade einfällt, mit ihren bereits fertigen, originellen Gedanken, Gedichtchen und Romanausschnitten. Schaut euch doch nur mal wieder den Quatsch an, der heute hier wieder gepostet wurde! Copy&Paste mit persönlicher Furznote wäre mehr!!!


Anmerkung von toltec-head:

Die Kunst, in drei Tagen ein Originalschriftsteller zu werden: Es gibt Menschen und Schriften, welche Anweisung geben, die lateinische, griechische, französische Sprache in drei Tagen, die Buchhalterei sogar in drei Stunden zu erlernen. Wie man aber in drei Tagen ein guter Originalschriftsteller werden könne, wurde noch nicht gezeigt. Und doch ist es so leicht! Man hat nichts dabei zu lernen, sondern nur vieles zu verlernen; nichts zu erfahren, sondern manches zu vergessen (...).

Das wahre wissenschaftliche Streben ist keine Columbische Entdeckungsreise, sondern eine Ulyssesfahrt. Der Mensch wird in der Fremde geboren, leben heißt die Heimat suchen, und denken heißt leben. Aber das Vaterland der Gedanken ist das Herz; an dieser Quelle muß schöpfen, wer frisch trinken will; der Geist ist nur Strom, Tausende sind daran gelagert und trüben das Wasser mit Waschen, mit Baden, mit Flachsrösten und andern schmutzigen Hantierungen. Der Geist ist der Arm, das Herz ist der Wille; Kraft kann man sich anbilden, man kann sie steigern, ausbilden; was nützt aber alle Kraft ohne den Mut, sie zu gebrauchen? Eine schimpfliche Feigheit, zu denken, hält uns alle zurück. Drückender als die Zensur der Regierungen ist die Zensur, welche die öffentliche Meinung über unsere Geisteswerke ausübt. Nicht an Geist, an Charakter mangelt es den meisten Schriftstellern, um besser zu sein, als sie sind (...).

Und hier folgt die versprochene Nutzanwendung. Nehmt einige Bogen Papier und schreibt drei Tage hintereinander ohne Falsch und Heuchelei alles nieder, was euch durch den Kopf geht. Schreibt, was ihr denkt von euch selbst, von euern Weibern, von dem Türkenkrieg, von Goethe, von Fonks Kriminalprozeß, vom Jüngsten Gerichte, von euern Vorgesetzten – und nach Verlauf der drei Tage werdet ihr vor Verwunderung, was ihr für neue, unerhörte Gedanken gehabt, ganz außer euch kommen. Das ist die Kunst, in drei Tagen ein Originalschriftsteller zu werden!

Quelle:
Ludwig Börne: Sämtliche Schriften. Band 1, Düsseldorf 1964, S. 708-709,740-743.
Permalink:
http://www.zeno.org/nid/20004635191

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Kommentare zu diesem Text


 LottaManguetti (30.10.20)
Seit 89 lerne ich, Demokratie sei, wenn alles Denken akzeptiert würde.
Ist sicherlich nicht übel.
Aber muss ich gleichezeitig akzeptieren, dass sich (völlig unbegabte) Personen in ihrer Großmannssucht über jene zu erheben versuchen, die ein tatsächliches Interesse am Schreiben haben und soll ich wegschauen, wenn diese völlig Unbegabten ihre stetig schlechter werdenden Texte nächtens hochklicken, nur weil es ihnen um gesteigerte Aufmerksamkeit geht?
Darüber bin ich mir bei meiner Toleranzfindung noch nicht sicher. Irgendwie kann ja jeder nicht aus seiner Haut ...

Lotta
Nimmer (45) meinte dazu am 30.10.20:
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 LottaManguetti antwortete darauf am 30.10.20:
Um Begabtenbescheinigung geht's mir gar nicht. Lesen und verstehen - nicht mutmaßen (unterstellen).
Nimmer (45) schrieb daraufhin am 30.10.20:
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 LotharAtzert äußerte darauf am 31.10.20:
Vorsicht da oben! - Mama Cass ist an einer Fischgräte erstickt.

 LottaManguetti ergänzte dazu am 31.10.20:
Unterstellungen, die sich auf Beobachtungen beziehen.
Darauf ein Picolöchen!
Nimmer (45) meinte dazu am 31.10.20:
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Sätzer (77)
(30.10.20)
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